Sonntag, 15. Dezember 2013

Wie steht der Maskulismus eigentlich zu Homosexuellen?

Diese Frage sollte ursprünglich in der FAQ-Seite beantwortet werden. Nachdem die Antwort erstens zu lang geworden ist und zweitens wegen unsicherer Datenlage zu viele persönliche Einschätzungen enthält, erscheint sie jetzt als Blogpost sozusagen in der Kommentarspalte.

Die Frage ist eine typische Fangfrage. Wenn man darauf antwortet, hat man ungewollt eine versteckte Aussage bestätigt [die Beschäftigung mit dem Feminismus trainiert einen im Erkennen versteckter Aussagen]. Versteckt ausgesagt wird, daß es zwei Parteien gibt, auf der einen Seite stehen die Heteros, auf der andern Seite die Homos, und daß die Heteros alleine über mit Mitgliedschaft im Maskulismus entscheiden. Dieser Aussage ist natürlich nicht zuzustimmen.

Also betrachten wir die Frage erst einmal von hinten: Homosexuelle sind in erster Linie Männer und, da die meisten von ihnen für die Rechte von Homosexuellen, also Männern, eintreten, sind sie automatisch Männerrechtler, also Maskulisten. Homosexuelle gehören also quasi automatisch zum Kern des Maskulismus.

Diese definitorischen Betrachtungen sollten klar machen, daß Aussagen, in denen der Begriff "der Maskulismus" vorkommt, meistens sinnfrei sind, weil man wenigstens die wichtigsten Varianten dieses Begriffs auseinanderhalten muß.

Sofern man sich der verbreiteten feministischen bzw. antimaskulistischen Propaganda in unseren Medien anschließt, ist "der Maskulismus" ein Verein von Rechtsradikalen, die sich über die Bewertung von Breiviks Terroranschlägen streiten, also ca. eine Hälfte ist dafür, die andere Hälfte dagegen. Für Anhänger dieser Definition ist "der Maskulismus" eine Bedrohung aller sexuellen Minderheiten und auch sonst die Quelle aller Übel dieser Welt. Überflüssig zu erwähnen, daß dies nicht übereinstimmt mit der eindeutig antifaschistischen Haltung des demokratischen Maskulismus.

Mit diesen Klärungen können wir die Eingangsfrage präziser fassen: "Wie stehen die heterosexuellen demokratischen Maskulisten eigentlich zu Homosexuellen?" Es existieren keine repräsentativen Meinungsumfragen hierzu, allerdings kann aufgrund der häufig wiederholten Meinungsäußerungen in diversen Blogs folgendes als Konsens angesehen werden:
  • Grundgesetzbezogene Sicht: Dem Grundgesetz liegt die Überzeugung zugrunde, daß alle Menschen gleichwertig sind und ihre persönliche Freiheit soweit wie möglich zu gewährleisten ist. Diese Überzeugung (die im GG "nur" dem Gesetzgeber gegenüber den Bürgern auferlegt wird) wird natürlich auch auf das Verhältnis aller Bürger untereinander angewandt.

  • Biologische Sicht: Nach dem heutigen Stand der Forschung in Biologie und Medizin liegen überzeugende Indizien vor, daß die sexuelle Orientierung weitgehend biologisch vorbestimmt ist, so ähnlich wie Linkshändertum, und nicht "kuriert" oder erlernt werden kann. Insofern werden alle Versuche, die sexuelle Identität (insb. Homosexualität) zu kritisieren, zu beeinflussen oder zu "kurieren" eindeutig abgelehnt.

  • Politische Sicht: Hetero- und homosexuelle Männer leiden gleichermaßen unter bestimmten Errungenschaften des Feminismus wie z.B. Frauenquoten und Sexismus gegen Männer. Insofern bilden hetero- und homosexuelle Männer eindeutig eine Interessengemeinschaft, die gemeinsame Ziele verfolgt.
An dieser Stelle könnte man aufhören und sich mit Sonntagsreden zufriedengeben. Damit würde man allerdings darüber hinwegsehen, daß sich Heteros und Homos keineswegs immer als Interessengemeinschaft verstehen. In der Praxis ist das gegenseitige Verständnis und eine eventuelle Kooperation aus mehreren Gründen nicht ganz hindernisfrei:
  • Heteros und Homos unterscheiden sich natürlich in zentralen Interessen. Während Hetero-Männer ausgeprägtes Interesse an Frauen entwickeln und dazu neigen, seltsame Dinge zu tun, um die Gunst derselben zu erlangen, ist derartiges Verhalten für Homos schlicht unverständlich. Ähnliches Unverständnis besteht bei Heteros hinsichtlich sexueller Beziehungen zu Männern. Es gibt also in wesentlichen Lebensbereichen erhebliche Geschmacksdifferenzen. Über Geschmack soll man nicht streiten, tut es aber doch immer wieder. Daher besteht hier ein notorisches Risiko für Streit. Höflichkeit und Toleranz ist hier noch mehr Pflicht als sonst.

  • Asymmetrische Wahrnehmung: Die meisten Heteros kennen fast keine Homos, die Schätzungen zufolge nur ca. ca. 1 - 5% der Männer ausmachen, zumal sich viele Homos nicht offen als solche zeigen. Heteros nehmen Homos also kaum wahr. Da man als Hetero außerdem mit den Frauen klarkommen muß, hat man keine Zeit, sich speziell auch noch um Homos zu kümmern. Umgekehrt nehmen Homos Heteros ständig als solche wahr, was den eigenen Status als Minderheit immer wieder bewußt macht und einen gewissen Grundfrust erzeugt.

  • Homosexuelle wurden vor langer Zeit in Deutschland verfolgt und umgebracht. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde die Strafbarkeit von Homosexualität schrittweise aufgehoben. Diese Zeiten liegen zwar lange zurück, dürften aber trotzdem bei vielen Homosexuellen noch heute - nicht zuletzt wegen diverser Vorkommnisse in Nachbarländern [leider auch hierzulande, s.u. Nachtrag] - bewußtseinsprägend sein und ein durchaus nachvollziehbares tiefsitzendes Mißtrauen erzeugen, das eine Kooperation mit Heteros nicht gerade vereinfacht.

  • Aufgrund der historischen Verfolgung der Homosexualität haben sich Homosexuelle sehr viel früher und wirksamer organisiert. Den hohen Organisationsgrad und die Kampagnenfähigkeit kann man am einfachsten an Veranstaltungen wie dem Christopher Street Day erkennen. Im Gegensatz dazu ist die heterosexuelle Männerrechtsbewegung weitaus schlechter organisiert (eventuell mit Ausnahme von Väterrechtsinitiativen), jedenfalls nicht entfernt so gut wie die Schwulenbewegung.

  • Am CSD und ähnlichen Gay Pride-Veranstaltungen werden die engen Beziehungen der Schwulenbewegung zu feministischen Organisationen deutlich. Als historische Ursache für diese engen Beziehungen kann man auf einen gemeinsamen Feind ("das Patriarchat") verweisen. Anderseits sind homophobe Strömungen im Feminismus nicht übersehbar. Aus Sicht heterosexueller Männerrechtler wird dieser innere Widerspruch deutlicher wahrgenommen bzw. anders interpretiert als innerhalb der Schwulenbewegung.
Die genannten Gründe führen zu Reserviertheiten und Abgrenzungen untereinander, wie sie z.B. kürzlich in einem Blogpost auf Gay West thematisiert wurden. Die versteckte Aussage in unserer einleitenden Fangfrage, daß es Gegensätze zwischen Homos und Heteros gibt, hat also durchaus einen realen Hintergrund.

Ist das Glas halb voll oder halb leer? Überwiegen die Gemeinsamkeiten oder die Differenzen? Wenn man diese allgemeine Frage herunterbricht auf die wichtigsten Themen bzw. Forderungen des Maskulismus, dann erkennt man zwei Gruppen:
  • Die großen Themengebiete Strafrecht (insb. häusliche Gewalt, Vergewaltigung) und Familienrecht betreffen fast ausschließlich heterosexuelle Beziehungen. Analoge Probleme in homosexuellen Beziehungen dürften sehr selten sein, man weiß nicht viel darüber. Es gibt hier keinen gemeinsamen Erfahrungshintergrund in beiden Gruppen (den gibt es noch nicht einmal innerhalb der Gruppe der Heteros), daher mangelt es vielfach am Wissen, um qualifiziert zur Meinungsbildung beitragen zu können. Positiv gewendet gibt es keine entgegengesetzten Interessen. Das einzige derzeit kontrovers diskutierte Thema scheint das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare zu sein.

  • Die meisten Themengebiete (Sexismus gegen Männer, Berufsleben, Männergesundheit, schulische Ausbildung) betreffen Heteros und Homos gleichermaßen. Es sind keine Interessenkonflikte erkennbar und man zieht längst gemeinsam am gleichen Strang in die gleiche Richtung. D.h. man kooperiert längst (sogar erfolgreich) in diesen Themengebieten, merkt es aber nicht, weil man in der Debatte nur als Mann auftritt und die sexuelle Orientierung unerwähnt bleibt.
Ich halte es für das wichtigste, sich zuerst einmal dieses Gesamtbild klarzumachen: Die gemeinsamen Interessen überwiegen deutlich und dort funktioniert die Kooperation schon längst und viele Themen sind zwar nur für eine Seite relevant, aber auch nicht kontrovers.

Nachtrag:

Dieser Post ist indirekte Folge eines nur anderhalb Zeilen langen Posts von Adrian auf seinem Blog Gay West, der aber offensichtlich eine Lawine losgetreten hat. Aktuell (18.12.2013) kann man auf folgenden Blogs mitdiskutieren: Auf Genderama gibt der Post Erste maskulistische Blogparade: Warum auch Schwulenrechte Männerrechte sind einen äußerst lesenswerten und zugleich erschreckenden Überblick über die physische Verfolgung, denen Schwule auch hierzulande und heute noch ausgesetzt sind, und über weitere gesetzliche oder soziale Benachteiligungen von Schwulen.

Wer nicht selber mitdiskutieren oder sogar auf seinem Blog einen Blogpost schreiben will, kann immerhin Werbung für die Kampagne machen, indem er die vorhandenen Blogposts woanders verlinkt und zur Teilnahme einlädt!