Erklärungsmodelle und Bewertung des GPGs

Inhaltsübersicht

Soziologische Erklärungsmodelle für das GPG

Ethische Bewertung und Maßnahmen zur Reduktion des GPGs

Soziologische Erklärungsmodelle für das GPG

Übersicht

Das relativ große unbereinigte GPG wird mit einer Vielzahl von Hypothesen "erklärt". Zu den am häufigsten vorgebrachten zählen, daß Frauen im Vergleich zu Männern:
  • häufiger soziale Berufe anstreben, die "schlechter bezahlt" sind,
  • nach einer Geburt relativ lange beruflich aussetzen und daher weniger Berufserfahrung haben,
  • häufiger in Teilzeit arbeiten,
  • weniger hart um mehr Lohn verhandeln,
  • von Arbeitgebern als weniger leistungsfähig eingeschätzt werden (obwohl sie es tatsächlich nicht sind, also falsch eingeschätzt werden),
  • mehr Wert auf die work-life-Balance legen und daher die höheren Belastungen, die mit besser bezahlten Positionen einhergehen, vermeiden und in diesem Sinn weniger karriereorientiert sind.
Das erste Phänomen ist auch als berufliche Segregation auf dem Arbeitsmarkt bekannt: die meisten Berufe werden entweder überwiegend von Frauen oder überwiegend von Männern ausgeübt.

Die berufliche Segregation ist ein soziales Phänomen, das mit den Methoden der empirischen Sozialforschung sehr gut nachgewiesen werden kann. Dies gilt ebenfalls für die häufigere Teilzeitarbeit von Frauen und die damit zusammenhängende geringere durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit (ca. 32 vs. 39 Stunden bei Frauen bzw. Männern). Die soziologischen Erklärungsmodelle für das GPG gehen von diversen derartigen sozialen Phänomen aus sowie von Theorien, die diese Phänomene u.a. durch soziale Einflüsse erklären. Das GPG ist dann eine relativ direkte Konsequenz dieser Phänomene.

Die stärkere work-life-Balance oder die stärkere Affinität zur Kindererziehung kann man auch psychologisch erklären, also als primär psychologisches Phänomen ansehen, das nicht originär von sozialen Einflüssen erzeugt wird, sondern in der Natur des Menschen liegt. Es führt je nach den sozialen Umständen, namentlich dem Reichtum einer Gesellschaft, zu statistisch meßbaren sozialen Phänomenen.

Zusammengefaßt bestehen die soziologischen Erklärungsmodelle für das GPG aus einer Vielzahl von Annahmen über

  1. die menschliche Psychologie und soziale Einflüsse und
  2. darauf aufbauenden Kausalketten, wonach diese als primäre Einflußfaktoren solche Phänomene wie unterschiedliche work-life-Balance verursachen bzw. "erklären".
Die primären Einflußfaktoren, z.B. Vorurteile von Arbeitgebern gegenüber Frauen, haben oft eine geringe Effektstärke und wirken sich in den Modellen erst über mehrere Zwischenschritte auf die Differenz der Durchschnittslöhne aus. Die Einflußfaktoren selber sind vielfach umstritten, ebenso die Kausalketten bis hin zum GPG. Insg. sind die soziologischen Erklärungsmodelle für das GPG stark umstritten, es ist eher eine Frage des ideologischen Standpunkts, wie ernst man sie nimmt.

Erst recht falsch ist die Verabsolutierung einzelner Einflußfaktoren, z.B. daß angebliche Vorurteile von Arbeitgebern eine wesentliche oder sogar die alleinige Ursache des GPGs sind.

Ideologische Vorannahmen

Von einem liberalen Standpunkt aus ist die Berufswahl eine informierte, freie Entscheidung erwachsener Menschen, denen die Vor- und Nachteile verschiedener Berufe heute schon in der Schule mit sehr viel Aufwand erklärt wurden. Die Unterschiede der Brutto-Stundenlöhne (die sich netto aufgrund von Sozialabgaben und Steuerprogression i.d.R. um ca. zwei Drittel reduzieren) werden zugunsten anderer Vorteile inkauf genomen. Die Lohnunterschiede sind daher keine "Lücke" und stellen kein Unrecht dar.

Ein radikal egalitärer Standpunkt, der typisch für feministische Argumentationen ist, basiert regelmäßig auf der Hypothese, daß Menschen unfähig sind, die Folgen ihrer Entscheidungen zu erkennen, und daß nur Funktionäre oder ähnlich qualifizierte Personen eine qualifizierte Entscheidung treffen können, die die gesamtgesellschaftlichen Interessen priorisiert (und die ggf. im Gegensatz zu den Interessen eines Individuums stehen). Dementsprechend wird das Konzept freier Entscheidungen und Selbstverantwortung abgelehnt und "die Gesellschaft" für die Folgen ungünstiger Entscheidungen einzelner Individuen haftbar gemacht.

Feministische Erklärungsmodelle

Der Feminismus sieht als egalitäre Ideologie die Gesellschaft, vertreten durch feministisch geschulte Funktionäre, in der Pflicht, Frauen zu "besseren" Entscheidungen zu drängen. Von daher stellt sich die Frage, wie es zu den ungünstigen Arbeitsverhältnissen kommt und was man ggf. dagegen unternehmen könnte.

Es gibt eine Vielzahl von Hypothesen, die aus feministischer Sicht ungünstigen bzw. unerwünschten Arbeitsverhältnisse zu erklären. Teilweise stimmen sie überein mit Hypothesen, die Arbeitgeber unterstellen, wenn sie Maßnahmen zur Generierung von mehr weiblichen Bewerbern konziperen (natürlich nur in Berufen, in denen hohe Löhne gezahlt werden müssen, weil es zu wenig Bewerber gibt).

Einige besonders gängige feministische Erklärungen haben die Qualität von Verschwörungstheorien (das Patriarchat läßt grüßen). Wissenschaftlich gut fundiert sind Theorien, wonach Männer und Frauen geschlechtsspezifische Präferenzen in der Lebensplanung aufweisen.

Bildungs- und Berufsbildungsforschung

Die meistens ideologisch gefärbten Debatten über das GPG stehen in auffälligem Gegesatz zur differenzierten Betrachtung der gleichen Phänomene in der Bildungs- und Berufsbildungsforschung.

Es gibt unüberschaubar viele Möglichkeiten, wie diese Entscheidungsprozesse in Bildungsbiographien und die darin benutzten Argumente und Kriterien aussehen können, und sehr viele Gelegenheiten, "von außen" Einfluß auf die Entscheidungen zu nehmen. Speziell Arbeitgeber sind daran interessiert, möglichst qualifizierte, also talentierte und gut ausgebildete Bewerber beliebigen Geschlechts für ihre Arbeitsplätze zu bekommen. Dort, wo dieses Angebot knapp ist, speziell bei den MINT-Berufen, existieren seit Jahrzehnten vielfältige Bemühungen, Talente zu fördern und den talentierten Nachwuchs in die "richtigen" Berufe zu kanalisieren.

Das Verstehen dieser Allgemeinbildungs- und Berufsbildungsprozesse ist Thema der Bildungsforschung bzw. Bildungstheorie und der Berufsbildungsforschung, die man als Teilgebiete der Bildungssoziologie einordnen kann. Es gibt eine große Zahl von Forschungseinrichtungen und Forschern zu diesen Themen und entsprechende Mengen an Materialien und Publikationen.

Festhalten kann man also, daß enorme Aufwände an Arbeitszeit und große Summen an Fördergeldern in diese Forschungen gesteckt wurden, nicht zuletzt von den Arbeitgebern. Dennoch sind die Klagen der Arbeitgeber über Personalknappheit in den MINT-Berufen heute die gleichen wie vor 20 oder 30 Jahren. Man kann daraus schließen, daß es keine simplen Rezepte und Methoden gibt, wie man die statistischen Bildungsverläufe und die Berufswahlentscheidungen in der Bevölkerung im gewünschten Sinn beeinflussen kann, speziell auch nicht für Mädchen und Frauen.

Vor diesem Hintergrund sind gängige, extrem simplifizierende feministische Erklärungsmodelle für die beobachtbaren statistischen Berufswahlen ("Stereotype hindern die Frauen am Zugang zu MINT-Berufen!!") völlig unqualifiziert. Im Gegenteil deutet viel darauf hin, daß Frauen in den MINT-Fächern bevorzugt werden (s. Breda (2016)).

Genauso unqualifiziert und zum Scheitern verurteilt sind die auf diesen Falschannahmen basierenden Einzelmaßnahmen und Interventionen ("Aufbrechen von Stereotypen durch Girls' Days").



Verschwörungstheorien als Erklärungsmodelle

Einige gängige Erklärungsmodelle für das GPG sind extrem unterkomplex und beziehen sich nur auf isolierte Teile der arbeitgeber- oder arbeitnehmerseitigen Entscheidungsprozesse.
  • Willkür der Arbeitgeber.

    Nach dieser Hypothese entscheiden die Arbeitgeber willkürlich bzw. infolge von Frauenhaß, also ohne sachliche Gründe, Frauen wegen des Geschlechts schlechter zu bezahlen. Sofern einzelne Arbeitgeber die Frauen besser bezahlen würden, würden die Frauen zu diesen Arbeitgebern gehen und die Willkür wäre nicht durchsetzbar; daher müssen sich alle Arbeitgeber verschworen haben, einheitlich Frauen schlechter zu bezahlen.

    Derartige Theorien behaupten häufig, dies passiere nicht bewußt, sondern aufgrund von Stereotypen unbewußt. Für die massenhafte Ferndiagnose der Psyche von Arbeitgebern fehlen allerdings Beweise.

    Die Willkür-Theorie ist absurd, sie blendet die entsprechenden gesetzlichen Verbote und die umfangreichen Kontrollen, die solche Diskriminierungen verhindern sollen, aus oder erklären sie pauschal ohne Evidenz für wirkungslos. Die Mehrzahl der Beschäftigungsverhältnisse, die den üblichen Berechnungen des GPGs zugrundeliegen, ist außerdem tarifgebunden. Dort ist eine solche Willkür gar nicht möglich (allenfalls bei übertariflichen Extrazahlungen). Strukturen wie Frauenbeauftragte und Frauenförderprogramme wirken sich sogar ganz im Gegenteil zugunsten von Frauen aus. Bei den restlichen, nicht tarifgebundenen Beschäftigungsverhältnisse ist die unterstellte flächendeckende, signifikante Diskriminierung von Frauen eine unbewiesene Unterstellung, die mehr über das Feindbild der Theorieersteller aussagt als über die Realitäten.

  • Frauenberufe werden "geringer geschätzt".

    Gemäß dieser Hypothese bewirkt alleine ein hohe Frauenquote in einem Arbeitsmarktsektor, daß dort unterdurchschnittliche Löhne gezahlt werden bzw. niedrigere Löhne im Vergleich dazu, wenn dort mehrheitlich Männer beschäftigt wären.

    Diese Hypothese ist hochgradig spekulativ und nicht falsifizierbar: den zum Vergleich herangezogenen Zustand, daß in so einem Beruf mehrheitlich Männer beschäftigt sind und dann höhere Löhne gezahlt werden, kann man nicht herstellen. Übliche "Beweise" sind i.d.R. historische Vergleiche, bei denen die tatsächlichen Ursachen übersehen werden.

    Diese Hypothese ist auch Hintergrund von Forderungen, Frauenberufe "aufzuwerten" oder von Prognosen, die Gehaltslücke würde sich schließen, wenn mehr Frauen typische Männerberufe übernähmen. Derartige Prognosen sind völlig absurd, mehr dazu hier.

    Diese Theorie appelliert vor allem an ein verbreitetes, politisch gefördertes Gefühl von Frauen, sich aus beliebigen Gründen diskriminiert zu fühlen.

  • Stereotype bzw. Rollenerwartungen demotivieren Mädchen bzw. Frauen, typische Männerberufe zu ergreifen.

    Die hier unterstellte normative (präskriptive) Wirkung von Stereotypen kann im Einzelfall beobachtbar sein, ist aber als statistisch relevanter Wirkmechanismus nicht wissenschaftlich bewiesen. Gäbe es diesen Wirkmechanismus, würde sich auch die Frage stellen, wieso die seit Jahrzehnten laufenden Aufklärungs- und Imagekampagnen, Girls' Days usw. das Berufswahlverhalten kaum geändert haben.

    Implizit wird hierbei unterstellt, Mädchen bzw. Frauen seien zu dumm, die richtigen Berufe zu ergreifen. Diese Unterstellung ist so sexistisch und politisch so inkorrekt, daß alleine der Gedanke kaum noch denkbar ist. Allerdings ist diese These die zentrale gedankliche Basis für die gigantische Maschinerie, die seit Jahrzehnten Frauen fördern und zu "besseren" Berufswahlentscheidungen überreden will. Wären die Frauen schlauer, würden sie selber die Vorteile von "Männerberufen" korrekt erkennen und sich für diese Berufe entscheiden. Hier wird ein extrem simplizistisches Modell unterstellt, wie Berufswahlentscheidungen getroffen werden.



Arbeitsmarktsegregation

Als Arbeitsmarktsegregation bezeichnet man das Phänomen, daß sich bestimmte Personengruppen, hier insb. Männer und Frauen, ungleichmäßig auf den Arbeitsmarkt verteilen. Von den Arbeitsmarktsektoren aus gesehen stellt sich das Phänomen so dar, daß bestimmte Berufe oder Branchen überwiegend von Männern bzw. Frauen ausgeübt werden.

Männer dominieren z.B. in fast allen Bauberufen bzw. bau-nahen Handwerksberufen, Frauen z.B. in der Krankenpflege oder bei Friseuren. Die meisten Berufe werden entweder überwiegend von Frauen oder überwiegend von Männern ausgeübt. Eine Hauptursache für die geschlechtsbezogene Arbeitsmarktsegregation sind geschlechtsspezifische Präferenzen.

Die Arbeitsmarktsegregation wird oft fälschlich als eine Ursache für das GPG angsehen. Diese Kausalität unterstellt aber fälschlich, daß ein hoher Frauananteil als solcher lohnsenkend wirkt.

Bei manchen Berufen, z.B. bei MINT-berufen, wird die Segregation unabhängig davon, ob sie eine eventuelle Ursache des GPG ist, als Problem angesehen.

Quellen



Geschlechtsspezifische Präferenzen

Hypergamie

Zu den markantesten verhaltensrelevanten biologischen Unterschieden zwischen Männern und Frauen gehört die wesentlich stärkere Libido von Männern und die daraus folgende Asymmetrie von Angebot und Nachfrage im Beziehungsmarkt. Männer müssen daher in irgendeiner Weise für sexuelle Kontakte im weiteren Sinne "bezahlen" bzw. diese Asymmetrie kompensieren. Eine Möglichkeit besteht darin, einer potentiellen Langfristpartnerin einen höheren sozialen Status und finanzielle Sicherheit zu verschaffen.

Dieses typische Verhalten von Männern ist eine Haupterklärung für die weibliche Hypergamie, also den Anspruch von Frauen, daß ihr männlicher Partner hinsichtlich Bildung, Einkommen usw. mindestens den gleichen oder eher einen besseren sozialen Status hat. Es ist auch für eine Frau außerdem sehr praktisch, wenn der Mann genug Geld verdient, um eine Familie alleine zu ernähren, wenn sie im Falle einer Schwangerschaft und anschließender Stillzeit wenig oder nicht arbeiten kann bzw. will. Weibliche Hypergamie ist daher auch nach neueren Umfragen extrem verbreitet, daran dürfte sich auch aus den genannten Gründen so schnell nichts ändern.

Für einen jungen Mann, der irgendwann eine Familie gründen möchte, folgt hieraus, daß er alle Energie in möglichst großen beruflichen und bildungsmäßigen Erfolg investieren muß. Das Lebensmodell des Geldverdieners ist auch heute für Männer nahezu alternativlos. Im Gegensatz dazu können Frauen unter drei sozial anerkannten, grundsätzlichen Lebensmodellen wählen: 1. Mutter und Hausfrau (und ggf. Zuverdienerin), 2. Geliebte und 3. Karrierefrau (also das männliche Lebensmodell). Der soziale Druck, beruflich erfolgreich zu sein, ist daher bei Männern ungleich höher als bei Frauen.

Die Präferenztheorie nach Hakim

Die Hypergamie und die signifikant anderen praktikablen Lebensmodelle sind der Hintergrund zu der Beobachtung, daß Frauen statistisch signifikant andere Berufspräferenzen als Männer haben, genauer gesagt sich diese Präferenzen leisten können.

Die Präferenzen beziehen sich hier auf die work-life-Balance, also die Aufteilung von Zeit und Energie im Berufs- bzw. Privatleben. Bei vielen Umfragen spricht sich eine Mehrheit der Frauen für eine ausgeglichene Balance aus und ist bereit, weniger beruflichen Erfolg für mehr Privatleben inkauf zu nehmen. Männer sind deutlich fixierter auf beruflichen Erfolg. Die Soziologin Catherine Hakim hat diese Beobachtungen zu sog. Präferenztheorie ausgebaut. Allerdings wird auch an dieser durchaus elaborierten Theorie deutliche Kritik geübt, weil die darin unterstellten Wirkmechanismen nicht eindeutig beweisbar sind.

Literatur



Berufswahlkriterien, -Präferenzen und die Unterschlagung nichtmonetärer Vergütungen

Eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben jedes Menschen in unseren hochentwickelten Kulturen ist die Berufswahlentscheidung. Diese Entscheidungsfindung ist meistens ein jahrelanger Prozeß, der durch vielfältige, oft obligatorische Berufsberatungen begleitet wird. Er beginnt typischerweise im Alter von 12 - 14 Jahren: dort finden erste Weichenstellungen statt, mit denen die Berufsfelder eingegrenzt werden, die im weiteren Verlauf noch näher betrachtet werden. Dies setzt sich in Alter von 14 - 17 Jahren fort durch Wahl von Leistungskursen, speziellen Schulformen oder außerschulischen Aktivitäten. In der Summe entsteht im Alter von ca. 16 - 18 Jahren bereits ein relativ klares Bild vom eigenen Qualifikations- und Interessenprofil und daraus folgend einer mehr oder weniger starken Beschränkung der infragekommenden Berufe.

Für die Auswahl eines Berufs sind die notwendigen (i.a. noch zu erwerbenden) Fachkenntnisse allerdings nur eines von vielen Kriterien. Die wichtigsten Kriterien, die typischerweise in Checklisten für die Berufswahl genannt werden, sind:

  • Ausbildungsinvestitionen: wieviel Zeit und Geld muß in die persönliche Allgemein- und Berufsausbildung investiert werden? Wie hoch ist die Gefahr des Scheiterns oder des schlechten Abschneidens?
  • Merkmale der Berufstätigkeit: Wie anstrengend / belastend / gesundheitsgefährdend ist die Berufstätigkeit? Wie hoch ist der Leistungsdruck / Streß?
  • Monetäre Vergütung: Wie hoch sind die Gehälter durchschnittlich? Welche Chancen (nach oben) und Risiken (nach unten) sind vorhanden? Wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt?
  • Nichtmonetäre Vergütungen:
    • mit den Beruf verbundener sozialer Status / Ansehen
    • geistig anregende, abwechslungsreiche, unterhaltende Tätigkeit. Hat man mit Menschen zu tun oder nur mit Maschinen?
    • ethisch wertvolle Tätigkeit, z.B. anderen Menschen zu helfen (die Tätigkeit als solche kann sehr unangenehm sein)
Die vorstehenden Kriterien müssen noch heruntergebrochen werden auf detailliertere Merkmale und ggf. durch speziellere persönliche Kriterien ergänzt werden. Die Gewichtung dieser Kriterien hängt stark vom sozialen Milieu und individuellen Präferenzen ab. Klassische soziale Aufsteiger sind z.B. zu hohen Ausbildungsinvestitionen bereit, um eine hohe monetäre Vergütung zu erzielen, auch wenn der Beruf nur wenig nichtmonetäre Vergütungen erzielt - typische Berufswahl: Ingenieur. Im Bildungsbürgertum haben dagegen nichtmonetäre Vergütungen eine sehr hohe Priorität, monetäre Vergütungen stehen oft dahinter zurück. Generell verschiebt sich die Gewichtung ab einer mittleren Vergütung hin zu weniger belastenden Berufen und/oder mehr nichtmonetären Vergütungen.

Berufspräferenzen vs. Geschlechteranteile

Frauen priorisieren die nichtmonetären Vergütungen, insb. den ethischen oder kulturellen Wert der Tätigkeit, die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit u.a., häufig deutlich höher als Männer, die stärker auf die monetäre Vergütung achten. D.h. Männer und Frauen verwenden unterschiedliche Bewertungskriterien für Berufe. Als Konsequenz verteilen sich die Frauen anders als die Männer auf das Spektrum der Berufe, haben also unterschiedliche Berufspräferenzen.

Der geringe Anteil von Frauen bzw. Männern in manchen Berufen ist Folge dieser unterschiedlichen Berufspräferenzen. Wenn z.B. 2 % der Männer den Beruf X ergreifen, aber nur 0.5 % der Frauen, dann sind unter der vereinfachenden Annahme, daß gleich viele Fauen und Männer arbeiten, 80% der Arbeitnehmer männlich: insg. (2.0+0.5)/2 = 1.25 % aller Arbeitnehmer wählen Beruf X, darunter 2.0/2 = 1.0 % Männer.

Der oft skandalisierte geringe Anteil von Frauen in manchen neiderregenden Berufen bzw. allgemeiner gesagt die berufliche Segregation ist also kein originäres Phänomen, sondern nur Folge unterschiedlicher Berufspräferenzen. Die Geschlechteranteile in einen Beruf können nicht isoliert verändert werden, sondern nur zusammen mit kompensierenden Veränderungen in anderen Berufen: Will man z.B. die Frauenquote im Beruf X erhöhen, müssen bei einer unveränderten Anzahl von Arbeitsplätzen Männer in andere Berufe verdrängt werden und umgekehrt Frauen aus anderen Berufen abgezogen werden.

Unterschlagung nichtmonetärer Vergütungen in den GPG-Berechnungen

Die gängigen feministischen Erklärungsansätze zum GPG reduzieren die Kriterienliste auf ein einziges Kriterium, die monetäre Vergütung, und unterschlagen alle anderen Kriterien, obwohl diese gerade bei Frauen oft höher gewichtet werden, und sind von daher grundsätzlich fragwürdig.

Die Rohdaten, aus denen das GPG berechnet wird, bilden nur die monetäre Vergütung einigermaßen gut (keineswegs perfekt) ab. Die anderen Kriterien sind nur schlecht in wenigen Zahlen quantifizierbar und schwer zu erfassen. Speziell die nichtmonetären Vergütungen und negative Aspekte der Berufstätigkeit werden praktisch gar nicht abgebildet. Daher kann deren erheblicher Einfluß bei der Berufswahl und bei der Bewertung, ob Entlohnungen gerecht sind, auch nicht statistisch erfaßt werden.


Ethische Bewertung und Maßnahmen zur Reduktion des GPGs

Illegale Ungleichbezahlung

Ein von Null verschiedenes GPG wird i.a. ethisch negativ bewertet. "Bundesfrauenministerin" Schwesig in einer Presse­mitteilung vom 11.01.2017: "Die Lohnlücke von 21 Prozent ist ungerecht." Eine statistische Größe ist als solche aber wertfrei, ethisch bewerten kann man allenfalls soziale Verhältnisse,

Sofern also GPGs ethisch negativ bewertet werden, wird hierbei regelmäßig auf negativ zu bewertenden soziale Strukturen zurückgeschlossen und das GPG als Beweis für deren Existenz gewertet. Da das GPG zunächst nur etwas über existierende Beschäftigungsverhältnisse aussagt, ist es am naheliegendsten, vom GPG auf diese Beschäftigungsverhältnisse zurückzuschließen.

Im Rahmen dieses Rückschlusses ist in der feministischen Propaganda regelmäßig die Rede von einer Lohngerechtigkeitslücke und von Gesetzeslücken (vgl. Kampfbegriff "Lohnlücke"), die zu schließen sind. Dies stellt die Realität auf den Kopf und ist eine bewußte Desinformation der Öffentlichkeit.

Nach Haufe (2016) und Hensche (2016) kennt die deutsche Rechtsordnung zwar keinen allgemeinen Rechtsanspruch auf "gleichen Lohn für gleiche Arbeit". Es gilt aber der "Arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz", der willkürliche Benachteiligungen durch den Arbeitgeber verbietet und willkürliche Begünstigungen nur im Einzelfall erlaubt.

Ein massenhafter Verstoß gegen diese Gesetzeslage würde ein von Null verschiedenes bereinigtes GPG erzeugen (unter der unrealistischen Annahme perfekter Daten). Die negative ethische Bewertung der Gesetzesverstöße wird unter dieser Annahme regelmäßig auf das GPG übertragen. Leider ist die Annahme perfekter Daten falsch. Insb. kann man von einem von Null verschiedenen bereinigten GPG eben nicht auf massenhafte Verstöße gegen gültige Gesetze schließen. Das GPG ist bestenfalls ein Indiz, das genauere Nachforschungen über seine Ursachen motiviert.

Typische Maßnahmen gegen das als Nachweis illegaler Ungleichbezahlung interpretierte GPG bestehen vor allem in Eingriffen in die Personalwirtschaft von Unternehmen, der Stärkung der Machtposition von Betriebsräten und/oder Gewerkschaften und ggf. Auskunftsrechten.



Ethische Bewertung spekulativer Ursachen des GPGs

Die unbereinigten und bereinigten GPGs liefern grundsätzlich nur kondensierte Informationen über existierende Beschäftigungsverhältnisse, nicht über deren Entstehung. Für deren Entstehung gibt es diverseste soziologische Erklärungsmodelle. Die hier unterstellten, oft monokausalen sozialen Wirkmechanismen sind i.d.R. hochgradig spekulativ. Die quantitativen Auswirkungen, also der Anteil des unbereinigten GPGs, der mit dem jeweiligen Wirkmechanismus erklärt werden könnte, bleibt offen oder ist offensichtlich marginal. Als typisches Beispiel für entsprechendes Propagandamaterial sei hier Klenner (2016), S. 6 zitiert:
Tatsächlich schlägt sich im Gender Pay Gap neben einer direkten Diskriminierung beim Entgelt auch die mittelbar auf das Entgelt wirkende vielfache Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt nieder.
Kontrafaktisch wird das GPG als Beweis einer "direkten Diskriminierung beim Entgelt" gewertet, völlig spekulativ ist die Schlußfolgerung vom GPG auf eine vage umschriebene "mittelbar[e] ... vielfache Benachteiligung von Frauen in der Gesellschaft". Klenner benennt anschließend zwei soziale Wirkmechanismen für das GPG:
Diskriminierungen und strukturelle Benachteiligungen beim Zugang zu Arbeitsplätzen und besonders zu gut bezahlten Positionen verursachen einen Teil der Lohnlücke.
Diskriminierungen und strukturelle Benachteiligungen sind, wenn sie existieren, natürlich moralisch zu verurteilen. Nur ist leider das GPG kein Beweis für die Existenz von Diskriminierungen von Frauen (oder Männern). Sofern Diskriminierungen von Frauen vorhanden sein sollten, ist deren Wirkung ist fraglich, zumal umgekehrt gesetzliche Diskriminierungen von Männern anhand der Gesetzestexte leicht nachweisbar sind. Der "Teil der Lohnlücke", der durch mehr Frauen "gut bezahlten Positionen", z.B. in Aufsichtsräten oder anderen gut bezahlten Leitungspositionen, verschwinden würde, ist außerdem nahe Null. Diese Positionen bilden nur einen sehr kleinen Teil aller Beschäftigungsverhältnisse, der statistisch irrelevant ist. Klenner argumentiert ferner:
Die ungleiche Teilung der unbezahlten häuslichen Arbeit zwischen Frauen und Männern bedingt eine ungleiche Verteilung von Teilzeit und Erwerbsunterbrechungen zwischen Männern und Frauen - Faktoren, die in der Erwerbswelt bisher mit Einkommensnachteilen einhergehen. Würden Männer im selben Umfang Familienarbeit übernehmen und wären daher Erwerbsmuster und -verläufe der Geschlechter ähnlicher, wäre auch ein geringerer Gender Pay Gap zu erwarten.
Typisch an diesem fehlerhaften Rückschluß vom GPG auf ungerechte soziale Strukturen ist eine Indirektion: Teilzeitarbeit und Erwerbsunterbrechungen sind zwei bekannte direkte Ursachen, die sachlich gerechtfertigt zu geringeren Löhnen führen (und deren Effekt statistisch quantifizierbar ist). Diese direkten Ursachen des GPG stellen also kein Unrecht dar, lösen aber nichtsdestotrotz Neidkomplexe aus.

Daher wird nach indirekten Ursachen gesucht, die die Entstehung der Beschäftigungsverhältnisse erklären und die ggf. einen Ansatzpunkt für Interventionen liefern. Die indirekten Ursachen und die darin ggf. unterstellten Wirkmechanismen sind durchweg spekulativ. Die im vorstehenden Beispiel aufgestellte These, Teilzeitarbeit und/oder Erwerbsunterbrechungen würden wesentlich (oder monokausal) durch die "ungleiche Teilung der unbezahlten häuslichen Arbeit" verursachen, ist heute absurd. Das war vielleicht vor 50 Jahren, als es noch keine Geschirrspüler und Waschautomaten gab, der Fall.

Die indirekten Ursachen betreffen außerdem oft nur einen kleinen Teil der Population, z.B. einer Alterklasse oder Berufsgruppe. Daß diese indirekten Ursachen einen signifikanten Teil des GPG erklären können, ist i.d.R. zu bezweifeln. Eine entsprechende quantitative Einschätzung wird praktisch nie angegeben, damit bleibt auch unklar, welche Wirkung Gegenmaßnahmen erzielen könnten.

Sofern man das GPG als Nachweis diffuser benachteiligender gesellschaftlicher Strukturen interpretiert, bestehen Maßnahmen zu seiner Reduktion typischerweise aus erheblichen Eingriffen in die Freiheit, sein Leben selbstverantwortlich zu gestalten.