Dienstag, 14. März 2017

Fake News zum bereinigten GPG 2016


Heute ist die übliche Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts über das Gender Pay Gap (GPG) bzw. das bereinigte Gender Pay Gap (bGPG) des Vorjahrs erschienen. Wie erwartet enthält die Pressemitteilung praktisch alle Fake News und falsch interpretierbaren Aussagen wie im Vorjahr.

Beispiele

  1. Die Überschrift lautet:
    Drei Viertel des Gender Pay Gap lassen sich mit Strukturunterschieden erklären.
    Korrekt hätte die Überschrift lauten müssen:
    Drei Viertel des Gender Pay Gap lassen sich mit Strukturunterschieden, soweit sie in den Destatis-Daten erfaßt sind, erklären. Wenn diese Daten vollständig wären könnte man wahrscheinlich auch den Rest erklären.
  2. Weiter im Text:
    Danach kann das verbleibende Viertel des Verdienstunterschieds nicht durch die lohnrelevanten Merkmale erklärt werden.
    Richtig muß es heißen:
    Danach kann das verbleibende Viertel des Verdienstunterschieds nicht durch die in den Destatis-Daten erfaßten lohnrelevanten Merkmale erklärt werden. Sie können aber vermutlich durch lohnrelevante Merkmale, die nicht in den Destatis-Daten erfaßt sind, erklärt werden.
  3. Der innere Widerspruch zwischen der Aussage "bGPG = 6%" und der Aussage "bGPG ist kleiner als 6%" ist analog wie im Vorjahr unverändert vorhanden:
    [... sogenannter bereinigter Gender Pay Gap ...] Das heißt, dass Frauen bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit pro Stunde durchschnittlich 6 % weniger als Männer verdienten. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der bereinigte Gender Pay Gap möglicherweise geringer ausgefallen wäre, wenn weitere lohnrelevante Einflussfaktoren für die statistischen Analysen zur Verfügung gestanden hätten.
    Mehr dazu im nächsten Abschnitt.
  4. Die Aussage, daß
    ... Frauen bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit pro Stunde durchschnittlich 6 % weniger als Männer verdienten
    ist unbewiesen, sachlich unhaltbar, sehr leicht falsch interpretierbar und in diesem Sinne Hetzpropaganda, und zwar unabhängig von der konkreten Prozentzahl. Das bei der Bereinigung benutzte Rechenverfahren, die Oaxaca-Blinder-Zerlegung, verwertet nämlich insb. auch die vielen "nicht vergleichbaren" Beschäftigungsverhältnisse. Im Gegensatz zur obigen Aussage können innerhalb von Gruppen von Frauen und Männern mit vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit völlig beliebige, sogar negative GPGs, auftreten.
  5. Die methodischen Hinweise und die darin enthaltene feministische Propaganda stimmen wörtlich mit der 2016er Version überein.

Rezeption

Nachgerade faszinierend ist, wie zuverlässig der innere Widerspruch zwischen den Aussagen "bGPG = 6%" und "bGPG ist kleiner als 6%" zugunsten der ersten Aussage aufgelöst wird. Wie nicht anders zu erwarten wird in den meisten Fällen die zweite Aussage völlig verdrängt. Beispiele aus der aktuellen Mainstream-Presse:
  • Die ZEIT schreibt:
    Doch selbst bei ähnlicher Qualifikation und ähnlichem Job verdienen Frauen im Durchschnitt sechs Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
    Kein Hinweis, daß das tatsächliche bGPG wesentlich kleiner ist.
  • Der Tagesspiegel schreibt:
    Aber auch bei ähnlicher Qualifikation und ähnlichem Job verdienen Frauen weniger, und zwar durchschnittlich sechs Prozent.
    Kein Hinweis, daß das tatsächliche bGPG wesentlich kleiner ist.
  • Die Süddeutsche schreibt:
    Der sogenannte bereinigte Gender Pay Gap lag damals bei sechs Prozent. So viel verdienten Frauen trotz vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit weniger als ihre männlichen Kollegen. Würde man weitere Faktoren einbeziehen, wäre die Lücke vermutlich noch etwas geringer.
    Von "vermutlich noch etwas geringer" ist in der Pressemitteilung des Bundesamts keine Rede, diese Quantifizierung ist von der Süddeutschen frei erfunden (oder Wunschdenken). Dieser sachlich unhaltbare Eindruck wird allerdings durch die Formulierungen in den Pressemitteilungen suggeriert.
  • Der Spiegel schreibt:
    Vergleicht man hingegen Frauen und Männer, die gleichermaßen qualifiziert sind und einer vergleichbaren Tätigkeit nachgehen, schrumpft die Lohnlücke auf sechs Prozent.
    Nein, diese Aussage ist falsch und eine der beiden zentralen Fake News in den Pressemitteilungen, s. Fake News Nr. 2: eine zwangsläufig falsche Interpretation. Immerhin finden wir 2 Absätze später folgendes:
    Im Jahr 2010 lag die Lohnlücke noch bei sieben Prozent, im Jahr 2006 bei acht Prozent. Möglicherweise wäre der bereinigte Gender Pay Gap diesmal noch geringer ausgefallen, teilt das Statistische Bundesamt mit. Doch zu manchen Faktoren wie Elternzeit und Babypause hätten keine Informationen vorgelegen.
    Das bGPG wäre in allen Jahren (deutlich) niedriger ausgefallen, wenn alle lohnrelevanten Daten verfügbar gewesen wären.
  • Der Focus schreibt:
    Das heißt demnach, dass Frauen bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit pro Stunde durchschnittlich 6 Prozent weniger als Männer verdienten.

    Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass der bereinigte Gender Pay Gap möglicherweise geringer ausgefallen wäre, wenn weitere lohnrelevante Einflussfaktoren für die statistischen Analysen zur Verfügung gestanden hätten. So lagen beispielsweise zu den familienbedingten Erwerbsunterbrechungen keine Informationen vor.

    Immerhin ein vollständiges Zitat, das allerdings die Auflösung des inneren Widerspruchs und die Beantwortung der Frage, wieviel geringer das tatsächliche bGPG nun ist, dem Leser zuschiebt.
  • Der Kölner Stadt-Anzeiger schreibt:
    Den Berechnungen zufolge bleibt eine bereinigte Gehaltslücke von zuletzt 6 Prozent. Das ist die Größenordnung, die Frauen bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit weniger verdienen als Männer.
    Kein Hinweis, daß das tatsächliche bGPG wesentlich kleiner ist.
  • Die Märkische Allgemeine schreibt:
    Die Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern bleiben immens. [....] Dieser sogenannte bereinigte Gender Pay Gap lag 2014 bundesweit bei sechs Prozent. Das heißt, dass Frauen bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit pro Stunde durchschnittlich sechs Prozent weniger als Männer verdienten."
    Kein Hinweis, daß das tatsächliche bGPG wesentlich kleiner ist.
Ähnliche Artikel findet man in weiteren Provinzzeitungen.

Fazit

Wenn man die mediale Reichweite berücksichtigt, werden ca. 80 - 90 % der Leser in zwei zentralen Punkten falsch informiert:
  1. Es wird kontrafaktisch vermittelt, daß das bereinigte GPG exakt 6% betragen würde. Der korrekte Sachverhalt, daß das tatsächliche gGPG irgendwo zwischen 0 und 6% liegt, wahrscheinlich unter 3%, wie konkurrierende Berechnungen zeigen, wird verschwiegen.
  2. Objektiv falsch sind Behauptungen wie die des Spiegel: "Wenn man die Stundenlöhne von Frauen und Männern, die gleichermaßen qualifiziert sind und einer vergleichbaren Tätigkeit nachgehen, vergleicht, beträgt der Lohnunterschied durchschnittlich sechs Prozent." Dies ist eine übliche und intuitiv naheliegende, aber sachlich falsche Interpretation einer sehr ähnlichen klingenden Textpassage in den Pressemeldungen des Destatis und als reine Hetzpropaganda einzustufen.

Quellen