Mittwoch, 6. März 2019

Sind weibliche Abgeordnete unfähig? Die Parität als verkapptes Matriarchat




Was bedeutet "Parität"?

Seit langem fordern feministische Aktivistinnen eine harte Frauenquote von 50% in den Parlamenten. In letzter Zeit ist die Debatte durch das Paritätsgesetz in Brandenburg wieder sehr aktuell geworden. Dieser Sieg über die Demokratie befeuert insb. feministische Aktivistinnen der Grünen, in weiteren Parlamenten die "Parität" zu fordern.

Die gravierenden verfassungsrechtlichen Argumente gegen Frauenquoten in Parlamenten sind altbekannt und hier zusammengestellt. Sie sind kein Thema dieses Blogposts. Stattdessen geht es hier um die tatsächlichen politischen Absichten, dabei insb. um den Kampfbegriff "Parität", den die meisten Debattenteilnehmer als "Gleichberechtigung" interpretieren. Das ist allerdings falsch, wenn man Aussagen von Protagonisten der "Parität" heranzieht, läuft die "Parität" auf ein Matriarchat nach dem Vorbild des Frauenstatuts der Grünen hinaus.

Dies wird z.T. ganz offen von Politikerinnen der Grünen gefordert, dazu anschließend Beispiele. Versteckt ist es aber auch eine logische Konsequenz von zentralen Argumentationsstrukturen zugunsten der Paritätsgesetze, wonach z.B. ein Frauenanteil von 40% nicht ausreicht, um die Belange von Frauen zu vertreten. Implizit wird hier übrigens unterstellt, daß weibliche Abgeordnete unfähig zu erfolgreicher parlamentarischer Arbeit sind.

D.h. die eigentliche politische Forderung ist im Endeffekt ein Matriarchat. Dies wird hinter dem unklaren, aber irgendwie positiv konnotierten Begriff Parität versteckt (gerne auch in der französischen Variante Parité, um den Eindruck von Weltläufigkeit und Bildung zu erwecken).

Generell bleibt in der Paritätsdebatte unklar, was "Parität" numerisch konkret bedeutet. Ist das genau 50% im gesamten Parlament (was kaum zu erreichen ist) oder "ungefähr 50%", z.B. ca. 48 - 52%, oder was sonst? Wenn 48% OK sind, warum sind dann 44% eine Katastrophe, die eine weitgehende Einschränkung der Demokratie erfordert?

I.f. wird vorausgesetzt, daß man die ersten 3, hier wesentlichen Paragraphen des "Frauenstatuts" der Grünen kennt und verstanden hat, wieso dies theoretisch und praktisch ein Matriarchat implementiert. Leser sollten andernfalls die kurze Darstellung unter vorstehendem Link durchsehen (1 - 2 Minuten Lesezeit).

Direkte Forderungen nach einem Matriarchat

Direkt auf das Frauenstatut der Grünen verweist Grünen-Politikerin Claudia Roth in einem aktuellen Interview mit der Tagesschau, in dem sie erklärt, was "die Hälfte" bzw. "Parität" bedeutet:
"Am einfachsten wäre es, wenn sich die anderen Parteien zunächst am Modell der Grünen orientieren würden, der parteiinternen Quotenregelung bei Listenaufstellungen."
Sie vergaß zu erwähnen, daß die parteiinterne Quotenregelung der Grünen für Männer eine Mindestquote exakt 0% bestimmt.

Auch die Spitzenkandidatin und Co-Fraktionschefin der Grünen in Bayern, Katharina Schulze, fordert in einem aktuellen Interview mit der TAZ genau das, was das Frauenstatut aussagt:

TAZ: Sie wollen auch die Verfassung ändern und darin vorschreiben, dass im Landtag mindestens die Hälfte der Abgeordneten weiblich sein muss. Warum eigentlich "mindestens"?

Schulze: Weil wir's unter der Hälfte nicht mehr machen. Grundlage sind das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung, in der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen steht.

50 + x % stehen also als Forderung im Raum, weil Gleichberechtigung in der Logik der Grünen von 50 bis 100 % Frauenanteil geht. Man kann nicht ganz ausschließen, daß hier wieder einmal ein Fall von Zahlenanalphabetismus (bzw. Innumeracy) vorliegt, also das Unvermögen, zahlenmäßig dargestellte Sachverhalte zu verstehen.

Der pauschale Verweis auf das Grundgesetz ist der übliche feministische Dummenfang, mit dem der Begriff "Gleichberechtigung" in sein Gegenteil pervertiert werden soll. Der (männliche!) TAZ-Interviewer ist immerhin mathematisch halbwegs fit und hakt nach:

TAZ: Gleichberechtigung wäre aber nicht mindestens, sondern genau 50 Prozent.

Schulze: Es werden ja nicht auf einmal 80 Prozent Frauen in den Parlamenten sitzen. Wenn wir bei 50 Prozent ankommen, ist das gut, schließlich sind Frauen die Hälfte der Bevölkerung und keine Minderheit.

Schulze scheint nicht verstanden zu haben, wie eine Parlamentswahl funktioniert und daß dabei "auf einmal" alle Abgeordneten ausgetauscht werden können. Wenn das Wahlgesetz das Wahlergebnis vorschreibt, dann sind "auf einmal" nach der Wahl über 50% der Abgeordneten weiblich, das ist kein langsamer Prozeß wie die Fluktuation in einem Betrieb.

Schulze hält es für unwahrscheinlich, daß durch ein Paritätsgesetz 80% Frauen in den Parlamenten sitzen. Die Tatsache als solche - 80% Frauen - scheint sie nicht im mindesten zu stören (s.a. Fußnote 1) oder Denkprozesse in Gang zu setzen. In ihrer Umwelt, dem durch das Frauenstatut implementierten Matriarchat, ist es normal und kaum anders denkbar, daß Frauen überall die Mehrheit haben. Beispielsweise hat die Bundestagsfraktion der Grünen aktuell z.B. 58,2 % Frauen, obwohl nur rund 40% der Mitglieder weiblich sind und obwohl - das weiß sogar Schulze - Frauen nur (!) "die Hälfte der Bevölkerung" und keine Mehrheit von 58,2 % sind.

Man kann davon ausgehen, daß die Grünen keine Gelegenheit auslassen werden, ihren Markenkern, das Frauenstatut, der Gesamtgesellschaft aufzuzwingen. Heute, am politischen Aschermittwoch, präsentierten sich die Grünen vor allem auch als Frauenpartei. Daß "mindestens die Hälfte der Abgeordneten weiblich sein" muß (besser mehr), war kein Versprecher, sondern durchaus ernst gemeint. Ein Versprecher war es allenfalls insofern, als selbst der TAZ die Verlogenheit des grünen Begriffs "Gleichberechtigung" auffiel.

Gesetzesbegründungen, die faktisch ein Matriarchat fordern

Man kann argumentieren, die Aussagen von Politikerinnen seien nicht besonders ernst zu nehmen, weil sie nicht genau verstanden haben, wovon sie da reden, und weil die einschlägigen Fachleute das hinterher schon richten werden. Wenn allerdings die "einschlägigen Fachleute" auch fanatische Feministinnen sind, werden sie kaum ein solches Korrektiv sein. In diesem Zusammenhang spielt Prof. Dr. Silke Laskowski, Institut für Wirtschaftsrecht, Universität Kassel, eine wichtige Rolle. Laskowski hat das Brandenburgsche Paritätsgesetz entworfen, ist seit langem einschlägig aktiv und dürfte auch in den kommenden Debatten ihre bisherigen Standpunkte vehement vertreten.

Vor rund einem Monat erschien ein Interview mit ihr in der FAZ. Dieses ausführliche Interview ist äußerst lesenswert. Hier einige Aussagen von Laskowski, wie sie die Realität wahrnimmt:

  • Frauen [sind] in der Politik nach wie vor massiv unterrepräsentiert
  • [es wird eine] Politik betreiben, die weit überwiegend männlichen Interessen dient
  • viele weibliche Belange [bleiben] unberücksichtigt, beispielsweise die ... Entgeltdiskriminierung
  • Die Vergewaltigung in der Ehe wurde erst 1997 unter Strafe gestellt. (Anm.: dies ist sachlich falsch und ein klassischer feministischer Mythos.)
  • Parteien dürfen ... nicht die eine Hälfte der Bevölkerung vom Nominierungsprozess ausschließen.
  • Als Frau haben Sie es weit schwerer, aufzusteigen, weil an den Schaltstellen der Macht in den Parteien meist Männer sitzen, die miteinander Seilschaften bilden und Posten aufteilen.
  • Sie müssen sich den immer gleichen Fragen nach ihrer Kompetenz stellen, werden weniger ernst genommen, müssen doppelt so hart arbeiten, um dasselbe zu erreichen.
  • Die geringere Zahl weiblicher Parteimitglieder ist meines Erachtens auf die Diskriminierung zurückzuführen, die Frauen innerhalb von Parteien zu erwarten haben und die viele deshalb bereits vom Eintritt abhält.
Die Weltsicht von Laskowski ist - vorsichtig formuliert - schwer nachvollziehbar und völlig entkoppelt von den Realitäten. Sie strotzt vor maßlosen Übertreibungen, fragwürdigen Urteilen und unbewiesenen Verschwörungstheorien. Laskowski kultiviert ein extremes Feindbild gegenüber Männern (die typische gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit infolge von Identitätspolitik). Für Laskowski sind Männer nicht fähig oder willens, die Interessen von Frauen zu verstehen, sie agieren im Gegenteil in imaginierten Seilschaften direkt gegen die Interessen von Frauen. Daher können prinzipiell nur Frauen die Interessen von Frauen vertreten. Frauen müssen daher daran gehindert werden, Männern in Wahlen ihre Stimme zu geben. Diese fanatische, verfassungsfeindliche Weltsicht bildet nichtsdestotrotz die Grundlage der Gesetzgebung in Brandenburg.

Der Frauenanteil im Landtag Brandenburg beträgt seit 2009 rund 40%, davor sogar rund 44%. Nach Laskowski sind Frauen damit "massiv unterrepräsentiert" und nicht imstande, weibliche Belange zu vertreten, beispielsweise das Gender Pay Gap zu beseitigen, von Laskowski kontrafaktisch als "Entgeltdiskriminierung" bezeichnet.

Im Gegensatz zu Laskowskis Weltsicht blieb dieses Thema in den politischen Debatten keineswegs unberücksichtigt, sondern ist seit Jahren ein Daueraufreger. Allerdings gingen die politischen Debatten nicht im radikalfeministischen Sinne aus. Wenn Laskowski formuliert, weibliche Belange blieben unberücksichtigt, meint sie also in Wirklichkeit, daß die demokratischen Prozesse manchmal nicht die von radikalen Feministinnen gewünschten Ergebnisse gebracht haben (die aus feministischer Sicht erfolgreichen Fälle verdrängt sie).

Mit ihrer 50%-Forderung unterstellt Laskowski implizit, daß 40% Frauen in einem Parlament nicht ausreichen, um weibliche Belange argumentativ überzeugend vorzutragen und auch männliche Abgeordnete von ggf. zu ergreifenden Maßnahmen zu überzeugen. Zugespitzt formuliert attestiert Laskowski den weiblichen Abgeordneten, unfähig zu erfolgreicher parlamentarischer Arbeit zu sein. Diese Unfähigkeitsannahme ist wesentlich in Laskowskis Argumentation.

Ausgehend von der Unfähigkeitsannahme und dem Feindbild Mann bringt es auch nichts ein, den Frauenanteil z.B. auf 48 % zu steigern, qualitativ ist das kein Unterschied zu 40 %. Selbst exakt 50% reichen allenfalls bedingt aus, weil das keine Mehrheit ist, mit der man aktiv feministische Gesetze erzwingen kann.

In der Argumentationslogik von Laskowski können die Probleme also nur gelöst werden, wenn Frauen in der Praxis über eine absolute Mehrheit von über 50% der Sitze des Parlaments verfügen. Was auf das Frauenstatut für alle Parteien hinausläuft.

Ironischerweise erreicht das letztlich vom Brandenburger Landtag verabschiedete Gesetz dieses Ziel nicht mit Sicherheit, selbst wenn man Direktmandate unberücksichtigt läßt. Im Gegensatz zum Frauenstatut der Grünen ist dort nämlich nicht garantiert, daß die vereinigten Wahllisten der einzelnen Parteien auf Platz 1 mit einer Frau beginnen. Bei 88 Sitzen und z.B. 4 Parteien könnte ein Geschlecht max. 46 Sitze (= 52.3%) erreichen. Eventuell wird dieser Konstruktionsfehler ja noch beseitigt.

Als viel problematischer für die Ziele von Laskowski, Roth und Schulze könnte sich allerdings erweisen, daß nicht alle Frauen von einem pathologischen Haß auf Männer befallen sind und ihr Abstimmungsverhalten mehr von der ideologischen Orientierung als vom Geschlecht abhängt.

Quellen

  1. Petra Guttenberger, Katharina Schulze / Dominik Baur (Interview): "Das ist total ideologisch". TAZ, 01.03.2019. http://www.taz.de/!5576045/
  2. Silke Laskowski / Constantin van Lijnden (Interview): "Ohne Paritätsgesetz wird es keine gleichberechtigte Politik geben". FAZ, 06.02.2019. https://einspruch.faz.net/einspruch-magazin/2019-02-06/ ... 35.html
  3. "Der Bundestag ist kein Bierzelt". Tagesschau, 03.03.2019. https://www.tagesschau.de/inland/paritaetsgesetz-bundestag-101.html

Fußnoten

[1] Lesern, die mit den Verhältnissen im grünen Matriarchat nicht vertraut sind, kommt die Zahl von 80% u.U. als rein hypothetisch und als nicht ernst gemeint vor. Der "Zufall" will es, daß der Fachbeirat "Teilhabe, Geschlechterdemokratie [!!] und Antidiskriminierung" der Heinrich-Böll-Stiftung gemäß § 10 der Satzung eine Frauenquote von mindestens 80% vorschreibt.

Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) ist Kaderschmiede und Think Tank der Grünen. Prinzipiell gilt dort natürlich "nur" das Frauenstatut. In der Praxis ist der Vorstand aktuell zu 100% weiblich, die Referenten- und Leitungsfunktionen sind zu ca. 70% weiblich besetzt.

Gemäß § 2 Zweck des Vereins, Absatz 3 ist ein besonderes Anliegen [der HBS] die Verwirklichung von Geschlechterdemokratie [!!] als ein von Abhängigkeit und Dominanz freies Verhältnis der Geschlechter. Unter dem Kampfbegriff "Geschlechterdemokratie" sind in der grünen Begriffswelt in der Praxis also Frauenquoten im Bereich von 70 - 100% zu verstehen.

Frauenquoten im Bereich von 70 - 80 % sind für grüne Parteimitglieder, die in der HBS ideologisch geprägt wurden, völlig normal, genauso wie der grundsätzliche feministische Anspruch, daß Frauen alleine definieren, wie das Geschlechterverhältnis auszusehen hat (offiziell ggf. nur solange, wie das Patriarchat existiert und solange Frauen als völlig machtlos imaginiert werden).


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