Mittwoch, 22. April 2020

Ende einer Lebenslüge: Diversity durch Doppelspitze


Steven Pinker hat schon 2002 in seinem legendären Buch The Blank Slate: The Modern Denial of Human Nature die feministische Weltwahrnehmung auf den Punkt gebracht. Männer und Frauen werden als verfeindete Klassen angesehen, deren einzige Motivation im Streben nach Macht und darin besteht, einander zu unterdrücken und zu beherrschen. Diese Identitätspolitik des Feminismus verneint grundsätzlich, daß alle Menschen gleich sind und lehnt damit eine der zentralsten Grundlagen der Aufklärung und Demokratie ab. Dies führt zwangsläufig zur Forderung nach Doppelspitzen, Frauenquoten in Parlamenten und Kontrolle aller Machtpositionen durch Frauen als Vertreter ihres Kollektivs.

Der feministische Jubel war daher groß, als die SAP 2019 eine Doppelspitze bekam, bestehend aus Jennifer Morgan und Christian Klein. Auch die Pressenotiz der SAP pries die Doppelspitze - wie in solchen Texten nicht anders zu erwarten - in den höchsten Tönen. SAP ist immerhin das wertvollste DAX-Unternehmen und das einzige große deutsche Unternehmen, das in der Tech-Branche erfolgreich ist. Sein Bekenntnis zur feministischen Weltsicht durch die Doppelspitze war für den Feminismus strategisch eminent wichtig.

Gestern abend am 20.04.2020 kam dann ein Paukenschlag: Nach nur rund einem halben Jahr als Co-CEO von SAP verläßt Morgan das Unternehmen zum Monatsende April. Die Schockwelle durchläuft gerade die (mehr oder weniger feministischen) Redaktionen, mit den zu erwartenden Reaktionen. Lesenswert: Müller (2020).

Das Scheitern des Experiments ist für die SAP eine personalpolitische Blamage und für den Feminismus ein Sargnagel für die Lebenslüge, Doppelspitzen bzw. Geschlechterdiversität wären so vorteilhaft, daß man sie nicht leugnen kann und darf.

Der Fall Jennifer Morgan

Jennifer Morgan war schon ca. 2 Jahre vor dem Aufstieg zum Co-CEO Mitglied des Vorstands und insg. 17 Jahre bei SAP, hat also eine lange und erfolgreiche Karriere hinter sich. Sie lebt und arbeitet in den USA, während ihr Co-CEO Christian Klein in Deutschland in der SAP-Zentrale arbeitet. Neben dieser regionalen Arbeitsteilung gab es auch eine thematische Arbeitsteilung, wonach die beiden Co-CEOs unterschiedliche Zuständigkeiten hatten. Die Doppelspitze wurde durchaus plausibel dargestellt.

Vor diesem Hintergrund ist es nun sehr instruktiv, die vergleichsweise kurze Pressemeldung von SAP zu lesen:

Christian Klein wird SAP CEO, Jennifer Morgan verlässt Unternehmen

Die SAP SE (NYSE:SAP) hat heute bekanntgegeben, dass Co-CEO und Vorstandsmitglied Christian Klein (39) alleine die Funktion als Chief Executive Officer/Vorstandssprecher übernehmen wird. Co-CEO Jennifer Morgan (48) hat sich mit dem Aufsichtsrat der SAP SE einvernehmlich darauf verständigt, das Unternehmen zum 30. April 2020 zu verlassen.

Mehr denn je verlangt die aktuelle Situation von Unternehmen schnelles, entschlossenes Handeln und eine klare, hierbei unterstützende Führungsstruktur. Die Entscheidung zurück zum Modell eines alleinigen Vorstandssprechers fiel daher früher als geplant, um in dieser beispiellosen Krise eine starke, eindeutige Führungsverantwortung sicherzustellen.

[Es folgt die übliche Begleitmusik inkl. Lob für die natürlich freiwillig Dahingehende.]

Verwundert liest man, daß eine starke, eindeutige Führungsverantwortung in dieser beispiellosen Krise sicherzustellen ist. Nur dann, normalerweise aber nicht? Spötter könnten hier einwenden, Feminismus sei eine Wohlstandskrankheit, deren Kosten und Kollateralschäden nur dann erträglich sind, wenn es einem ziemlich gut geht.

Besonders interessant ist die implizite Aussage, daß die Doppelspitze dazu geführt hat, daß keine "starke, eindeutige Führungsverantwortung" vorhanden und kein "schnelles, entschlossenes Handeln" möglich ist, beides aber durch Abschaffung der Doppelspitze wiederhergestellt werden soll. Diese Erkenntnis steht in auffälligem Widerspruch zu den Anpreisungen der Doppelspitze bei deren Einführung. Zu dieser Erkenntnis gelangt man aber auch ohne teure Experimente durch kurzes Nachdenken:

Doppelspitzen sind Unsinn

Ein Unternehmen muß nach außen, den Kunden und der Öffentlichkeit gegenüber, klare und eindeutige Entscheidungen und Strategien vertreten. Es muß oft genug in Verhandlungen mit Geschäftspartnern innerhalb von Minuten Entscheidungen fällen können und kann nicht mit einer Woche Vorlauf eine Versammlung einberufen, in der eine Entscheidung oder ein Verhandlungsvorschlag von allen Involvierten erarbeitet wird.

Doppelspitzen werden oft auch euphemistisch als "Geschlechterdiversität" bezeichnet. Der Kampfbegriff Diversität steht aber im Kern für Uneinigkeit und Heterogenität, also das letzte, was man in einer Firmenführung brauchen kann. Den sehr dehnbaren Begriff Diversität kann man wohlwollend so interpretieren, daß alle Aspekte eines Problems beleuchtet werden sollen und hierzu entsprechende Personen an Beratungen beteiligt werden. Dazu gibt es Vorstände, die nächste Führungsebene, Stabsstellen, Frauenbeauftragte usw., die wichtige Verhandlungen oder unternehmerischen Entscheidungen vorbereiten bzw. darin involviert sind. Eine Doppelspitze trägt dazu nichts wesentliches bei. Indem Jennifer Morgan vom Vorstandsmitglied zum Vorstands-Co-Vorsitzenden aufstieg, wurde die SAP nicht diverser.

Die internen, "diversen" Debatten sind nicht für die Öffentlichkeit gedacht und müssen nach der Beschlußfassung konsistent nach außen vertreten werden - dazu reicht ein einziger Vorstandsvorsitzender, ggf. unterstützt durch einen Pressesprecher, völlig aus. Dazu braucht man keinen zweiten Vorstandsvorsitzenden, der jährlich Millionen kostet.

Eine Doppelspitze ist also ziemlich offensichtlich eine Schnapsidee. Die offiziellen Anpreisungen sind schlicht Phantasieprodukte. Wenn sie auch nur ansatzweise stimmen würden, dann müßten die Vorteile einer Doppelspitze gerade jetzt in einer Krise sichtbar werden. Stattdessen nimmt man jetzt in der Krise die Trennung und die damit verbundenen Kosten und Aufwände inkauf, also ob es sonst nichts besseres zu tun gäbe.

Die wahren Gründe für Doppelspitzen liegen offensichtlich woanders: die schon von Pinker erkannte grundlegende feministische Feindschaft und das Mißtrauen gegenüber Männern und daraus folgend die politische Korrektheit und das virtue signalling gemäß dem heutigen Zeitgeist. Die SAP konnte sich mit der Doppelspitze (zumindest an der Spitze also mit einer Frauenquote von 50%) als modern und progressiv darstellen. Der Druck hierzu ist bei großen Unternehmen seit Jahren extrem hoch.

Konsequenzen und Rezeption

Die Bedeutung des Falls Jennifer Morgan geht weit über die SAP hinaus. Daß die SAP die Doppelspitze jetzt mit einem großen Knall beendet hat, enttarnt Doppelspitzen für die Öffentlichkeit sehr gut sichtbar als das, was sie sind: eine feministische Lebenslüge. Die angeblichen Vorteile von Diversität bzw. Heterogenität sind auch sonst unglaubwürdig, speziell in einer Unternehmensleitung offensichtlich kontraproduktiv.

Nun ist die SAP nicht der einzige, der negative Erfahrungen mit einer Doppelspitze macht. Der "Erfolg" der Doppelspitze bei der SPD hat noch vor kurzem deren Probleme und Nachteile der Öffentlichkeit vorgeführt: das Finden von Paaren von Kandidaten (m/w/d), die sich einigermaßen vertragen, obwohl Alphatier, wird enorm kompliziert, die Kommunikation nach außen ist oft konfus, weil Fragen ad hoc beantwortet werden müssen, und einer der beiden setzt sich in der öffentlichen Wahrnehmung als das eigentliche Leittier durch, was der andere u.U. egotechnisch schlecht verkraftet.

Die medial sonst hochpräsente grüne Doppelspitze ist in der aktuellen Krise irgendwie abgetaucht, fällt jedenfalls nicht durch kreative Ideen auf. Sie zeigt damit unfreiwillig, daß Diversität wenig Vorteile bringt, wenn sie sich auf unterschiedliche Geschlechtsorgane beschränkt, ideologisch und von den Denkmöglichkeiten her aber eine Monokultur vorliegt.

Insofern ist das Scheitern der Doppelspitze bei der SAP vielleicht (bzw. hoffentlich) der Wassereimer, der das Faß zum Überlaufen bringt und die Unsinnigkeit von Doppelspitzen, sowohl in Unternehmen wie in Parteien, vor allem aber die zugrundeliegende Identitätspolitik und die darin verankerte gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in das öffentliche Bewußtsein rückt.

Quellen