Dienstag, 16. Juni 2015

Feministischer Killerinstinkt und weibliche Empathie






Feministischer Killerinstinkt und weibliche Empathie

[letzte Nachträge vom 25.07.2015]

Inhalt


Wir erleben seit letzter Woche (seit dem 08.06.2015) eine in dieser Form einzigartige öffentliche soziale Hinrichtung einer Person, die gegen feministische Sprachvorschriften verstoßen hat. Der Vorfall stellt selbst die Demontage von Lawrence Summers, der 2005 wegen einer wissenschaftlich korrekten, aber politisch unkorrekten Äußerung als Präsident von Harvard abgesetzt wurde, deutlich in den Schatten.

Es handelt sich um den Nobelpreisträger Tim Hunt. Die ihm zu Last gelegte Untat bestand i.w. darin, in einer Rede den - aus dem Kontext gerissenen - Satz fallengelassen zu haben, weibliche Mitarbeiter würden weinen, wenn man sie kritisiert, und es wäre eventuell besser, in geschlechtergetrennten Laboren zu arbeiten. Er wurde binnen 48 Stunden von seiner Honorarprofessur (die nicht zu verwechseln ist mit seiner normalen Professur, von der er bereits emeritiert ist) und sämtlichen akademischen Positionen entfernt. Bis vor der Rede war er noch aktiver Forscher, seine wissenschaftliche Tätigkeit scheint hiermit abrupt beendet worden zu sein, sogar das Arbeitsverhältnis seiner Frau (an der gleichen Universität) wurde erheblich beeinträchtigt.

Das "Women in science incident" ist mit der Vernichtung von Hunt als integerer Person und anerkanntem Forscher vorerst abgeschlossen und man kann den Vorfall nun retrospektiv analysieren. Markante Beobachtungen sind:

  1. Hunt wurde auf Basis unsicherer Informationen (Details s.u. "Was sagte Hunt wirklich", ferner mehrere Nachträge) und alleine aufgrund von unbewiesenen Anklagen eliminiert. Genaueres, z.B. ob seine Aussagen erkennbar ironisch gemeint waren, wurde erst nach seiner Eliminierung bekannt. Gelegenheit zur Verteidigung wurde ihm nicht gegeben, Entschuldigungsversuche wurden allenfalls gegen ihn verwendet, weil zu halbherzig und nicht 100% feministische Dogmen reproduzierend. Der Vorfall weist somit die vergleichbare Grundstruktur auf wie die Feme-Prozesse, die an US-amerikanischen Colleges gegen männliche Studenten geführt werden, die wegen "rape" angeklagt sind.
  2. Ob seine Äußerungen sexistisch sind, ist großenteils Ermessenssache - zumal ähnliche Aussagen auch von Feministinnen getätigt werden - und vor allem wegen der unklaren Umstände nicht eindeutig zu entscheiden. Er selber hat diese Absicht eindeutig verneint, diese Wertung spielte aber für den feministischen Racheakt an ihm keine Rolle.
  3. Vorgeworfen wurde ihm vor allem, seine Äußerung sei schädlich für Frauen in den Naturwissenschaften und habe die Frauenförderung dort erheblich zurückgeworfen. ("With one short speech he has set back the cause of women in science.") Dieser Vorwurf ist völlig absurd, denn - sofern ein solcher Effekt überhaupt besteht, was nicht offensichtlich ist - wurde und wird er in erster Linie durch die feministischen Akteure verursacht, nicht durch Hunt. Die Anklägerinnen sind selber die Haupttäter, indem sie seine Aussage weltweit verbreitet haben, verbunden mit dem Hinweis, daß Mädchen diese unbedingt als einschüchternd empfinden sollten. Es wäre ein leichtes gewesen, diese Einschüchterung zu vermeiden, indem man einfach die Aussagen unerwähnt gelassen und Kritik an Hunt weniger öffentlichkeitswirksam angebracht hätte. Die öffentlichkeitswirksame Demontage von Hunt muß daher als Hauptabsicht der Kampagne gegen ihn angesehen werden.
  4. Wie in den vorstehenden Punkten dargestellt sind die Vorwürfe gegen Hunt weitgehend Ermessenssache und wegen der inneren Widersprüche und der Mittäterschaft der Journalistinnen (Punkt 3) unglaubwürdig. Der Haupteffekt, der intendiert sein dürfte, war der eines Schauprozesses mit öffentlicher sozialer Hinrichtung, der eine breite, ggf. feminismuskritische Öffentlichkeit einschüchtern und die Gefährlichkeit nicht linientreuer Äußerungen demonstrieren soll.
  5. Das Verhalten der Akteure in diesem Vorfall steht in krassem Gegensatz zu den eigenen Theorien über die Eigenschaften von Frauen und den Argumenten für Frauenförderung: der geringe Frauenanteil wird immer wieder begründet mit der "männlichen kompetitiven Kultur" in diesen Fächern, die Frauen benachteiligt, weil Frauen empathischer und konsensorientierter sind. Diese männliche Kultur ist daher zwecks Chancengleichheit zu beseitigen. Tatsächlich zu beobachten war bei den Damen, die an dieser Jagd auf Hunt mitwirkten, hingegen ein ungebremster, von allen Skrupeln befreiter Killerinstinkt, eine ungeliebte Person möglichst rasch und vollständig bei maximaler Schmähung sozial zu vernichten, um ein Exempel zu statuieren und die eigene Macht zu demonstrieren. Da es sich hier überwiegend um medienerfahrene Journalistinnen handelte, kann auch nicht von einem Versehen ausgegangen werden.
  6. Eine besondere Rolle bei der Hetzjagd gegen Hunt spielte die Presse, die unter Mißachtung jeglicher journalistischen Sorgfaltspflichten unzuverlässige Informationen als gesicherte Fakten darstellte.
Im Einzelnen:

Was sagte Hunt wirklich?

Hunts Worte fielen im Rahmen einer kurzen Ansprache vor einem Dinner, das für rund 100 überwiegend weibliche Wissenschaftsjournalisten gegeben wurde, in eher lockerer Atmosphäre, also nicht in einem wissenschaftlichen oder wissenschaftspolitischen Vortrag. Auslöser des Mediensturms waren zwei weitgehend identische Tweets von Connie St Louis am 8. Juni 2015, 00:29 / 8. Juni 2015, 00:37. In diesem behauptet sie, Hunt habe gesagt,
"Let me tell you about my trouble with girls - 3 things happen when they are in the lab; you fall in love with them, they fall in love with you and when you criticise them, they cry. .... I'm in favour of single-sex labs."
In einer späteren Veröffentlichung am 14.06.2015 umschreibt eine andere Anwesende, Deborah Blum, die Aussagen nur noch sinngemäß:
But maybe I should tell you about my trouble with girls. These included the fact that 1) women scientists fall love with male scientists 2) vice versa 3) women cried when criticized and this combination of problems lead to the conclusion that (4 ) perhaps we would all be better off with male-female segregated laboratories.
Was Hunt exakt gesagt hat, ist letztlich unbekannt und vermutlich nicht rekonstruierbar, da es kein Manuskript und offenbar auch keine Tonaufzeichnung seiner Rede gibt. Hunt streitet aber nicht ab, sinngemäß diese 4 Aussagen getätigt zu haben.

Das BBC-Interview von St Louis. Neben diesen schriftlichen Zeugenaussagen hat St Louis in einem Interview mit dem BBC Radio 4 Today Programme behauptet, Hunt habe über die 4 konkreten Äußerungen hinaus - für die man vielleicht 20 Sekunden Sprechzeit braucht - noch wesentlich länger "increasingly offensive" Äußerungen getätigt, die das Publikum "stony faced" hinterlassen hätten:

Connie St Louis, who attended the talk, told the Today Programme that Hunt continued for six or seven minutes -- his diatribe getting increasingly offensive as the audience remained stony faced; they clearly were not appreciating the joke, but that did not sway him from his course. (Wired, 10.06.2015)
Weiter hätte das so geschockte Publikum Notizen von dem Vorfall angefertigt:
After he had finished, there was this deathly silence. ... A lot of my colleagues sat down and were taking notes because they couldn't believe in this day and age that somebody would be prepared to stand up and be so crass, so rude in a different culture and actually to be so openly sexist as well. (Daily Mail, 10.06.2015)
Extrem seltsam in diesem Zusammenhang ist, daß diese angeblichen Notizen nie aufgetaucht sind, obwohl praktisch das komplette Publikum aus professionellen Journalisten bestand. Es sind jedenfalls keine weiteren Darstellungen des Vorfalls von Zeugen außer den beiden vorstehenden bekannt geworden, die die "increasingly offensive" Äußerungen bestätigen oder Beispiele dafür benennen, weder zum Zeitpunkt des Demontage Hunts noch später. Anderen Darstellungen zufolge erhielt Hunt nach seinem Toast den üblichen höflichen Applaus, von Pfiffen, Buhrufen oder ähnlichen, eigentlich zu erwartenden Mißfallenskundgebungen ist nichts bekannt.

Die gravierenden Vorwürfe von St Louis in dem BBC-Interview sind daher mit hoher Sicherheit falsch (s. auch Nachträge 26.06.2015 und Nachträge 08.07.2015), wurden aber in etlichen Zeitungsartikeln ungeprüft weitergegeben und als gesicherte Erkenntnis dargestellt und waren vermutlich auch maßgeblich für die Entscheidung, Hunt von seinen akademischen Ehrenämtern zu entfernen.

Der Sexismus in Hunts Aussagen

Aussage (1): Männer verlieben sich am Arbeitsplatz in Frauen.

Dies ist eine statistisch kaum haltbare pauschale Aussage über Männer. Man warnt Männer seit langem eindringlich davor, sich am Arbeitsplatz von den Reizen weiblicher Mitarbeiter beeinflussen zu lassen, auch dann, wenn diese ostentativ versuchen, entsprechende Reflexe auszulösen. Die weit überwiegende Mehrheit Männer folgt diesem Rat. Auch wenn Ausnahmen nicht ganz selten sind, widerlegen sie die Regel nicht.

Als sexistisch gelten gemeinhin Aussagen, die sachlich nicht zutreffen und die geeignet sind, das Ansehen der Betroffenen zu reduzieren. Da die Aussage überwiegend nicht zutrifft und "den Männern" unterstellt, ihr Gefühlsleben nicht unter Kontrolle zu haben, kann man hier eine schwache Form von Sexismus gegen Männer diagnostizieren. Spekulationen, dies würde Männer von den MINT-Berufen abschrecken, sind nicht bekannt.

Aussage (2): Frauen verlieben sich am Arbeitsplatz in Männer.

Analog zu Aussage (1).

Aussage (3): Frauen weinen, wenn man sie kritisiert.

Wenn man "weinen" wörtlich nimmt, dann ist dies eine statistisch falsche Aussage, tatsächlich weinen Frauen nur in Einzelfällen. Wenn man "weinen" im übertragenen Sinn als "empfindlich auf Kritik reagieren", vor allem im Vergleich mit Männern, versteht, handelt es sich um eine statistisch durchaus korrekte Aussage. Die Korrektheit dieser Aussage wird kurioserweise gerade aus feministischen Kreisen in anderen Kontexten immer wieder bestätigt, wenn es darum geht, was Frauen daran hindert, MINT-Fächer zu wählen. Die höhere Empathie und Konsensorientierung wurde schon oben unter Punkt 5 erwähnt. Die emotionale Empfindlichkeit von Frauen wird inhaltlich auch in Handbüchern zur Personalführung und Anleitungen zur Frauenförderung häufig thematisiert.

Zum Weinen bzw. ausgeprägten emotionalen Reaktionen selber findet man zahllose Quellen, wie man(n) mit weinenden Frauen umgehen soll oder warum die Männer eigentlich nicht weinen. Die stets um das Wohl der Frauen besorgte Zeit meint sogar, Männer sollten besser nicht weinen: "... der Mann, der sich Reaktionsweisen zugesteht, die traditionell als weiblich gelten, macht damit noch lange nicht den Frauen Platz. Vielmehr besetzt er damit auch noch diesen Platz - den Platz des spontanen Gefühlsausbruchs, der eingestandenen Verletzlichkeit. ... Die Frauen sollten sich gut überlegen, ob sie ihn [den tränenfreien Mann] wirklich zurücktauschen wollen gegen die alte männliche Heulsuse, die noch aus ihrer Larmoyanz einen Vorteil zieht im Geschlechterkampf." D.h. die Option, weinen bzw. emotional reagieren zu können, wird sogar im Einzelfall in feministischen Quellen exklusiv für Frauen reklamiert.

In der Summe ist es nicht klar, daß die Aussage (3) sexistisch ist. Im übertragenen Sinne ist sie nicht ganz falsch, und die Emotionalität von Frauen wird vielfach eher als Vorteil gewertet.

Aussage (4): Labore sollten eventuell besser geschlechtergetrennt sein.

Wenn man "laboratories" als Räumlichkeiten versteht, dürfte diese Idee völlig unrealistisch sein. Realistischerweise könnten allenfalls Arbeitsgruppen homogen zusammengesetzt sein. Mit "perhaps we would all be better off" ist auch klar ausgedrückt, daß es sich um eine Spekulation handelt. Die implizite Aussage, daß gemischte Teams mehr Probleme haben als homogene, ist zwar in vielen Fällen bestätigt worden, kann aber so pauschal nicht aufrechterhalten werden. Die analoge Aussage hinsichtlich Schulunterricht wird seit langem kontrovers diskutiert, der Standpunkt, Koedukation teilweise zu vermeiden, ist durchaus verbreitet und gilt nicht als Sexismus. Reine Mädchenschulen haben den Ruf, bei den Mädchen viel bessere Lernerfolge in den MINT-Fächern zu erreichen. Die Nachwuchsforscher in den Laboren sind großenteils 22 - 25 Jahre alt, also nicht viel älter als Abiturienten. Die These, daß sich die Erfolge von reinen Mädchenschulen, also geschlechtergetrenntem Unterricht, in einem anderen Kontext wiederholen lassen, ist keineswegs unplausibel. (Auf einem anderen Blatt steht, daß die betroffenen Forscherinnen vermutlich nicht mit geschlechtergetrennten Arbeitsgruppen einverstanden wären.)

In der Summe ist die Spekulation, eventuell besser in geschlechtergetrennten Arbeitsgruppen zu arbeiten, keine unzutreffende, herabsetzende Äußerung einzelner Personengruppen und insofern kein Sexismus.

Die Ironie in Hunts Aussagen

Hunt hat selber wiederholt geäußert, seine Aussagen seien als Scherz gemeint gewesen. Die Verantwortung dafür, daß Ironie als solche erkannt wird - also Aussagen nicht ernst zu nehmen sind - trägt in erster Linie der Sprechende. Wir wissen nicht, ob Haut durch Stimme, Gestik oder andere Mittel im Vortrag die geplante Ironie deutlich gemacht hat und können daher nur die Transkription seiner Äußerungen heranziehen.

Die beiden ersten Aussagen sind offensichtlich falsch und können daher nicht wirklich ernst gemeint sein. Nach diesem Anlauf sollte man eigentlich folgern können, daß dies auch für die dritte Aussage gilt, auch wenn dies dort nicht so klar ist und etwas mehr Denkleistung erfordert.

In dieser Hinsicht muß man Hunt vorwerfen, daß die Ironie viel deutlicher hätte sein müssen und selbst in besser formulierter Form wahrscheinlich unpassend für den Anlaß gewesen wäre. Wenn Hunt außerdem auf sich selber gehört hätte, wäre ihm die Gefahr bewußt gewesen, daß das überwiegend weibliche Publikum emotional auf die die Kritik an Frauen, die man aus seinen Äußerungen herauslesen kann, reagieren würde (allerdings nicht mit Weinen, sondern einer vernichtenden Attacke auf ihn) und daß er eher zurückhaltend mit solchen Stilmitteln hätte operieren müssen.

Was Hunt nicht sagte

Ein Hauptvorwurf, der Hunt in vielen Kommentaren gemacht wird, ist "saying that women should be kept out of the lab because they were distracting" (Bishop). Offensichtlich hat er dies nicht wörtlich gesagt, denn selbst bei geschlechtergetrennten Laboren sind Frauen im Labor, nur ohne Männer, und gemeint hat er es auf keinen Fall.

Dieser Hauptvorwurf ist eine freihändige Interpretation dessen, was Hunt tatsächlich sagte. Diese Interpretation erfordert mehrere Annahmen, und zwar (1) die wörtlichen Aussagen als einseitig negativ für Frauen zu werten, (2) die Schuld an eventuellen Beziehungskonflikten einseitig den Frauen zuzuschreiben, und (3) Mechanismen zu unterstellen, die Frauen aufgrund dieser Schuld aus den Laboren verbannen. Die 1. Annahme ist nicht korrekt, s.o., die 2. willkürlich, die 3. Annahme ist völlig absurd und appelliert an den ewigen Opferstatus der Frauen (oder zeugt von einem ausgesprochenen Minderwertigkeitskomplex).

Die wichtigste Hunt unterstellte Behauptung ist daher eine willkürlich und falsche Interpretation dessen, was er wirklich sagte.

Das zerstörte weibliche Selbstvertrauen

In vielen feministischen Kommentaren wird der Schaden, den Hunts Äußerung verursacht, so beschrieben: Stellen Sie sich vor, eine junge Wissenschaftlerin bewirbt sich auf eine Stelle bei Herrn Hunt und weiß, welche Meinung er von Frauen hat, nämlich daß sie die Männer bei der Arbeit stören und immer nur jammern. Wird sie sich überhaupt noch bewerben oder eine Karriere in den Naturwissenschaften anstreben?

Sofern man spontan dieser These zustimmt, hat man ungewollt einen Selbsttest bestanden, ob man von einem feministischen Tunnelblick befallen ist. Diese Horrorvision appelliert an typische weibliche Ängste - eine Standarddiskurstechnik in der Geschlechterdebatte - und ist weitgehend irrational, denn sie basiert auf völlig unrealistischen bzw. sehr kuriosen Annahmen. Unterstellen wir also, daß unsere Wissenschaftlerin von den feministischen Nachrichtendiensten informiert wurde und nicht imstande war, die Ironie in Hunts Worten zu erkennen. Das Selbstvertrauen unserer Wissenschaftlerin kann jetzt höchstens unter folgenden Annahmen angeknackst werden:

  • Sie weiß nicht, daß Herr Hunt bestenfalls über eine Handvoll Stellen in seinem Einflußbereich entscheidet. Für tausende anderer Stellen ist seine vermutete Meinung völlig belanglos. Sofern sie die falsch verstandene Äußerung von Hunt bei allen anderen Vorgesetzten, sogar den weiblichen, unterstellen würde, wäre das eine fahrlässige, unwissenschaftliche Verallgemeinerung.
  • Sie glaubt, nur Frauen wären von Hunts Überlegungen betroffen, obwohl sie für Männer und Frauen gleichermaßen gelten.
  • Sie hat, obwohl sie offenbar schon eine Weile nicht ganz ohne Erfolg an der Uni ist, immer noch nicht bemerkt, daß Frauen in allen wissenschaftlichen Qualifizierungsphasen laufend mit Mentoringprogrammen und anderen einseitigen Förderungen beglückt werden und daß bei jeder Gelegenheit durch Frauenbeauftragte schärfstens kontrolliert wird, daß Frauen auf keinen Fall im Nachteil sind.
Jemand, der einen speziellen britischen Humor so falsch interpretiert, ist entweder nicht sehr qualifiziert oder hat schon vorher ein angeknackstes Selbstvertrauen und muß immer in Watte gepackt werden. Beides disqualifiziert für eine Forscherkarriere, da sollte man keine so gravierenden Denkfehler machen und viel Selbstvertrauen haben, denn Forschung ist mit vielen Rückschlägen und viel Frust verbunden, entweder weil die Untersuchungen nicht wie gewünscht laufen oder weil konkurrierende Forschergruppen schneller waren und zuerst publiziert haben. Forschung ist wie Bundesliga, nicht wie Ponyhof.

Gesamtbewertung

Die Tim-Hunt-Affäre ähnelt in vieler Hinsicht der Matt-Taylor-Affäre und der länger zurückliegenden Demontage von Lawrence Summers. Gemeinsam ist allen Vorfällen die absurde Relation zwischen Anlaß und Auswirkungen, die persönliche Schädigung anstelle einer politischen Debatte und der unübersehbare Killerinstinkt feministischer Akteure, jeden sozial zu vernichten, der es wagt, sich unbotmäßig zu äußern oder zu handeln. Das offensichtliche Ziel ist, Kritik mundtot zu machen, frei nach Mao Tse-Tungs Devise "Bestrafe einen, erziehe hundert." Dazu muß man nicht mehr wie früher, z.B. in den politischen Säuberungen, Personen physisch umbringen oder in Gulags verfrachten, die soziale Isolierung und Abstufung zum unberührbaren sexistischen Paria reicht im Zeitalter der Medienherrschaft und des Staatsfeminismus völlig für eine soziale Vernichtung.

Die an Männer gerichtete Botschaft ist klar verständlich: jede auch nur entfernte Kritik an Frauen oder an feministischen Dogmen, jede sachlich korrekte, aber politisch inkorrekte Äußerung kann jederzeit die medialen Killerkommandos auf den Plan rufen ein und existenzielles Risiko darstellen.

Für das Verhältnis zu Frauen in beruflichen Kontexten ergibt sich die - nicht für jeden neue - Erkenntnis, daß Frauen sozusagen eine unsichtbare Maschinenpistole mit sich herumtragen: sie können, wenn sie sich aus irgendeinem Grund falsch behandelt fühlen, jederzeit auf die Killerkommandos zurückgreifen. In Deutschland ist das offene Tragen von Schußwaffen in der Öffentlichkeit strikt verboten. Vordergründig deshalb, weil die Unfallgefahr viel zu hoch ist, hintergründig aber auch, weil die Demonstration, jemand anderen jederzeit vernichten zu können, die Kräfte- und Machtverhältnisse nachhaltig ändert. Genauso wie ein Staat mit Atomwaffen diese nicht wirklich gegen seine Nachbarn einsetzen muß, um diese nachhaltig einzuschüchtern.

Die öffentlichen Exekutionen von Personen, die sich nicht feminismuskonform verhalten haben, ist daher zuallervorderst als Machtdemonstration zu verstehen und als Hinweis, daß jede einzelne Frau über dieses Machtmittel verfügen kann.

Konsequenzen

Die offensichtliche Lektion für jeden Mann: Keine Witze über Frauen! Absolut keine! (sofern wenigstens eine Frau ihr Hörweite, und auch sonst höchstens bei guten Bekannten)

Weitere Veröffentlichungen

Nachträge

  • Obwohl es eigentlich überflüssig zu erwähnen ist, gibt es jedenfalls keinerlei Hinweise, daß Hunt sich in der Realität diskriminierend gegenüber Frauen verhalten hat. Im Gegenteil wird von allen, die ihn näher kennen, bestätigt, daß er viele Frauen bei ihrer wissenschaftlichen Karriere unterstützt hat.
  • Hunt ist mit Sicherheit ein genialer Wissenschaftler, aber ein grottenschlechter Pressesprecher, auch in eigener Sache. So kann seine Äußerung über sich selber, er sei ein ``chauvinist pig'', wahlweise als korrektes Faktum, Ironie, britischer Humor, Ausweichmanöver und beliebige Kombination davon verstanden werden. Wenn er über Grundkenntnisse in Maskulismus verfügt hätte, dann wäre ihm bekannt gewesen, daß unsere Medien sehr feministisch geprägt sind und solche Aussagen selbstmörderisch sind und er besser kein einziges Wort mehr gesagt hätte.
  • Boris Johnson, Bürgermeister von London, geht in einem sehr lesenswerten Beitrag Male and female are different: hardly earth-shattering news auf die Absurditäten der feministischen Argumentationen ein.
  • Tanja Gabriele Baudson merkt an, nicht die Emotion sei unprofessionell, sondern der unprofessionelle Umgang mit Emotionen, und weist auf alte Forschungsergebnisse hin, wonach Frauen in der Regel eine höhere Emotionalität zugeschrieben wird, was nicht zuletzt an der höheren sozialen Akzeptanz liegen dürfte.
  • Der Gastgeber der Veranstaltung, die Korea Federation of Women's Science & Technology Associations (KOFWST) veröffentlicht am 16.06.2015 eine Pressemitteilung, in der sie offenbar am gleichen Tag in demütigendem Tonfall Hunt aufgefordert hat, sich innerhalb von 24 Stunden formell zu entschuldigen, und er dies auch getan hat. Der Vorwurf an ihn, sexistisch zu sein (nach welcher Definition auch immer), bezieht sich auf die Aussagen 1 - 3 und wesentlich auf (ungeschickte) Äußerungen Hunts in späteren Interviews. Seltsam mutet an, daß die KOFWST über eine Woche brauchte, um einen äußerst scharfen Brief zu schreiben, und die weitergehenden Vorwürfe von St. Louis im BBC-Interview nicht erwähnt.
  • Ebenfalls am 16.06.2015 veröffentlicht Deborah Blum den Artikel Sexist Scientist: I Was Being `Honest', in dem sie darstellt, der erste Tweet von St. Loius sei von Ivan Oransky, einem Teilnehmer des Dinners, abgesprochen worden.
  • Daß selbst hartgesottene professionelle Feministinnen gelegentlich Emotionen zeigen und Tränen vergießen, demonstrierte soeben Stefanie Lohaus, Chefredakteurin des Missy Magazine, vor wenigen Tagen vor großem Publikum ("Stefanie Lohaus muss ihre Brille abnehmen, weil ihr die Tränen kommen"). Allerdings nicht wegen Kritik, sondern wegen eines Lobes. Was die Sache mit der Emotionalität von Frauen noch komplizierter macht. Zumal die meisten chauvinist pigs das wieder süß und rührend bei den Frauen finden. Die Geschlechterwelt ist kompliziert.
  • Ob die Reisewarnung der französischen Regierung vom 18.06.2015 vor Witzen mit sexuellen Bezügen in den USA durch die Hunt-Affäre verursacht ist, ist nicht bekannt.

Weitere Nachträge 26.06.2015

  • Am 24.06.2015 veröffentlicht die Times einen (nicht frei zugänglichen) Artikel Leaked transcript shows `sexist' scientist was joking, der u.a. im Daily Mail zitiert wird (Revealed: 'Sexist' Nobel winner went on to praise women scientists in SAME SPEECH, continuing after criticised comments by saying 'Now seriously...'). Danach hat ein Vertreter des Europäischen Forschungsrates (ERC), einer EU-Forschungsförderorganisation, als ERC-Botschafter an der Konferenz teilgenommen und ein Protokoll der Rede angefertigt, das auch SPIEGEL ONLINE vorliegt. Demnach waren die inkriminierten Sätze von Hunt eindeutig eingerahmt in Aussagen, die zweifelsfrei eine ironische Absicht erkennen lassen:
    It's strange that such a chauvinist monster like me has been asked to speak to women scientists. Let me tell you about my trouble with girls. Three things happen when they are in the lab: you fall in love with them, they fall in love with you, and when you criticise them they cry. Perhaps we should make separate labs for boys and girls?
    Now seriously, I'm impressed by the economic development of Korea. And women scientists played, without doubt an important role in it. Science needs women and you should do science despite all the obstacles, and despite monsters like me.
    Die Korrektheit dieses Protokolls wurde von Connie St Louis bestritten, namentlich die Überleitung "Now seriously, ...". Die andere Zeugin, Deborah Blum, konnte sich nicht genau genug erinnern, um diese Überleitung bestätigen oder verneinen zu können.
  • Die Daily Mail publizierte am 26.06.2015 den Artikel Guy Adams: A very flawed accuser: Investigation into the academic who hounded a Nobel Prize winning scientist out of his job reveals troubling questions about her testimony.

    Darin werden Connie St Louis, der wichtigsten Zeugin in diesem Fall, erhebliche und systematische Falschaussagen hinsichtlich ihrer akademischen Verdienste auf ihrer universitären Webseite und anderen Selbstdarstellungen nachgewiesen. Zugespitzt formuliert scheint sie eine bestenfalls drittklassige Wissenschaftlerin zu sein, die versucht, dies durch nicht zutreffende Behauptungen wissenschaftlicher Verdienste zu kaschieren. Für den Fall Hunt ist dies nicht direkt relevant, indirekt aber insofern, als diese Zeugin in der Vergangenheit wiederholt objektiv falsche Aussagen öffentlich tätigen konnte, ohne dafür bisher zur Rechenschaft gezogen worden zu sein.

    Ferner hat St Louis ihre Darstellung des Skandals selber mehrfach verändert:

    Curiously, that 1,000-word piece, in which St Louis recalled the scandal, was heavily edited after publication. Around 30 changes, some of them significant, were made to it. In an apparent contradiction of usual Guardian policy, the version now running online contains no disclaimer detailing this fact.
  • Rund 2 Wochen nach dem Vorfall stellt sich der Erkenntnisstand zusammengefaßt so dar:

    • Die Vorwürfe gegen Hunt basierten zum Zeitpunkt seiner Entlassung weitgehend auf einer einzigen Zeugin, St Louis. Deren Vorwürfe in dem BBC-Interview, die wesentlich über die inkriminierten Aussagen 1 - 3 bzw. 4 hinausgehen und wesentlich für die Entlassung Hunts gewesen sein dürften, sind nie konkretisiert oder von anderen Zeugen bestätigt worden, was angesichts der Anwesenheit von rund 100 Journalisten äußerst seltsam ist. Das Protokoll des ERC-Botschafters widerspricht den Vorwürfen eindeutig. Insgesamt sind die Vorwürfe in dem BBC-Interview daher unglaubwürdig. Die generelle journalistische Glaubwürdigkeit von St Louis ist zusätzlich durch ihre systematischen Falschaussagen in ihren Selbstdarstellungen stark erschüttert.
    • Trotz der z.T. naheliegender Zweifel an den Vorwürfen wurden die Vorwürfe gegen Hunt in weiten Teilen der (feministischen) Presse ungeprüft weitergegeben und als Fakten dargestellt. Feministische Redakteurinnen konnten in diesem Fall innerhalb von 1 - 2 Tagen praktisch ohne jede Kontrolle ihren Jagd- bzw. Killerinstinkt gegen jeden austoben, der gerüchteweise im Verdacht steht, sich nicht feminismuskonform zu verhalten.
    • Für die Zeit ist, als feministisches Meinungsorgan, automatisch klar, wessen Aussagen glaubwürdig und welche Indizien zu bezweifeln sind: Anna Behrend: Nicht witzig, Herr Hunt. Die Zeit, 26.06.2015. http://www.zeit.de/wissen/2015-06/sexismus-wissenschaft-tim-hunt-scherz
      "Doch Spaß beiseite: Zum einen darf die Richtigkeit dieses Protokolls bezweifelt werden. Die britische Dozentin für Wissenschaftsjournalismus Connie St Louis war anwesend, als Hunt seinen Toast ausbrachte und machte seine Äußerungen auf Twitter bekannt."
      Die Autorin der Zeit befindet weiter, daß hat "Hunt in die verbale Kloschüssel griff". Das kann man eher von ihr selber behaupten.

Weitere Veröffentlichungen

Weitere Nachträge 08.07.2015

  • In einer weiteren Publikation erhärtet Louise Mensch die Vorwürfe gegen Connie St. Louis, falsch berichtet zu haben. Die Behauptung von St. Louis, es habe ein "tödliches Schweigen" nach der Rede geherrscht, kann als eindeutig falsifiziert angesehen werden.

    Louise Mensch: The Tim Hunt Reporting Was False. Royal Society, Please Give Him Due Process. unfashionista.com, 07.07.2015. http://unfashionista.com/2015/07/07/the-tim-hunt-report ... rocess/

    Sehr detaillierte Rekonstruktion weiterer Details der Geschehnisse während und unmittelbar nach der Tischrede von Tim Hunt; präsentiert mehrere Zeugenberichte sowie ein inzwischen aufgetauchtes Foto, wonach während der Rede etliche Personen lachten und nach der Rede kurz applaudiert wurde.
  • Es gibt zwei aktive Petitionen, Tim Hunt zu rehabilitieren:

    1. Stephen Ballentyne: Bring Back Tim Hunt!
      http://www.ipetitions.com/petition/bring-back-tim-hunt
    2. Reinstate Tim Hunt
      https://www.change.org/p/university-college-london-reinstate-tim-hunt-2

Weitere Nachträge 25.07.2015

Nachdem inzwischen immer mehr Details der Vorgänge nach der Tischrede von Hunt bekannt sind und deren Ablauf genau rekonstruiert wurde, kann es inzwischen als gesichert gelten, daß
  1. die (Selbst-) Ironie in der Rede eindeutig erkennbar war und vom Publikum mehrheitlich auch so erkannt wurde, die zentralen Vorwürfe gegen ihn also widerlegt sind,
  2. der Skandal von Connie St Louis, Deborah Blum und wenigen weiteren zentralen Aktivisten planmäßig konstruiert wurde und daß dabei systematisch mit Falschaussagen und sinnentstellenden Zitierungen gearbeitet wurde, und
  3. die tatsächliche soziale Vernichtung Hunts durch ein Netzwerk von feministischen Journalistinnen in medialen Machtpositionen erfolgte, die unter Mißachtung jeglicher professioneller Standards auf Zuruf eine gemeinsame Schmähkampagne durchführten.
In Punkt 3, der exemplarischen Aufdeckung eines feministischen Journalistinnen-Netzwerks, das systematisch Desinformation betreibt und soziale Kontrolle ausüben will, liegt die übergeordnete Bedeutung dieses Skandals, die über die Person Hunt hinausgeht.

Weitere neue Veröffentlichungen