Montag, 17. Oktober 2016

Die lex Schwesig: geschlechtergerechte Diskriminierung und Einstieg in den Genderpolizeistaat





Inhaltsübersicht

Einführung und Zusammenfassung

Die lex Schwesig, genauer gesagt das "Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern", wird politisch gehandelt als das große geschlechterpolitische Unterfangen der regierenden Koalition. Neben der Verschärfung des Sexualstrafrechts ist es sozusagen das Hauptœuvre von Frauenministerin - als solche wird sie auch von der Bundesregierung angesehen - Schwesig, daher auch der Name lex Schwesig.

Das GPG als Propagandainstrument und Pseudoproblem

Motiviert wird das Gesetz mit dem Gender Pay Gap (GPG) und politisch positioniert als geschlechterpolitische Maßnahme zur Bekämpfung der allgegenwärtigen finanziellen Diskriminierung der Frauen, die durch das GPG von ca. 22% - zumindest nach feministischer Logik - bewiesen ist. Alleine diese Positionierung bzw. diese Absichtserklärung sorgt fast automatisch für euphorischen Beifall aus dem feministischen Lager und bei der Gegenseite für den 1000. Versuch, über die Unstatistik GPG aufzuklären. Damit ist das Hauptziel des Gesetzes erreicht, nämlich die Medien mit feministischer Propaganda zu füllen und von seinem wirklichen Inhalt abzulenken.

Ein Teil der Ablenkung entsteht durch die Kompliziertheit der Gesetzgebung. Tatsächlich ist die lex Schwesig ein ganzes Bündel von Gesetzesänderungen und neuen Gesetzen, die sozusagen nur Steine in einem größeren Mosaik sind. Die Wirkung dieser Mosaiksteine, also die Änderung von Rechten und das mögliche Ausmaß der Anwendung dieser Rechte, werden weiter unten skizziert. Zunächst jedoch einige Thesen und Bewertungen zu dem Gesetz.

Thesen

  1. Das Gesetz ist teilweise verfassungswidrig, weil es Männer bzw. Frauen in relevanten Situationen aufgrund des Geschlechts ungleiche Rechte verleiht, also gesetzlich diskriminiert. Details dazu weiter unten.
  2. Die vielbeschworene Lohngerechtigkeitslücke, mit der das Gesetz propagandistisch vermarktet wird, ist nur Vorwand und reiner Populismus. Tatsächlich wird durch die neu eingeführten Diskriminierungen auch neue Lohnungerechtigkeit erzeugt.
  3. Das Gesetz dient angeblich der Reduktion des GPGs, tatsächlich kann es das GPG prinzipiell nicht wesentlich verändern, weil Wirkungen des Gesetzes nur marginalen Einfluß auf die Eingangsdaten bzw. Methoden haben, nach denen das GPG berechnet wird. Details dazu hier.
  4. Ein wirkliches Hauptziel des Gesetzes ist, auch kleine Unternehmen zu zwingen, faktisch einen Tarifvertrag anzuwenden, entweder indem sie sich einem existierenden Tarifvertrag anschließen oder indem sie faktisch einen hauseigenen Tarifvertrag entwickeln und relativ strikt anwenden. In diesem zu entwickelnden Tarif müssen die Gehälter nach einem starren Schema mit wenigen Eingangsparametern ausgerechnet werden, sie sind kaum noch frei aushandelbar. Das Ziel ist eine staatliche Kontrolle der firmeninternen Gehaltsstrukturen. Details dazu hier.
  5. Das Gesetz zwingt Unternehmen zu stalinistischen Formen der Selbstanzeige und damit dazu, feministischen Gesinnungsterror mitzutragen. Mehr dazu hier.
  6. Ein von außen kaum erkennbarer Effekt des Gesetzes, der aber ein geschlechterpolitisches Hauptziel sein dürfte, ist der Aufbau einer Genderpolizei in jedem Unternehmen, die ähnlich wie die Steuerfahndung Akteneinsicht hat und die faktisch erheblichen Einfluß auf die Vergütungen und deren Struktur nimmt. Frauenförderung soll in jedem Unternehmen Daseinszweck werden. Wegen der Komplexität der Regelungen wird man speziell geschultes Personal benötigen. Diese betriebsinterne Genderpolizei kann von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und damit indirekt vom BMFSFJ kontrolliert werden - die Intensität dieser Kontrolle bleibt abzuwarten, der Einstieg ist jedenfalls gelungen. Mehr dazu hier.


Entwürfe des Gesetzes

Der letzte allgemein bekannte Referentenentwurf des Gesetzes wurde im Dezember 2015 der Öffentlichkeit vorgestellt. Er wurde von Feministinnen begeistert, von Mittelständlern mit Entsetzen aufgenommen. Lesenswerte Stellungnahmen stammen von diversen Arbeitgeberberbänden, z.B. vom Mittelstandsverbund. Diese beklagen vor allem die exzessive, kostspielige Bürokratie und den enormen Machtzuwachs von Betriebsräten.

Seit Dezember 2015 scheint kein neuer Entwurf des Gesetzes veröffentlicht worden zu sein, sondern es wurde nur wiederholt über die Richtlinien diskutiert, wie sich der Entwurf ändern solle. Die Koalition hat am 06.10.2016 einige Eckpunkte abschließend beschlossen, die in darauffolgenden Presseartikeln vermutlich nur teilweise wiedergegeben wurden. Eine Beschlußvorlage für den Bundestag ist demnächst zu erwarten.

Insofern ist also derzeit nicht 100% klar, was im finalen Gesetzentwurf stehen wird, allerdings dürften sich die meisten Merkmale gegenüber dem Referentenentwurf nicht mehr wesentlich ändern.

Bewußte Unschärfen

Das Gesetz arbeitet an zentralen Stellen mit Begriffen, die im allgemeinen Sprachgebrauch sehr unbestimmt sind, in der Juristerei hingegen durch ein Dickicht von anderen Gesetzen relativ genau bestimmt sein können. Als juristischer Laie ist man weitgehend überfordert zu beurteilen, ob und inwieweit dies zutrifft. Beispielsweise müssen laut dem Entwurf die "Differenzierungskriterien [für Lohnunterschiede] diskriminierungsfrei gewichtet" und "insgesamt nachvollziehbar und durchschaubar sein". Was dies in der Praxis genau bedeutet (speziell für mathematisch hochunbegabte Feministinnen), ist ziemlich unklar. Beispielsweise wird im Referentenentwurf in der Begründung auf S. 39 das Entgeltgleichheitsgebot an folgendem Beispiel erläutert:
Wird eine Arbeit nach Akkord bezahlt, muss das Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit auf Basis einer Maßeinheit festgesetzt werden, die geeignet ist, weiblichen und männlichen Beschäftigten eine gleich hohe Gesamtvergütung zu gewährleisten.
D.h. sofern es zwischen Männern und Frauen typische Leistungsunterschiede gibt, müssen diese eingeebnet werden, das Prinzip des leistungsbezogenen Akkordlohns würde damit sinnlos. In diesem und ähnlichen Fällen wird erst später durch Gerichtsentscheidungen bzw. ministerielle Erlasse fallweise entschieden werden, was der Gesetzestext bedeutet. Diese Verschleierung der Auswirkungen des Gesetzes sabotiert letztlich die politische Debatte über das Gesetz und hebelt die parlamentarische Kontrolle der Gesetzgebung aus, denn auch von den Abgeordneten versteht vermutlich fast niemand, worüber er da gerade abstimmt. Diese feministische Verschleierungsstrategie wurde analog erfolgreich beim neuen Sexualstrafrecht angewandt, Bundesrichter Fischer kommentierte dies wie folgt:
Und in der Wirklichkeit [der Gesetzesauslegung] wird sich schon auch wieder der "praktikable" und "lebensnahe" Weg herausmendeln. Das ist das Ziel und die Philosophie dieser Art von Gesetzen: Erstmal ALLES strafbar machen, und dann "pragmatisch" (und willkürlich) rausfiltern, was man tatsächlich verfolgt. "Alles halb so schlimm", denkt der Bürger, und rutscht Zentimeter für Zentimeter in den Polizeistaat.


"Geschlechtergerechte" Diskriminierung

Die lex Schwesig verleiht (in § 10 "Individueller Auskunftsanspruch") in bestimmten Fällen ein Recht auf Auskunft über die typischen Gehälter von Mitarbeitern des anderen Geschlechts, die "die gleiche Tätigkeit oder eine gleichwertige Tätigkeit" ausüben. Der Begriff "gleichwertige Tätigkeit" wird über ein Dickicht von Regelungen definiert, die hier keine Rolle spielen. Bei gleichwertigen Tätigkeiten besteht der Auskunftsanspruch nur dann, wenn diese Tätigkeiten überwiegend (zu mehr als 60%) von Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt werden. Aufbauend auf der Auskunft kann ein Anspruch auf Zahlung eines höheren Lohns entstehen. Beispiel:
Frau F1 vermutet, die Männer M2 bis M6, die vergleichbare Tätigkeiten ausüben, seien besser bezahlt als sie. Sie kann Auskunft über deren typischen Lohn (Median der Monatsgehälter) verlangen und hat ggf. das Recht auf entsprechende Anhebung des eigenen Lohns.
Ein Mann M1, der in der gleichen Situation den gleichen Verdacht gegenüber den Männern M2 bis M6 hat, hat kein Recht auf Auskunft. Selbst dann, wenn Kollegin F1 diese Auskunft für ihn einholen würde, hätte er aufgrund dieses Gesetzes kein Recht auf Lohnanhebung. Unsere Frau F1 und unser Mann M1 haben also aufgrund ihres Geschlechts verschiedene Rechte.

Im obigen Beispiel wird unser bedauernswerter Mann M1 rechtlich eindeutig diskriminiert. Das Beispiel funktioniert analog mit vertauschten Rollen, da das Gesetz geschlechtsneutral formuliert ist. Unser Mann M1 kann Auskunft über den Durchschnittslohn der weiblichen Kollegen F2 bis F6, die die gleiche Tätigkeit oder eine gleichwertige Tätigkeit ausüben, verlangen und hat ggf. Recht auf eine Lohnerhöhung. Diesmal hat Frau F1 beide Rechte nicht, in diesem Fall wird also die Frau diskriminiert.

Unser feministischer Gesetzgeber geht natürlich davon aus, daß dieses Gesetz weit überwiegend Frauen Vorteile verschafft, sich also empirisch gesehen keineswegs geschlechtsneutral auswirkt, obwohl pro forma geschlechtsneutral formuliert. Die paar Frauen, die hier diskriminiert werden, werden als Kollateralschaden inkauf genommen, um deutlich mehr Männer diskriminieren zu können.

Symmetrische Diskriminierung

Man könnte hier nun argumentieren, die beiden Diskriminierungen würden sich gegenseitig aufheben, es handele sich sozusagen um "geschlechtergerechte Diskriminierungen". Nach der gleichen perversen Logik ist es in Ordnung, männlichen Dieben, die Frauen bestehlen, die Hände abzuhacken, wenn man auch weiblichen Dieben, die Männer bestehlen, die Hände abhackt. Dieses Denken von Kollektiven als Rechtssubjekten und Aufrechnen von Unrecht zwischen Kollektiven analog zum Prinzip der Sippenhaft ist zwar Grundbestandteil der feministischen Rechtsphilosophie, es ist aber steinzeitlich und glücklicherweise bisher mit unserer Verfassung unvereinbar. Die geschlechtergerechte "symmetrische" Diskriminierung von Frauen und Männern ist verfassungswidrig.

Man kann auch linguistisch argumentieren, daß das Gesetz nicht geschlechtsneutral formuliert ist. Im Gesetz, §3, Absatz (1), kommen in der Formulierung "einem Beschäftigten des anderen Geschlechts" zwar die Worte "Mann" und "Frau" nicht vor. Diese Worte sind nur redaktionell ersetzt durch den Begriff "Person anderen Geschlechts". Die Bedeutung von "Person anderen Geschlechts" hängt vom eigenen Geschlecht ab, das Gesetz verleiht daher geschlechtsabhängig Rechte. Die konkreten Rechte sind, wie die obigen Beispiele zeigen, für Männer und Frauen deutlich verschieden.

Schwesigs Populismus und Täuschung der Öffentlichkeit

Laut Menkens (2016) rechtfertigt Schwesig das Gesetz folgendermaßen:
"Das Gesetz beruht auf dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichstellung zwischen Mann und Frau."
Diese Äußerung ist an Dummdreistigkeit kaum noch zu überbieten. Im Kern ist dies die klassische feministische Gleichstellungslüge. In unserer Verfassung kommt das Wort "Gleichstellung" nicht vor. Es gibt einen verfassungsrechtlichen Grundsatz der rechtlichen Gleichstellung, und zwar in GG Art. 3(1): "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich". Es gibt keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz der sozialen Gleichstellung oder der Durchschnittslohngleichstellung, wie Frau Schwesig hier suggeriert. Diese hinterhältige, verlogene Begriffsverschiebung ist Populismus der übelsten Sorte.

Ganz im Gegenteil soll GG Art. 3 den Bürger vor Gesetzgebern schützen, die wie z.B. Frau Schwesig Gesetze erlassen, welche willkürlich abhängig vom Geschlecht unterschiedliche Recht oder Pflichten erteilen.

Lohngerechtigkeit als Pseudoargument

Wenn man das propagandistisch hervorgehobene Argument der Lohngerechtigkeit ernst gemeint hätte, hätte man das Gesetz so gestaltet, daß man Personen beliebigen Geschlechts als Referenz benutzt kann. Warum sollen willkürliche Löhne in einer reinen Frauenbelegschaft oder einer reinen Männerbelegschaft toleriert werden, in einer gemischten Belegschaft aber in bestimmten Fällen nicht? Das eigentlich verblüffende an diesem Verfassungsbruch ist also, daß man ihn kinderleicht vermeiden könnte, indem man beliebige Vergleichsgruppen zuläßt. Das Argument "Lohngerechtigkeit" kann daher nicht ehrlich gemeint sein, es ist nur vorgeschoben. Es dient allenfalls dazu, implizit mit viel medialer Unterstützung der feministischen Presse zu behaupten, es gäbe bisher keine Lohngerechtigkeit.

Diese implizite Behauptung einer Lohngerechtigkeitslücke stellt die Realität auf den Kopf, das ist Linkspopulismus in Reinform. Nach Haufe (2016) und Hensche (2016) kennt die deutsche Rechtsordnung zwar keinen allgemeinen Rechtsanspruch auf "gleichen Lohn für gleiche Arbeit". Es gilt aber der "Arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz", der willkürliche Benachteiligungen durch den Arbeitgeber verbietet, willkürliche Begünstigungen im Einzelfall aber erlaubt. Bezugspunkt ist hierbei ein "üblicher" bzw. in den meisten Fällen gezahlter Lohn. Dieser Rechtsanspruch ist zwar in solchen Fällen, in denen man keine Informationen über die Gehälter anderer Mitarbeiter hat, schwer durchsetzbar, aber nichtsdestotrotz vorhanden, und er wird auch in der Praxis umgesetzt.

Die lex Schwesig verschafft also in erster Linie einen Auskunftsanspruch. Durch diesen wird der längst vorhandene arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz in den Fällen, wo Löhne anderer Mitarbeiter nicht bekannt sind, besser durchsetzbar. Dabei bleibt abzuwarten, in wieviel Prozent der Auskünfte eine Lohndiskriminierung festgestellt wird - ein ähnliches Gesetz in Österreich führte nur bei einem Drittel betroffenen Unternehmen zu statistisch nicht erklärbaren Differenzen der Gehaltsstruktur bei Frauen und Männern; diese Differenzen können aber i.a. nicht auf illegale Schlechterstellungen zurückgeführt werden.

Inwieweit der Referentenentwurf außerdem ein Anrecht auf einen höheren Lohn verleiht, der über das hinausgeht, was sowieso schon jetzt auf Basis des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verlangt werden kann, ist wegen der unklaren Formulierung des Gesetzes schwer einzuschätzen.

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist geschlechtsneutral, die lex Schwesig ist es nicht. Die rechtlose Lage unterbezahlter Frauen, um nicht zu sagen die "Schutzlücke für Frauen", die für die Begründung des Gesetzes immer wieder bemüht wird, ist weitgehend ein Phantasieprodukt. Deshalb ist auch kaum vorstellbar, daß das Gesetz eine signifikante Wirkung entfaltet (s. z.B. Daemon (2016) und Kirschner (2016)). Wichtiger war vermutlich, einen Vorwand zu haben, jahrelang das Opferabo von Frauen medial beschwören zu können.



Die lex Schwesig kann das GPG nicht wesentlich verändern

Die Schwesig wird immer wieder als Mittel gegen das GPG angepriesen, und seine enormen Folgekosten werden mit "gesamtgesellschaftlichen Gewinnen" durch das reduzierte GPG entschuldigt. Die lex Schwesig kann das GPG aber aus zwei Gründen gar nicht wesentlich verändern:

Erstens ist die Schlußfolgerung, ein positives GPG würde eine Diskriminierung anzeigen, ein massiver Denkfehler, der vielfach widerlegt worden ist. Diese Schlußfolgerung ist unhaltbar und das Ergebnis, die Lohnbenachteiligung von Frauen bei gleicher Arbeit, existiert in der Realität nicht in relevantem Umfang. Deswegen kann sie auch nicht behoben werden.

Im Zusammenhang mit dieser falschen Schlußfolgerung steht die falsche Interpretation der statistischen Lohndifferenzen. Die häufig angeführten unbereinigten GPGs von ca. 22% werden zu recht als Unstatistik bezeichnet und haben keinerlei Aussagekraft. Die alternativ angeführten bereinigten GPGs von ca. 7% werden mathematisch falsch interpretiert: sie sind weitgehend Folge fehlender Daten, also sozusagen Rechenfehler. Diese falsche Schlußfolgerung und die fehlerhafte Interpretation der bereinigten GPGs dokumentieren allenfalls mathematische Inkompetenz.

Zweitens kann das Gesetz das GPG auch deshalb nicht beseitigen oder wesentlich verringern, weil die Maßnahmen, die das Gesetz erzwingt, nur einen marginalen Einfluß auf die Datenbasis haben, mit der das GPG berechnet wird. Die wichtigste Datenbasis ist die Verdienststrukturerhebung (VSE) des Statistischen Bundesamts. Die Probleme sind nun:

  1. Die von der lex Schwesig betroffenen Unternehmen stellen nur einen kleinen Teil der Arbeitsverhältnisse dieser Datenbasis dar, grob geschätzt ein Drittel. Insb. die großen Unternehmen mit vielen Arbeitsplätzen haben längst Tarife, die eine Lohndiskriminierung ausschließen und bei denen die lex Schwesig keinen Effekt hat..
  2. Die VSE benutzt einen bundesweit einheitlichen Katalog lohnrelevanter Merkmale. Dieser Merkmalskatalog muß vergleichsweise einfach bleiben und kann nicht alle vergütungsrelevanten Detailmerkmale aus allen branchenspezifischen Tarifverträgen enthalten. Insb. fehlen auch dienstliche Beurteilungen und Informationen über die tatsächlich erbrachte Leistung. Mehrere lohnrelevante Merkmale sind also nicht enthalten. Das bereinigte GPG ist daher nicht wirklich bereinigt, sondern Ergebnis fehlender Daten.

    An diesen kaum behebbaren Defiziten der VSE-Datenbasis kann sich durch die lex Schwesig nichts ändern. Es ist ferner davon auszugehen, daß die Unternehmen, die die Diskriminierungsfreiheit ihrer Löhne nachweisen müssen, mit weiteren Merkmalen, die in ihrer Branche bzw. für die dort vorkommenden Tätigkeiten vergütungsrelevant sind, arbeiten werden. Diese Merkmale können erst recht nicht in die VSE-Datenbasis einfließen.

Die propagandistische Aussage, die lex Schwesig würde das GPG beseitigen oder wesentlich verringern, ist eine glatte Lüge.


Der versteckte Zwang zum Tarifvertrag

Das immer wieder zitierte GPG wird vom Statistischen Bundesamt mittels einer multifaktoriellen Analyse der VSE-Datenbasis berechnet, der sog. Oaxaca-Blinder-Zerlegung. Dieses komplexe Verfahren schätzt vereinfacht gesagt die differenzierende Wirkung der einzelnen in der Datenbasis erfaßten Merkmale und kommt so auf einen Rest, der mit den vorhandenen Daten "nicht erklärt" werden kann.

Naheliegend wäre es nun, von den einzelnen Unternehmen zu verlangen, dieses Verfahren analog anzuwenden. Wenn der "unerklärte" Rest 0 beträgt (oder im Rahmen des statistischen Rauschens bleibt), wäre das Unternehmen freigesprochen. Das Verfahren hat aber bei kleinen Datenmengen einen viel zu hohen Schätzfehler und aus feministischer Sicht den Nachteil, nur global für das ganze Unternehmen ein bereinigtes GPG von z.B. 4 % zu berechnen. D.h. das Unternehmen müßte jetzt, um das GPG auf Null zu senken, den Frauen durchschnittlich 4 % mehr zahlen, wobei diese Mehrzahlung nach eigenem Gutdünken auf die Frauen verteilt sein könnte. So viel unternehmerische Freiheit entspricht natürlich nicht den Vorstellungen des BMFSFJ.

An dieser Stelle findet nun in der Gesetzesbegründung kommentarlos ein gigantischer argumentativer Sprung (oder Fadenriß) statt: Die zentrale Begründung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs, das GPG - also eine statistische Analyse einer ganzen Population durch das Statistische Bundesamt - wird einfach vergessen. Aus dem Nichts taucht als Lösung des Problems eine hochkomplexe Vorschrift auf, die die Unternehmen praktisch zur Formulierung eines Tarifvertrags verpflichtet, mit dem man jedes einzelne Gehalt individuell auf "Korrektheit" überprüfen kann.

Ob und inwieweit diese Vorschrift geeignet ist, das gesamtgesellschaftliche oder auch nur firmenspezifische GPG zu reduzieren (und ob das überhaupt beabsichtigt wird), ist völlig unklar. Zwischen dem vorgeschobenen gesellschaftlichen Problem "GPG" und seiner Lösung durch die Bürokratie, die die lex Schwesig vorschreibt, besteht kein erkennbarer Zusammenhang, zumindest mathematisch betrachtet. Es werden sicherheitshalber auch keine mathematischen Schätzungen abgegeben, um welchen Betrag sich das GPG voraussichtlich reduzieren wird.

Das Versteckspiel

Dieser eigentliche Zweck des Gesetzes, auch kleinere Unternehmen zur Festlegung und Einhaltung eines detaillierten, veröffentlichten Tarifvertrags zu zwingen, wird im übrigen gut versteckt. Statt von Tarifvertrag redet das Gesetz in § 14ff von "Entgeltregelungen" oder "im Betrieb gezahlten Entgeltbestandteilen" oder einem "Entgeltsystem".

§ 14 ist mit "Allgemeine Anforderungen an betriebliche Prüfverfahren" überschrieben - dies ist eine rhetorische Täuschung, denn es werden nicht nur Anforderungen an das Prüfverfahren, sondern vor allem Anforderungen an das Entgeltsystem formuliert, das positiv geprüft werden kann. Insb. legt § 14 in 1.c) fest, daß "die verschiedenen im Betrieb gezahlten Entgeltbestandteile" separat prüfbar sein müssen. § 15 wird noch konkreter: "die Bestandsaufnahme .. [muß die] .. aktuell verwendeten Verfahren zur Arbeitsbewertung, die Entgeltregelungen ..., die Verfahren zur Vergabe der Entgeltbestandteile" dokumentieren, und zwar so detailliert, daß "eine vertiefende Überprüfung mittels zusätzlicher statistischer Auswertungen" möglich ist. Derartig detaillierte Entgeltregelungen nennt man normalerweise Tarifvertrag.

Noch einen Schritt weiter geht das Versteckspiel in § 13. Dieser legt fest, daß die betrieblichen Prüfverfahren - und damit auch die Struktur der impliziten Tarifverträge - von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zertifiziert werden müssen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ist aufgrund von Abschnitt 6 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eingerichtet worden. Nach § 26 (1) AGG ernennt die Bundesministerin oder der Bundesminister für FSFJ, derzeit also Frau Schwesig, die Leiterin der ADS, kann die Position also mit einer ideologisch zuverlässigen Frau besetzen (theoretisch könnte auch ein Mann Leiter werden, zufällig waren die beiden bisherigen Leiter weiblich) oder auch bei nächster Gelegenheit (jeweils bei der Bildung eines neuen Bundestages) feuern. Diese Erfahrung machte die erste Leiterin, die zu wenig feministischen Ehrgeiz entwickelte.

Die neue Leitung hat verstanden, wo der Hammer hängt, die veröffentlichte Wahrnehmung der Geschlechterdebatte durch die ADS ist identisch mit gängigen feministischen Glaubensbekenntnissen. Beim Thema Entgeltgleichheit läßt die ADS wenig Zweifel daran, daß diese mit dem Verfahren "eg-check.de" zu messen ist.

eg-check.de ist wiederum ein Prüfverfahren und eine zugehörige Software, die wesentlich von der Hans-Böckler-Stiftung gestaltet wurde und die auf 145 Seiten detaillierte Vorschriften macht, wie die impliziten Tarifverträge auszusehen haben. Diese Beschreibung ist einige Jahre alt, ob sie noch aktuell ist, war durch Internetrecherchen nicht herauszufinden.

Zusammengefaßt: Der Sinn und die tatsächliche Wirkung des Entgeltgleichstellungsgesetzes ist aus dem Gesetzestext nicht ersichtlich, sondern wird erst (nach stundenlangem Suchen) klar, wenn man eine untergeordnete Behörde und deren Meinung bzw. ideologische Voreingenommenheit kennt. Diese Behörde delegiert nämlich die Bestimmung des wesentlicher Anteile des Regelungsgehalts des Gesetzes an eine gewerkschaftliche Stiftung und macht diese damit zum faktischen (Mit-) Gesetzgeber.

Die im Gesetzestext verbliebenen Formulierungen sind unklare Allgemeinfloskeln, die wesentliche Auswirkungen des Gesetzes verschleiern. Die parlamentarische Debatte um das Gesetz wird damit weitgehend entkernt, Parlament und politische Öffentlichkeit werden für dumm verkauft.

Aufgrund des ausgiebigen Versteckspiels wird die zentrale Rolle des EG-Checks in der politischen Debatte weitgehend übersehen; den Arbeitgebern ist sie natürlich nicht entgangen (s. Kommentar zum EG-Check, S.3 in BDA (2013)).

Aufbau einer Genderfahndung in den Unternehmen

Im Referentenentwurf wird das Gesetz als alternativlos bezeichnet ("C. Alternativen - Keine.") und der Abschnitt "E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft" ist leer. Medial bejubelt wird das Gesetz damit, von diesem "Sieg über die Lohnlücke" würden "mehr als 14 Millionen Beschäftigte" profitieren. Ob jeder einzelne direkt und unmittelbar profitieren wird, ist zu bezweifeln, sicher ist nur, daß jeder einzelne administrativ behandelt werden muß.

Wenn wir den administrativen Aufwand mit 10 Minuten pro Beschäftigtem und Jahr ansetzen - angesichts des Detaillierungsgrads der geforderten Tarifverträge und der daraus folgenden umfangreichen Datenerhebungen und -Auswertungen eine durchaus optimistische Schätzung - kommt man auf eine Vollzeitstelle für "Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft" pro ca. 10.000 Beschäftigte. Insgesamt kommt man auf über 1.000 neue Stellen. Da diese Tätigkeit außerdem eine sehr spezielle Qualifikation erfordert, entsteht praktisch ein neuer Berufsstand. Wegen der Ähnlichkeit zur Steuerfahndung kann man ihn "Genderfahndung" oder "Genderpolizei" nennen, wobei wie üblich das geschlechtsneutrale Etikett "Gender" im Sinne von einseitiger Frauenförderung zu verstehen ist.

Die Tätigkeit der Genderfahnder überlappt deutlich mit der Tätigkeit von Personalabteilungen und eventuell vorhandenen Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragten sowie Compliance-Stabsstellen. Daher wird man diese Tätigkeiten vermutlich oft personell zusammenlegen. D.h. es wird nicht 1.000 Vollzeit-Genderfahnder geben, sondern viele tausend Teilzeit-Genderfahnder (vermutlich zu 90% weiblich), sozusagen die Blockwarte der Antidiskriminierungsstelle. Diese werden qua Gesetz zu Multiplikatoren der im Gesetz tief eingravierten feministischen Weltsicht, wonach Frauen überall im Berufsleben diskriminiert werden.

Unklar ist, ob die Antidiskriminierungsstelle auch für die firmeninternen Personen, die die betrieblichen Prüfverfahren durchführen, eine Zertifizierung verlangen wird, z.B. eine erfolgreiche vorherige "feministische Schulung". Da § 13 die betrieblichen Prüfverfahren in ihrer Gesamtheit unter die Kontrolle der Antidiskriminierungsstelle stellt und deren Ermessensspielraum kaum begrenzt, erscheint eine Kontrolle der firmeninternen Personen ohne weiteres möglich.



Gesinnungsterror nach stalinistischer Art

Für Religionen und hegemoniale Ideologien, die sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Radikalisierung befinden, ist es typisch, von ihren Mitgliedern zu erwarten, Selbstkritik zu üben, öffentliche Schuldbekenntnisse bzw. Beichten abzulegen und sich dementsprechend selber zu bestrafen. Zu den bekanntesten Beispiele zählen das stalinistische Prinzip Kritik und Selbstkritik und die christliche Selbstkasteiung.

Diese ideologisch bewährten gesinnungsdiktatorischen Prinzipien von Selbstanklage, öffentlichen Selbstdemütigung und Selbstverurteilung sind zentrale Bestandteile der lex Schwesig. Während die öffentliche Diskussion fast nur die Prüfung der Entgeltgerechtigkeit im Einzelfall auf Antrag aufgrund des Auskunftsrechts wahrnimmt, verpflichtet Abschnitt 3 "Betriebliche Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit" die Unternehmen

  • zur Selbstkritik in Form von regelmäßig flächendeckenden betrieblichen Prüfverfahren, in denen nach Verstößen gegen den Willen des Gesetzgebers zu suchen ist,
  • zur öffentlichen Selbstdemütigung durch betriebsinterne Veröffentlichung des Ergebnisberichtes durch Aushang (§ 16(5)4) und
  • natürlich zur Buße durch unverzüglich Beseitigung der Entgeltbenachteiligungen, vulgo Lohnanhebungen (§ 18).
Das medial im Vordergrund stehende Recht, auf Antrag Auskunft über die Gehälter anderer Mitarbeiter zu erhalten, ist praktisch überflüssig, denn das Unternehmen muß für jeden Mitarbeiter regelmäßig sozusagen virtuell einen solchen Antrag stellen und ihm das Ergebnis und ggf. die passend Gehaltserhöhung von sich aus mitteilen.

Steuerhinterziehung geht einfacher als Entgeltgleichheitsverbrechen. Die Steuerfahndung muß selber nach versehentlichen Irrtümern suchen, und wenn man erwischt wird, bleibt es vertraulich. In manchen Bereichen unseres Rechtssystems gibt es sogar ein Aussageverweigerungsrecht, das diametral entgegengesetzt zu einer Selbstanklagepflicht ist und das oft als zentrales Wesensmerkmal eines Rechtsstaates angesehen wird.

Psychologisch bzw. propagandistisch gesehen ist vor allem die öffentliche Selbstdemütigung wichtig. Sogar dann, wenn die Suche nach einem GPG erfolglos war, trägt das veröffentlichte Statement "die Suche nach einem GPG war erfolglos" die implizite Botschaft, daß es das GPG ein überall vorhandenes Übel ist, das gesellschaftlich so gravierend ist, daß man auch in diesem Unternehmen Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um es auszumerzen. Man könnte die Unternehmen zusätzlich verpflichten, in ganzseitigen Zeitungsanzeigen Beispiele zu publizieren, daß der Feminismus auch gut für die Männer ist.

Ob und inwieweit es verfassungswidrig ist, Unternehmen zu zwingen, faktisch Werbung für eine totalitäre Ideologie zu machen, ist schwer zu beurteilen. Wenn man 3 Juristen zu einem Problem fragt, bekommt man wenigstens 4 Meinungen zu hören, das dürfte auch hier so sein.



Fazit

Daß für gleiche Arbeit der gleiche Lohn gezahlt werden sollte, ist von weitem betrachtet vernünftig, alleine um des sozialen Friedens willen. Von nahem betrachtet ist dieses sinnvolle Ziel nicht perfekt operationalisierbar. Das Kernproblem ist der Begriff "gleiche Arbeit", der Aspekte wie Arbeitsaufgabe, tatsächliche Arbeitsleistung u.a. umfaßt und der ignoriert, daß Löhne genau wie andere Preise durch Angebot und Nachfrage entstehen. Das beste Indiz für die Schwierigkeit, einen gerechten Lohn zu finden, ist die Komplexität existierender Tarifverträge, die man auch als ausufernden Perfektionismus bewerten kann. Die Tarifverträge sind übrigens geschlechtsneutral, das Thema Lohngerechtigkeit hat praktisch nichts mit der Geschlechterdebatte zu tun, auch wenn die feministische Propaganda anderes suggeriert.

Die lex Schwesig, seine publizistische Vorbereitung, seine derzeitige Anpreisung und in gewisser Weise sogar das Gesetz selber, ist purer (Links-) Populismus. Die faktenwidrige Darstellung und Interpretation des GPGs als "Lohnlücke" oder "Gerechtigkeitslücke" dient zum Aufbau eines Feindbilds und zur Verdummung und Irreführung der Öffentlichkeit, namentlich der Frauen. Es ist klassische Hetzpropaganda. Soziale Probleme sind sozial konstruiert, der GPG-Populismus ist ein Musterbeispiel dafür. Das Gerücht, BMFSFJ sei in Wirklichkeit Abkürzung von "Ministerium für Fake-Statistiken und Feministische Justiz", wird wieder einmal eindrucksvoll bestätigt.

Verlogen ist auch der Eindruck, dieses Gesetz könnte das angebliche Problem lösen - das geht prinzipiell nicht, der Nutzeffekt geht mit hoher Sicherheit im statistischen Rauschen unter. Das ist auch gut so, zumindest für Frau Schwesig und Co., denn andernfalls würde man arbeitslos. Die feministische Infrastruktur will wachsen, nicht schrumpfen, und sie will immer mehr Machtmittel bekommen, sie muß daher alles daran setzen, die wahrgenommenen Probleme zu vergrößern.

Eine auffällige Ähnlichkeit zum kürzlich verschärften Sexualstrafrecht ist die erfolgreiche Ablenkung von den tatsächlichen Problemen, die das Gesetz schafft, hier speziell den enormen Bürokratiekosten für die Unternehmen und der Rechtsunsicherheit. Das oben geschilderte trickreiche Versteckspiel, das wesentliche Aspekte des Gesetzes um mehrere Ecken herum an ein Gewerkschaftsinstitut auslagert und unsichtbar macht, und die bewußte Irreführung der Öffentlichkeit durch Pseudoargumente dürften entscheidende Gründe für den großen politischen Erfolg für Schwesig und unseren hegemonialen Feminismus sein.

"Alles halb so schlimm", denkt der Bürger, und rutscht Zentimeter für Zentimeter in den Genderpolizeistaat.



Literatur

Referentenentwurf vom 09.12.2015

Stellungnahmen von Arbeitsrechtlern

Stellungnahmen von Arbeitgebern

Pressekommentare