Inhaltsübersicht
Einführung und Motivation
Übersicht über die
Hauptbegriffe
Biologische Geschlechtsbegriffe
im Detail
Einführung und Motivation
Einführung und Übersicht
Der Kampf der Geschlechter tobt seit Jahrzehnten, die
Frauenfrage ist eines unserer größten sozialen Probleme
(zumindest in unseren Massenmedien), und der Feminismus ist
längst Staatsreligion. Da sollte eigentlich klar sein, was
Begriffe wie "Geschlecht", "Mann", "Frau" usw. bedeuten und
worüber man debattiert. Dem ist leider nicht so. Zum einem
wegen Begriffskriegen, vor allem im Zusammenhang mit dem
Kampfbegriff "Gender". Zum anderen deshalb, weil
"Geschlecht" nur ein abstrakter Oberbegriff für mehrere
konkretere Geschlechtsbegriffe ist. Dies
erklärt den auf den ersten Blick überraschenden Befund, daß
die Wikipedia keinen Eintrag für "Geschlecht (von Menschen)"
enthält
(1).
Daß es keine allgemeine Definition des Begriffs Geschlecht
geben soll, paßt vordergründig nicht zur Tatsache, daß wir
im Alltag die Begriffe "Geschlecht", "Mann" und "Frau"
häufig und ohne größere Mißverständnisse benutzen. Wir
werden aber sehen, daß es sich hierbei um pragmatisch
genutzte, unscharfe Begriffe handelt, die für den Alltag
ausreichen, die aber für die Geschlechterdebatten zu
unscharf sind.
Auf dieser Seite präzisieren wir den Begriff "Geschlecht",
genauer gesagt seine zahlreichen konkreten Unterbegriffe.
Wir beginnen mit der
Sinnfrage, warum es
überhaupt so viele Geschlechtsbegriffe gibt. Die Erkenntnis
ist ganz entscheidend, daß - im Gegensatz zu gängigen
feministischen Theorien - alle realistischen
Geschlechtsbegriffe immer deswegen entstehen, weil man
Menschen bzgl. ihrer sexualitätsbezogenen Eigenschaften
unterschiedlich behandeln muß. Dazu muß man sie
klassifizieren. Ein Geschlechtsbegriff ist daher ganz
einfach eine Taxonomie, mit der man Menschen in Kategorien
einteilt.
Die Definitionen der Kategorien müssen sich auf bestimmte
sexualitätsbezogenen Eigenschaften der Menschen beziehen,
und zwar meßbare Eigenschaften, um jedes konkrete Individuum
klassifizieren zu können. Hier kann man drei Arten von
Eigenschaften unterscheiden:
- biologische Eigenschaften, die man
durch einfache Beobachtung oder medizinische Methoden
bestimmen kann,
- psychische Eigenschaften, die mit
"Meßmethoden" der Psychologie bestimmt werden müssen, und
- soziale Eigenschaften, die sich auf das
Sozialverhalten des Individuums beziehen.
Dementsprechend unterscheiden wir i.f. biologische,
psychische und soziale Geschlechtsbegriffe.
Der Sinn und Anwendungskontext von
Geschlechtsbegriffen
Menschen unterscheiden sich in ihren sexualitätsbezogenen
Eigenschaften. Diese Unterschiede machen in bestimmten
Problembereichen bzw. Kontexten eine unterschiedliche
Behandlung erforderlich oder sinnvoll. Genau dieser Bedarf
ist der Ursprung und Sinn von Geschlechtsbegriffen:
Geschlechtsbegriffe werden in der
Sprachpraxis dann, und nur dann, gebildet, wenn man in einem
Problembereich Personen anhand ihrer sexualitätsbezogenen
Eigenschaften unterschiedlich behandeln muß und daher
begrifflich unterscheiden muß.
Geschlechtsbegriffe sind also eigentlich
Taxonomien
für Menschen. Geschlechtsbegriffe sind immer auf einen
Problembereich bzw. Anwendungskontext bezogen, der die
unterschiedliche Behandlung erforderlich oder sinnvoll
macht, und an die Erfordernisse dieses Problembereichs
angepaßt. Meistens wird dieser Problembereich nicht explizit
angegeben, sondern als implizit klar unterstellt.
Das Chaos um den Begriff Geschlecht wird wesentlich dadurch
verursacht, daß es
mehrere Problembereiche und
zugehörige Geschlechtsbegriffe und Taxonomien gibt, diese
aber nicht identisch sind.
Meist (nicht immer) kommen die beiden Kategorien Mann und
Frau vor, bedeuten aber nicht überall exakt das gleiche.
Daneben kann es einen Bedarf nach weiteren
Geschlechtskategorien geben.
Es folgt eine Liste von Beispielen für solche
Problembereiche, i.f. auch als
Kontexte bezeichnet,
in denen sich in der Praxis Geschlechtsbegriffe gebildet und
bewährt haben. Angegeben ist jeweils die Bezeichnung des
Geschlechtsbegriffs, sofern üblich, die Liste der Kategorien
und die Art der menschlichen Eigenschaften, mit denen die
Kategorien untereinander abgegrenzt werden.
- Kontext: Studium von Fortpflanzung und Vererbung
in der Biologie
(2);
Geschlechtsbegriff: reproduktives Geschlecht;
Kategorien: männlich (im Sinne von Samenproduzent) /
weiblich (im Sinne von Eiproduzent) / nicht
fortpflanzungsfähig
Eigenschaften: biologische
- Kontext: Behandlung von Erbkrankheiten in der
Medizin;
Geschlechtsbegriff: genetisches (oder
chromosomales) Geschlecht;
Kategorien: XX / XY / XXY
/ X / XX-Mann / XY-Frau / ....
Eigenschaften: biologische
- Kontext: Verwaltung von Bürgern in einem
Einwohnermeldeamt;
Geschlechtsbegriff: "Meldegeschlecht";
Kategorien: männlich / weiblich / divers.
Eigenschaften: biologische.
Personen werden hier anhand ihres Phänotyps klassifiziert,
entweder direkt nach der Geburt oder später. Personen, die
nicht hinreichend sicher als männlich oder weiblich
klassifiziert werden können, werden hier als "divers"
klassifiziert (in anderen Kontexten wird dazu dieser Fall
als "intersexuell" bezeichnet). Das Meldegeschlecht ähnelt
dem reproduktiven Geschlecht, ist aber etwas anderes!
- Kontext: Privilegierung von Frauen in der deutschen
Gesetzgebung
(3);
Geschlechtsbegriff: "juristisches Geschlecht";
Kategorien: Frau / Nicht-Frau
Eigenschaften: biologische
- Kontext: Partnervermittlung in einer
Kontaktbörse;
Geschlechtsbegriff: "sexuelle Orientierung"
(4);
Kategorien: hetero / hetera / schwul / lesbisch /
ggf. weitere und speziellere anhand von Balzverhalten und
sexuellen Praktiken.
Eigenschaften: biologische, psychische und soziale
- Kontext: Wasser- und Platzverbrauch von
Toiletten (biologische Männer können dank Penis Urinale
benutzen. Urinale brauchen weitaus weniger Wasser und
Stellfläche als Sitz-WCs, sparen also Ressourcen und Geld);
Geschlechtsbegriff: "biologisches Geschlecht";
Kategorien: Mann / Frau
Eigenschaften: biologische
- Kontext: Gesang (Musik);
Geschlechtsbegriff: "Sängerstimmen";
Kategorien: Tenor / Bariton / Baß / Sopran /
Mezzosopran / Alt
Eigenschaften: biologische
- Kontext: Judo (Sport);
Geschlechtsbegriff: Gewichtsklasse
Kategorien: (weiblich) Superleichtgewicht / ... /
(weiblich) Schwergewicht / (männlich) Superleichtgewicht /
... / (männlich) Schwergewicht
Eigenschaften: biologische
Judo steht hier nur stellvertretend für viele
Sportarten, in denen die reine Körperkraft wesentlich für
die sportliche Leistung ist. Die Körperkraft ist wiederum
wesentlich beeinflußt von biologischen Geschlecht und vom
Knochenbau (Körpergröße und -Proportionen), die nicht durch
Training ändert werden können. Die Gewichtsklassen
sollen "faire" Wettbewerbsbedingungen herstellen.
Die Gewichtsklassen haben zwar bei Männern und Frauen die
gleichen Bezeichnungen, ihnen ist aber implizit durch den
sprachlichen Kontext immer auch die Information zugeordnet,
ob damit eine Frau oder ein Mann gemeint ist.
Die vorstehend genannten Problembereiche sind weitestgehend
biologisch bedingt, die zugehörigen Kategorisierungen sind
daher unvermeidlich. Die Zuordnung einer Person zu einem
Geschlecht basiert bei diesen Beispielen auf biologischen
Tatsachen, diese Zuordnung sind nicht änderbar. Schon gar
nicht kann sich eine Person selber nach Lust und Laune einem
beliebigen Geschlecht zuordnen.
Es gibt auch Themenbereiche, bei denen Männern und Frauen
verschieden behandelt werden oder sich verschieden
verhalten, ohne daß dies aus biologischen Unterschieden
zwangsläufig folgt. Beispiele:
- In manchen Religionen können Frauen nicht Priester
(oder Papst) werden oder müssen ihren Kopf verhüllen, Männer
und Frauen werden also verschiedene funktionale Rollen
zugewiesen bzw. zu unterschiedlichem Verhalten gezwungen.
- In einem Matriarchat, wie es z.B. durch das
Frauenstatut der Grünen formal für die innere
Struktur der Partei B90/Grüne implementiert wird, werden
Männer zu Menschen zweiter Klasse degradiert, die von den
Frauen, den Menschen erster Klasse, beherrscht werden.
Solche kulturspezifischen Unterscheidungen von Geschlechtern
sind i.d.R. willkürlich. Sie basieren fast immer auf einer
biologischen Klassifikation der Menschen. In vielen Fällen
kann man sie auch als
eine spezielle Lösung der
Probleme ansehen, die aus den biologischen Differenzen
folgen. Ein Beispiel sind spezielle Verhaltensregel
für Schwangere.
In anderen Fällen, u.a. den beiden o.g. Beispielen, besteht
kein kausaler Zusammenhang zwischen biologischen
Unterschieden und der unterschiedlichen Behandlung. In
diesem Fall ist auch die Zuordnung eines Individuums zu
einer der Kategorien willkürlich. Im Extremfall kann man
hier Geschlechtskategorien frei erfinden und es einem
Individuum erlauben, sich je nach Tageslaune einer Kategorie
selber zuzuordnen.
Universelle Geschlechtsbegriffe
In praktisch allen Kulturen wird für alle o.g.
Problembereiche
eine einzige, gemeinsame
Klassifizierung bzw. ein
universeller
Geschlechtsbegriff verwendet, der in beliebigen
Problembereichen verwendet wird, nämlich in Mann/Frau. Wenn
man genau hinsieht, sind die entstehenden Gruppen aber nicht
immer angemessen. Aus biologischer Sicht gibt es
beispielsweise Personen, bei denen die äußerlich erkennbaren
Geschlechtsmerkmale keine eindeutige Zuordnung erlauben oder
die bei der biologischen Fortpflanzung weder als Ei- noch
als Samenproduzent fungieren können und die sich als solche
nicht reproduzieren können, die also als Nebeneffekt der
zweigeschlechtlichen Fortpflanzung entstehen. Wenn also alle
Menschen das Merkmal "reproduktives Geschlecht" haben
sollen, muß man für diese Fälle begrifflich eine dritte
Kategorie bilden, auch wenn das nur eine extrem kleine
Minderheit ist. Beim Paarungsverhalten macht es Sinn, neben
Mann/Frau zusätzlich heterosexuell/homosexuell zu
unterscheiden, in diesem Anwendungskontext kommt man also
auf 4 Kategorien (oder ggf. noch mehr, wenn man bisexuelle
und zölibatär lebende Personen berücksichtigt).
Es bringt offensichtlich nichts ein, Geschlechtsbegriffe,
die zu unterschiedlichen Anwendungskontexten gehören,
einfach zu kombinieren (z.B.
nichtfortpflanzungsfähig-homosexuell). Dies führt zu einer
kombinatorischen Explosion, die Zahl der Kategorien
multipliziert sich dann i.w. Man findet keine handlichen
Bezeichnungen für die Kategorien. Die Begriffe sind
zwangsläufig unpraktisch, weil sie eben nicht mehr
angemessen für jeden
einzelnen Problembereich sind.
Im Endeffekt stellt sich die Frage,
- ob man mit einer einzigen, universellen
Klassifizierung auskommt, z.B. Mann, Frau, sonstig, oder
- ob man je nach Anwendungskontext
unterschiedliche Geschlechtsbegriffe bzw.
Klassifizierungen braucht.
Pragmatisch gesehen ist man in der Vergangenheit mit einer
universellen Klassifizierung ausgekommen, die nur in
Ausnahmefällen unangemessen war. Da die "sonstigen" bei der
heute vorherrschenden
Opferstatus-Doktrin die
moralische Oberhoheit haben, sind solche einfache Lösungen
politisch kaum noch durchsetzbar.
Wenn man aber verschiedene Geschlechtsbegriffe und
zugehörige Klassifizierungen benutzt, dann
muß man auch
die einzelnen Geschlechter bei jeder Klassifizierung anders
benennen, sonst entsteht ein Kommunikationschaos.
Ein solches Kommunikationschaos wird seit einiger Zeit
erzeugt durch Trans-Aktivisten (unterstützt von
feministischen Parteien), die Geschlechtsbegriffe und
zugehörige Klassifizierungen, die auf den Bedarf dieser sehr
speziellen Gruppe angepaßt sind, als universelle
Geschlechtsbegriffe für alle Problembereiche durchzusetzen,
obwohl sie für andere Problembereiche (z.B. Medizin,
Biologie, Recht usw.) völlig ungeeignet sind. Ob diese
Begriffe auch dort durchgesetzt werden, wo sie völlig
unbrauchbar sind, ist i.w. eine Machtfrage.
Anmerkungen
(1) Es gibt eine Seite Geschlecht,
diese ist aber nur ein Verteiler auf "echte" Einträge, in
denen Begriffe erklärt werden.
(2) In der Biologie interessiert man sich für Lebensformen,
die langfristig existieren, die sich also reproduzieren
können. Insofern sind die Reproduktionsmechanismen einer
Spezies ein zentrales Thema. Beim homo sapiens (und bei
allen anderen höheren Lebewesen, namentlich Säugetieren) ist
die Fortpflanzung zweigeschlechtlich, wobei je ein
Geschlecht als Ei- bzw. Samenproduzent fungiert. Diese
beiden Geschlechter haben jeweils eine eigene Evolution
durchlaufen und waren und sind völlig unterschiedlichen
Selektionsdrücken ausgesetzt (dies gilt als Hauptgrund für
die hohe Entwicklung solcher Spezies), müssen also getrennt
betrachtet werden.
(3) Frauen haben zahlreiche
Sonderrechte. Ggf. muß man innerhalb der Kategorie
Frauen weiter unterscheiden nach Müttern und Nichtmüttern.
Bei Personen mit Meldegeschlecht "divers" ist unklar, ob sie
die Privilegien von Frauen beanspruchen können. Daher kann
man "Nicht-Frau" nicht einfach als männlich oder divers
definieren.
(4) Man könnte hier auch von einem
"Verpartnerungsgeschlecht" reden. Der Begriff "sexuelle
Orientierung" wird oft in diesem Sinne benutzt, oft auch mit
anderen Bedeutungen.
Übersicht über die
Hauptbegriffe
Hauptbegriff "Geschlecht"
Wir führen zunächst als kompakte Übersicht einige
Hauptbegriffe ein.
Merkmal: Geschlecht
Wir verstehen in diesem Glossar "Geschlecht" als ein i.d.R.
nominalskaliertes Merkmal von Personen. Dies entspricht dem
allgemeinen Sprachgebrauch, in dem Aussagen der Form "Person
X hat Geschlecht Y" vorkommen.
Ob es 2, 67 oder 25000 "Geschlechter", also genauer gesagt
Ausprägungen des Merkmals Geschlecht, gibt, ist hier
unwesentlich. Entscheidend ist, daß man die Skaleneinträge,
also "die Geschlechter", benennen und jedem Individuum einen
Skalenwert zuordnen kann. Auf die Frage, warum man die
Geschlechter so und nicht anders definiert hat und welche
Folgen sich aus der Defintion ergeben, gehen wir
hierzunächst nicht ein, sondern erst
später.
Bestimmung des Geschlechts eines Individuums
Wenn man einen Geschlechtsbegriff postuliert, steht man vor
der Frage, wie man das Geschlecht eines beliebigen
Individuums bestimmt. Hierzu müssen eindeutig bestimmbare
Kriterien bzw. konkrete "Meßverfahren" angegeben
werden, in denen meßbare Eigenschaften eines Individuums
vermessen werden, deren Ergebnisse dann zu der
Klassifizierung "Geschlecht X" führen.
Eigenschaften, die zur Geschlechtsbestimmung benutzt werden,
nennen wir i.f. (definitorische)
Geschlechtsmerkmale.
Geschlechtsbegriffe, zu denen kein konkretes Verfahren
abgegeben wird, wie das Geschlecht eines Individuums
bestimmt wird, sind suspekt und definitorisch unsauber. Sie
sind insofern sinnlos, als man sie in der Praxis nicht
verwenden kann.
Klassifizierung von
Geschlechtsmerkmalen anhand der Meßmethode
Man kann anhand der Meßmethode folgende Arten von
Geschlechtsmerkmalen unterscheiden:
- biologische Merkmale, deren Ausprägungen
mit medizinisch/biologischen Verfahren bestimmt werden,
- psychische Merkmale, deren Ausprägungen
mit psychologischen Untersuchungsmethoden bestimmt werden,
- soziale Verhaltensmerkmale, deren
Ausprägungen durch Beobachtung sozialer Interaktion mit
anderen Personen bestimmt werden.
Psychische und soziale Merkmale sind nicht völlig sauber
getrennt. Beide bedingen in vielen Fällen eine zusätzliche
Klassifizierung aller Individuen anhand biologischer
Geschlechter, d.h. Individuen werden anhand von psychischen
bzw. sozialen
und biologischen Merkmalen
klassifiziert. Daher stellen wir weiter unten zunächst
biologische Geschlechtsmerkmale und darauf basierende
Geschlechtsbegriffe vor, danach erst die psychischen und
sozialen Geschlechtsmerkmale und Geschlechtsbegriffe.
Geschlechtsbegriffe, die sich auf biologische, psychische
bzw. soziale Merkmale beziehen, werden weiter unten
als biologische, psychische
bzw. soziale Geschlechtsbegriffe bezeichnet.
Klassifizierung von Geschlechtsmerkmalen
anhand der Relevanz für die Reproduktion
Eine weitere bekannte Klassifizierung von
Geschlechtsmerkmalen unterscheidet zwischen primären,
sekundären und tertiären Geschlechtsmerkmalen. Das
Hauptkriterium hierbei ist die Relevanz der Merkmale für die
Reproduktion der Spezies:
-
Primäre Geschlechtsmerkmale sind unverzichtbar für
die (natürliche, nicht medizintechnische) Reproduktion.
Beispiele sind z.B. Vulva, Vagina, Ovarien, Uterus, Hoden
und Penis. Sie sind schon bei der Geburt vorhanden.
Die primären Geschlechtsmerkmale sind ausnahmslos
biologische Geschlechtsmerkmale.
-
Sekundäre Geschlechtsmerkmale entstehen teilweise
erst im Rahmen der Geschlechtsreife (Pubertät). Beispiele
sind die weibliche Brust und der männliche Bartwuchs. Sie
sind i.d.R. direkt oder indirekt (als Attraktivitätsmerkmal
bei der Partnerfindung) beteiligt an der Reproduktion, aber
nicht zwingend notwendig.
Die sekundären Geschlechtsmerkmale sind überwiegend
biologische Geschlechtsmerkmale, wegen der unscharfen
Abgrenzung werden aber auch psychische Geschlechtsmerkmale
dazu gezählt.
-
Tertiäre Geschlechtsmerkmale sind alle sonstigen
Geschlechtsmerkmale. Hierzu werden i.d.R. auch psychische
oder soziale Geschlechtsmerkmale gezählt, die erlernt werden
und nicht biologisch bestimmt sind.
Der Sinn von Geschlechtsbegriffen
Anmerkungen zum (Meta-) Begriff "Geschlechtsmerkmale"
Geschlechtsmerkmale sind allgemein gesagt Eigenschaften von
Personen, die bei der Bestimmung des Geschlechts benutzt
werden. Die Frage stellt sich hier, wann ist eine
Eigenschaften von Personen ein Geschlechtsmerkmal?
Hierzu sind zwei Ansätze vorhanden:
- Beim definitorischen Ansatz ist
eine Eigenschaften dann ein Geschlechtsmerkmal, wenn sie in
der Geschlechtsdefinition als Kriterium verwendet wird.
Warum die Erfinder der Definition dieses Kriterium
verwendet haben, bleibt offen bzw. ist unwichtig. Ggf. ist
diese Frage Gegenstand einer separaten Begründung der
Sinnhaftigkeit der Definition.
- Beim empirischen Ansatz ist eine
Eigenschaften dann ein Geschlechtsmerkmal, wenn sich "die
Geschlechter" (hier im Sinne der Kollektive der Personen, die
ein Geschlecht X haben) in dieser Eigenschaft deutlich
unterscheiden. Beispielsweise kommt Bartwuchs zwar auch bei
Frauen vor, aber in weitaus geringerem Ausmaß und
statistisch seltener als bei Männern, daher ist Bartwuchs
ein Geschlechtsmerkmal.
Der empirische Ansatz ist weit verbreitet und liegt u.a. der
Klassifizierung in primäre, sekundäre und tertiäre
Geschlechtsmerkmale zugrunde, insb. bei der Frage, welche
menschliche Eigenschaften alle sekundäre bzw. tertiäre Merkmale
sind.
Der empirische Ansatz führt allerdings zu einem
Definitionszyklus, er bezieht sich indirekt auf sich
selbst und ist insofern eine Fehlkonstruktion. Er
unterstellt, daß man bereits vor der Bestimmung, ob eine
menschliche Eigenschaft ein Geschlechtsmerkmal ist, die
Kollektive der Personen, die ein Geschlecht X haben,
gebildet hat. Man bestimmt nämlich für jedes Kollektiv die
Menge der Ausprägungen der Eigenschaft und vergleicht diese
Mengen von Ausprägungen - wenn sie unterschiedlich snd, dann
ist es ein Geschlechtsmerkmal. Die hier beobachtbaren
Unterschiede, z.B. beim Bartwuchs, wurden aber schon vorher
bei der Bestimmung der Kollektive verwendet.
Ein Geschlechtsmerkmal ist offensichtlich unbrauchbar, wenn
seine Ausprägungen bei den Geschlechterkollektiven, die mit
Hilfe dieses Merkmals gebildet werden, nicht verschieden
sind.
Das gilt auch für den definitorischen Ansatz. Wir können
also festhalten, daß nur Eigenschaften Geschlechtsmerkmale
sein können, die in diesem Sinne brauchbar sind, also
tatsächlich zum Klassifizieren der Individuen beitragen.
Diese Bedingung ist notwendig, aber
nicht
hinreichend.
Anwendungsbezogenheit des Geschlechtsbegriffs
Der potentielle definitorische Zyklus zwischen den Begriffen
Geschlecht und Geschlechtsmerkmal führt zu der generellen
Frage, welcher der beiden Begriffe der wichtigere, primäre
ist.
Offensichtlich ist der Begriff Geschlecht wichtiger, denn
die damit einhergehende Klassifizierung von Personen hat
einen realen Zweck, s. obige Liste von Anwendungskontexten.
D.h. man landet wieder bei der
schon
oben diskutierten Sinnfrage: Warum unterscheidet man
Geschlechter und wozu benutzt man die Klassifizierung.
Die Gestaltung von Geschlechtsdefinitionen und die Auswahl
der darin benutzten Geschlechtsmerkmale müssen sich an
diesem Anwendungskontext orientieren.
Eine herausragende Stellung nehmen hier die biologischen
Geschlechter ein, weil sie für existenzielle Probleme wie
Fortpflanzung und sehr viele universelle alltägliche
Probleme wie z.B. passende Kleidung relevant und
unverzichtbar sind und erprobte Lösungen anbieten. Alle
anderen Geschlechtsdefinitionen adressieren Probleme, die
viel unklarer sind und die oft nur in speziellen Kulturen
auftreten.
Biologische Geschlechtsmerkmale
Physische bzw. biologische Merkmale sind
Merkmale, die mit medizinisch/biologischen Verfahren im
Körper von Personen meßbar sind und die keine Beobachtung
des Verhaltens einer Person oder sogar Kommunikation mit
einer Person erfordern; diese werden weiter unterteilt in:
- physische unbelebte Merkmale,
die ggf. schon anhand einer Gewebeprobe oder auch an einer
Leiche oder einem Embryo bestimmt werden können.
Beispiele:
- innerhalb von Zellen: Chromosomen, darauf
befindliche Gene
- im Körper: Geschlechtsorgane,
Hormonkonzentrationen, geschlechtstypische anatomische
Formen von Körperteilen etc.
- physische belebte Merkmale, die nur an
einer lebenden Person beobachtet und gemessen werden
können, i.d.R. als Reaktion auf äußere Reize. Beispiele:
- körperliche, unterbewußte Reaktionen auf
sexuelle Reize, z.B. Erektionen (s. sexuelle Attraktion)
- Hormonausstoß in Streßsituationen,
- geschlechtsspezifischer Stoffwechsel,
- Informationsverarbeitung im Gehirn
Die Ausprägungen der biologischen Merkmale sind von Natur
aus vorgegeben und nicht konstruierbar: man kann keine
Menschen mit 3 Y-Chromosomen, 4 Brüsten oder 5 Beinen
"konstruieren". Eventuelle Mutationen können zwar bei
Individuen auftreten, diese sind aber - sofern überhaupt
lebens- und fortpflanzungsfähig - i.a. nicht vererbbar,
für biologische Klassifikationen daher irrelevant.
Die konkrete Ausprägung fast aller biologischen Merkmale
ist bei einem Individuum nicht änderbar (geschlechtsändernde
Maßnahmen bei sexuellen Transitionen betreffen nur einen
Bruchteil aller biologischen Merkmale).
Biologische Geschlechter und Geschlechtsbegriffe
Merkmal: biologisches Geschlecht
Das biologisches Geschlecht ist eine biologische
Eigenschaft von Personen. "Biologisches Geschlecht" ist
wiederum nur Oberbegriff für mehrere konkretere
Definitionen, auf die wir
später ausführlich eingehen.
Diese Definitionen beruhen alle auf biologischen Merkmalen
(belebten oder unbelebten).
Die hier benutzten biologischen Merkmale sind
nominalskaliert
(vereinzelte Mutationen sind biologisch nicht relevant).
Die Bildung von Kategorien bzw. Geschlechtern anhand der
einzelnen möglichen Ausprägungen ist bei nominalskalierten
Merkmalen trivial: jede Merkmalsausprägung definiert eine
Kategorie. Eine eigene "kreative" Kategorienbildung wird
hier nicht benötigt.
Als Synonym für "biologisches Geschlecht" wird oft
"
Sex" (mit Verweis auf das gleichlautende englische
Wort) angegeben. "Sex" wird allerdings im Alltag als
Bezeichnung für beliebige sexuelle Aktivitäten verstanden,
ferner im Kontext des Fachs Biologie oft als die sehr
spezielle Aktivität, eine Ei- und eine Samenzelle
zusammenzubringen. Wir werden die Bezeichnung "Sex" daher
weitgehend vermeiden.
Merkmal: wahrgenommenes biologisches
Geschlecht
Das wahrgenommene biologische Geschlecht ist eine
Eigenschaft von Personen. Im Unterschied zum "präzisen"
biologischen Geschlecht, dessen Merkmale ggf. nur durch
medizinisch/biologische Analysen und entsprechende
Technik, dann aber recht präzise gemessen werden können,
handelt es sich hier um das Ergebnis der Klassifikation
von Personen anhand von biologischen Körpermerkmalen, die
mit
menschlichen Sinnesorganen, also durch Menschen
und deren Möglichkeiten zur Informationsverarbeitung
wahrnehmbar sind.
Während die diversen biologischen Geschlechtsbegriffe
durchweg nominalskalierte Merkmale sind, sind die
Ausprägungen des wahrgenommenen biologischen Geschlechts
linguistische Terme, können also verschiedene Grade des
Zutreffens haben.
Der Begriff "wahrgenommenes biologisches Geschlecht" wird
vor allem für die Definition der Begriffe
sexuelle Attraktion und
sexuelle Identität benötigt.
Psychische Geschlechtsmerkmale
Psychische Geschlechtsmerkmale sind Merkmale der
Psyche einer Person, die nur mit psychologischen
Untersuchungsmethoden bestimmt werden können (daß diese
Untersuchungsmethoden tw. als sehr unzuverlässig gelten,
spielt hier keine Rolle, mit medizinisch/biologischen
Untersuchungsmethoden sind diese Merkmale jedenfalls nicht
meßbar, es sind auch keine originär sozialen
Verhaltensmerkmale).
Psychische Geschlechter und Geschlechtsbegriffe
Merkmal: sexuelle Identität (geschlechtliches
Selbstkonzept)
Unter
sexueller Identität (oft auch als
"
Geschlechtsidentität" bezeichnet) versteht man das
"Geschlecht", dem sich ein Individuum selber zuordnet, als
das es sich empfindet, das es sein will.
Die sexuelle Identität ist also eine geschlechtsbezogene
Eigenschaft von Menschen, genauer gesagt ein psychisches bzw.
mentales Geschlechtsmerkmal (im Gegensatz zu biologischen und
sozialen Geschlechtsmerkmalen).
Auf den Begriff sexuelle Identität bauen die Begriffe
Transidentität, Transsexualität und Transgender auf. Mehr
hierzu auf der
separaten Seite
"Sexuelle Identität".
Besondere praktische Relevanz haben diese Begriffe im Rahmen der
in vielen Staaten hegemonialen politischen Machtposition von
Trans-Aktivisten gewonnen.
Soziale Geschlechtsmerkmale
Soziale Verhaltensmerkmale sind
Merkmale der Interaktion mit anderen Personen, können also
nur in einem sozialen Umfeld auftreten. Wegen der
uferlosen Menge an Details, die man bei sozialen
Interaktionen beobachten kann, handelt es sich hier i.d.R.
um stark abstrahierende Muster, die nur einzelne, mehr
oder weniger willkürlich gewählte Aspekte betreffen. Ein
bestimmtes Verhaltensmuster kann bei der gleichen Person
mehr oder weniger regelmäßig und unterschiedlich stark
ausgeprägt auftreten.
Definitorische Probleme sozialer
Geschlechtsmerkmale
Die psychischen und vor allem die sozialen
Geschlechtsmerkmale haben zwei prinzipielle definitorische
Probleme:
1.
Korrelation mit biologischen Merkmalen:
Viele wichtige psychische und soziale Merkmalsausprägungen
korrelieren stark mit biologischen Merkmalsausprägungen; es ist
plausibel, die biologischen Merkmalsunterschiede als Ursache der
psychischen bzw. Verhaltensunterschiede anzusehen, die dann also
keine originären Merkmale sind. Beispiele:
- direkt oder indirekt mit reproduktiven Vorgängen
(Gebären, Stillen etc.) zusammenhängendes Verhalten
- durch unterschiedliche Körpermerkmale (z.B. Kraft)
begründete Verhaltensunterschiede
- durch sexuelle Attraktion begründete Verhaltensunterschiede gegenüber
Personen eigenen bzw. anderen Geschlechts
- intrasexuelle
Konkurrenz, also Konkurrenzverhalten und -Kämpfe zwischen
Angehörigen desselben Geschlechts; diese spielen eine zentrale
Rolle bei der intrasexuellen Selektion, die bei allen sexualdimorphen
Lebewesen zu beobachten ist und die daher als grundlegender
biologischer Wirkmechanismus anzusehen ist. Die intrasexuelle
Konkurrenz ist komplementär zur heterosexuellen sexuellen
Attraktion, allerdings nicht ohne weiteres physisch meßbar und
wird daher hier als Verhaltensmerkmal klassifiziert.
- Unterschiede bei den grundlegenden Charaktermerkmalen
wie z.B. im Big
Five-Modell
2.
Vorhergehende biologische Klassifikation:
Vor allem die sozialen Geschlechtsmerkmale unterstellen
regelmäßig eine vorherige biologische Klassifikation aller
Individuen als Männer bzw. Frauen, i.d.R. anhand des
wahrgenommenen biologischen Geschlechts.
Verhaltensmerkmale werden üblicherweise nur dann als soziale
Geschlechtsmerkmale verstanden, wenn ihre Ausprägungen bei
Männern und Frauen statistisch signifikant verschieden verteilt
sind. Wenn man nicht zuerst die Population nach dem
biologischen Geschlecht klassifizieren würde, könnte man diese
Statistiken gar nicht bilden.
Soziale Geschlechter und
Geschlechtsbegriffe
Merkmal: Gender
Mehrere Verwendungen des Begriffs "Gender" kann man als
mißbräuchlich bzw.
populistisch ansehen. Wenn wir von diesen Verwendungen absehen,
dann wird der Begriff "Gender" sehr oft informell als soziales
Analogon zum biologischen Geschlecht definiert, also als
Klassifikation von Personen anhand von sozialen,
geschlechtsspezifischen Verhaltensmerkmalen (und implizit i.d.R.
einer vorhergehenden biologischen Klassifikation). Dieser
Definitionsansatz zur Bildung von Geschlechtskategorien scheitert
in der Praxis aber regelmäßig an der
unüberschaubaren Menge von
Verhaltensarten.
Abweichend von dem vorstehenden empirischen Gender-Begriff
wird "Gender" in großen Teilen der feministischen
Literatur als sozialer Wirkmechanismus definiert, der
geschlechtsspezifisches Sozialverhalten
erzeugt
(mehr dazu
hier).
Beide Begriffe sind insofern
soziologisch, als sie
von Sozialverhalten handeln und in erster Linie mit
soziologischen Methoden beschrieben und untersucht werden
müssen.
Biologische Geschlechtsbegriffe
im Detail
Grundlegende biologische Geschlechtsbegriffe
Merkmale von biologischen Geschlechtsbegriffen
Die grundlegenden biologischen Geschlechtsbegriffe beruhen
alle auf Körpermerkmalen, die
für die Reproduktion
relevant sind, weil sie dort eine wesentliche, teilweise
unverzichtbare Funktion haben. Die Ausprägungen dieser
Merkmale sind durchweg
- objektiv meßbar (diagnostizierbar)
- in einigen besonders wichtigen Fällen diskret,
also ein Wert aus einer endlichen Menge möglicher Werte,
- nicht auf natürlichem Wege änderbar
(Veränderungen durch Unfälle, Operationen oder sonstige
Eingriffe werden hier nicht betrachtet)
Geschlechtsdetermination
Den Prozeß der Ausbildung der biologischen
Geschlechtsmerkmale nennt man
Geschlechtsdetermination. Beim Menschen ist die
Geschlechtsdetermination grundsätzlich genetisch bzw.
chromosomal gesteuert.
Hierbei sind folgende Abschnitte wesentlich:
- Zunächst ist im Embryo nur das chromosomale
oder genetische Geschlecht manifestiert. Entscheidend
hierfür ist der Hoden-determinierende Faktor. Dies ist ein Protein,
welches von dem SRY-Gen codiert wird. Das SRY-Gen befindet
sich normalerweise auf dem Y-Chromosom.
- Im Embryo ist anfangs nur eine
undifferenzierte Gonadenanlage vorhanden. Das
Vorhandensein des Hoden-determinierenden Faktors führt ab
der 7. Woche der Entwicklung dazu, daß sich hieraus Hoden
entwickeln. Andernfalls entwickeln sich hieraus Ovarien.
Sobald entschieden ist, welche Keimdrüse (Gonade; entweder
Eierstock oder Hoden) gebildet wird, kann man von einem
gonadalen Geschlecht reden.
- Sofern keine Störungen eintreten, produzieren
die Keimdrüsen Sexualhormone, insb. Testosteron, Östrogen
und Progesteron, in sehr verschiedenen Konzentrationen:
gonadal männlichen Embryos bzw. Menschen produzieren weitaus
mehr Testosteron als weibliche, bei Östrogen ist es
umgekehrt. Anhand der Hormonkonzentrationen kann man von
einem hormonellen Geschlecht reden.
- Die Sexualhormone steuern ihrerseits an vielen
Stellen die weitere Entwicklung des Embryos und später des
Menschen und führen zur Ausbildung eines männlichen oder
weiblichen Phänotyps, der sich in primären,
sekundären und tertiären Geschlechtsmerkmalen darstellt.
- Schon bei der Geburt vorhanden sind die primären
Geschlechtsmerkmale. Hierzu zählen die Geschlechtsorgane,
die direkt in die Fortpflanzung involviert sind, u.a.
die Vagina, die Ovarien, Uterus, Hoden und der Penis.
- Sekundäre Geschlechtsmerkmale bilden sich erst
nach der Geschlechtsreife aus, z.B. die weibliche Brust
oder männlicher Bartwuchs. Sie sind nicht direkt notwendig
für die Fortpflanzungsfähigkeit, sie sind aber relevant
für die sexuelle Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit
sowie die Kinderaufzucht.
(Anmerkung: der Begriff "Merkmal" wird hier oft nicht im
normalen Sinn benutzt - ein Merkmal im Sinne einer
Eigenschaft ist bei allen Individuen vorhanden - sondern
steht für eine Eigenschaft mit den Ausprägungen
"vorhanden" und "nicht vorhanden"; bei der Ausprägung
"vorhanden" sagt man, das Merkmal sei vorhanden.)
Zu den tertiären Geschlechtsmerkmalen zählen körperliche
Merkmale, die nicht zu den primären und sekundären
Geschlechtsmerkmalen gehören, sowie geschlechtstypische
Verhaltensmerkmale.
Fortpflanzungsfähigkeit
Die vorstehenden detaillierten Geschlechtsbegriffe sind in
den meisten Kontexten uninteressant: Entscheidend ist in
vielen Fällen alleine das Merkmal
Fortpflanzungsfähigkeit.
An dieser Stelle muß an die generelle Sichtweise der
Biologie als Naturwissenschaft erinnert werden: Die Biologie
beschreibt die verschiedenen Arten von Lebewesen, die
längerfristig auftreten, sich also reproduzieren können. Von
zentralem Interesse sind dabei die physischen Verhältnisse
und die Prozesse der Reproduktion, die ihrerseits über viele
Generationen hinweg gleichartig auftreten, und die dabei
auftretenden Rollen von Individuen.
Bei der Fortpflanzung von Menschen sind in biologischer
Hinsicht nur 2 Rollen relevant,
Eiproduzent bzw.
Samenproduzent. Voraussetzung hierfür ist das
Vorhandensein entsprechender Organe, also einer Vielzahl von
primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen. Die
Fortpflanzungsfähigkeit korreliert sehr stark mit dem
Vorhandensein dieser Geschlechtsmerkmale.
Das Merkmal Fortpflanzungsfähigkeit, das man auch als
reproduktives Geschlecht bezeichnen kann, ist somit
diskret, nominalskaliert und hat 3 Werte:
"fortpflanzungsfähig (Mann)", "fortpflanzungsfähig
(Frau)", "nicht fortpflanzungsfähig".
"Männlich" und "weiblich" als linguistische
Terme
"Männlich" und "weiblich" werden fast immer im Sinne von Ei-
bzw. Samenproduzent oder, dazu fast identisch, im Sinne von
fortpflanzungsfähig in der Rolle als Mann bzw. Frau
verstanden.
Es handelt sich hier nicht um einen einzelnen Meßwert, den
man an einer Person vermessen könnte, sondern um eine
Kombination diverser primärer und sekundärer
Geschlechtsmerkmale, die "starke Indizien" für ein
bestimmtes Geschlecht sind. Daher sollte man diese
Ausprägungen des biologischen Geschlechts besser als
linguistische Terme ansehen. Von den beiden Termen trifft
bei fast allen Personen einer der beiden Terme in sehr hohen
Ausmaß zu und der andere in sehr geringem Ausmaß, diese
Fälle sind sozusagen "eindeutig".
In seltenen Fällen trifft keiner der beiden Terme in hohem
Ausmaß zu. Bezeichnungen wie "drittes Geschlecht" oder
"intersexuell" kann man negativ definieren als die
restlichen Fälle, die nicht eindeutig sind. Dies ist aber
wenig intuitiv, und ob man hier einen linguistischen Term
mit einer intuitiv einleuchtenden fuzzy-Definition bilden
kann, ist nicht ganz klar.
Literatur zu biologischen und psychologischen
Geschlechtsunterschieden
Die Literatur über menschliche Geschlechtsunterschiede -
wovon die meisten tertiäre Geschlechtsmerkmale betreffen -
ist kaum überschaubar. Eine extrem umfangreiche
Metastudie, die rund 18000 Einzelpublikationen abdeckt,
ist
Geary (2009).
Weitere kompaktere Listen von Unterschieden und
zugehörigen Publikationen finden sich in den
anschließenden Quellenangaben.
Die meisten Details sind für die Zwecke dieses Glossars
nicht relevant, weil sie nicht von Menschen wahrnehmbar
sind.
1. Metastudien und Übersichtslisten
2. Monographien, Lehrbücher
3. Sonstige
- Roy F. Baumeister: Is There Anything Good About Men? - Invited Address,
American Psychological Association. denisdutton.com, 24.08.2007.
- Doris Bischof-Köhler: Von Natur aus anders.
"Die kleinen Helden" aus evolutionärer Perspektive. Vortrag in der Evangelischen Akademie, Loccum, 12.11.2004. https://www.bischof.com/mat/bischof-koehler_loccum.pdf
Wahrgenommenes biologisches Geschlecht
(Phänotyp)
Wahrnehmbare biologische Geschlechtsmerkmale
Viele biologische Geschlechtsmerkmale einer Person sind
für andere Personen mit deren Sinnesorganen
nicht
wahrnehmbar, z.B. Gene, Hormonpegel, innenliegende primäre
Geschlechtsorgane etc.
Mit menschlichen Sinnesorganen (also vor allem optisch
oder akustisch)
wahrnehmbare biologische
Geschlechtsmerkmale sind vor allem sekundäre und
tertiäre Geschlechtsmerkmale, z.B. Körpergröße,
Körperform, weibliche Brust, Bartwuchs bzw. allgemeiner
Behaarung, Gesichtszüge, Stimmlage u.v.a.
Die Ausprägungen der wahrnehmbaren biologischen
Geschlechtsmerkmale korrelieren sehr stark untereinander
(weibliche Brust vorhanden korreliert stark mit kein Penis
vorhanden und hohe Stimme) und mit dem gonadalen
Geschlecht.
Wahrnehmbare biologische Geschlechter
Mathematisch kann man diese wahrnehmbaren Merkmale als
Dimensionen eines Vektorraums auffassen. Wenn man eine
repräsentative Menge von Personen als Vektoren in diesem
Vektorraum abbildet, findet eine
Clusteranalyse zwei große Cluster, die den
klassischen biologischen Geschlechtern Mann und Frau
entsprechen.
Ein
Cluster (Synonym:
Ähnlichkeitsgruppe)
ist eine Gruppe von Vektoren, die untereinander sehr
ähnlich sind und unähnlich zu Vektoren außerhalb des
Clusters sind. Eine Clusteranalyse findet solche
Ähnlichkeitsgruppen (im Gegensatz dazu geht eine
Klassifizierung von vorher bekannten Klassen und
deren Beschreibung aus und ordnet Individuen den Klassen
zu). Eine Clusteranalyse wird daher auch als
automatisierte Klassifizierung bezeichnet. Die
Anzahl der gefundenen Cluster liegt nicht vorab fest,
sondern hängt vom Datenbestand ab. Die gefundenen Cluster
haben zunächst keine Namen und müssen, sofern daran
Interesse besteht,
nachträglich benannt werden,
d.h. soziale bzw. linguistische Einflüsse sind bei der
Bildung der Cluster ausgeschlossen, während die konkreten
Bezeichnungen zufällig oder sozial beeinflußt bestimmt
werden.
Die beiden vorgefundenen Cluster korrelieren sehr stark
mit der Fortpflanzungsfähigkeit in der Rolle als
Eiproduzent ("Frau") bzw. Samenproduzent ("Mann"), der
eigentlich interessanten Eigenschaft für Individuen, die
einen Partner zur Fortpflanzung suchen.
Diese beiden Cluster werden ebenfalls oft mit den
linguistischen Termen "männlicher Phänotyp" und
"weiblicher Phänotyp" bezeichnet. Unter
Phänotyp oder Erscheinungsbild versteht man die
kombinierten Ausprägungen aller Geschlechtsmerkmale in
ihrer Gesamtheit, wobei das "-typ" in Phänotyp andeutet,
daß hier nicht Einzelfälle gemeint sind, sondern
Ähnlichkeitsgruppen. Beim Begriff Phänotyp werden auch
Verhaltensmerkmale einbezogen. Wir beschränken uns hier
auf biologische (anatomische) Merkmale (die nicht sozial
beeinflußbar sind und die im Alltag von anderen Menschen
sofort erkannt werden können) und nennen diese in ihrer
Gesamtheit
anatomischen Phänotyp oder
wahrnehmbares biologisches Geschlecht.
Durch eine Clusteranalyse werden automatisch auch
Dimensionen, also hier einzelne Merkmale von Menschen,
identifiziert, in denen die Ähnlichkeitsgruppen
signifikant andere Werteverteilungen haben. Dies führt zu
diversen linguistischen Termen der Form
"typisch
männliches/weibliches X", worin X eines der meßbaren
Merkmale ist, z.B. Körpergröße, Taille-Hüfte-Verhältnis
usw.
Durchführung von Clusteranalysen
Clusteranalysen werden in allen möglichen Kontexten
durchgeführt und sind im Prinzip mathematische Verfahren, die
beliebige Rohdaten nach Ähnlichkeitsgruppen durchsuchen.
Clusteranalyse ist allerdings auch eine grundlegende
menschliche Intelligenzleistung: sie beruht auf der
Fähigkeit, beliebige Phänomene zu vergleichen,
Ähnlichkeiten zu erkennen und ähnliche Beobachtungen zu
gruppieren. Alle biologischen Klassifikationssysteme
beruhen auf Clusteranalysen real vorgefundener
Lebensformen. Sogar Kinder können schon mit ca. 2 Jahren
Erwachsene als Männer und Frauen klassifizieren, d.h.
diese Intelligenzleistung ist nicht durch Schulung oder
andere soziale Einflüsse erlernt worden, sondern von Natur
aus vorhanden und verläuft oft unbewußt, z.B. bei der
Bildung von Stereotypen.
Sexualdimorphismus
Die Spezies Mensch (homo sapiens) ist
sexualdimorph, d.h. die geschlechtsreifen männlichen
bzw. weiblichen Individuen weisen deutliche Unterschiede in
der Gestalt, Physiologie (z.B. Lactation), Rolle bei der
Fortpflanzung usw. auf.
Der Begriff Sexualdimorphismus unterstellt bereits, daß die
Individuen der Spezies in Ei- und Samenproduzenten
klassifiziert werden können.
Es gibt mehrere Definitionen für den Begriff, fast immer
bezieht man sich darin ausschließlich auf sekundäre
Geschlechtsmerkmale, in denen sich die beiden
"Gestalt(ung)en" unterscheiden sollen. Die primären
Geschlechtsmerkmale sind nämlich i.d.R. nicht mit den Sinnen
der Spezies erkennbar (was zur Frage führt, ob Penis und
Vulva primäre oder sekundäre Geschlechtsmerkmale sind). Dies
ist weitgehend konsistent mit dem Begriff der wahrnehmbaren
biologischen Geschlechter.
Der Begriff Sexualdimorphismus ist insgesamt wenig hilfreich
bei der Diskussion, ob es zwei oder mehr Geschlechter gibt
und welche menschlichen Eigenschaften Geschlechtsmerkmale
sind.
Sexuelle Attraktion
Androphilie und GynophilieSexuelle Attraktion als
InformationsverarbeitungIst "sexuelle Attraktion" ein grundlegender
oder aufbauender Begriff?Hetero- und HomosexualitätZusammenfassung und Konsequenzen
Androphilie und Gynophilie
Sexuelle Attraktion ist ein gut beobachtbares
Merkmal von erwachsenen (geschlechtsreifen) Menschen. Man
bildet typischerweise zwei grundlegende linguistische
Terme, um die "sexuelle Angezogenheit" zu klassifizieren:
Weit gefaßt drücken beide Begriffe aus, daß jemand Männer
bzw. Frauen als "schön", "anziehend" oder "erregend"
empfindet, genereller gesagt als attraktiv hinsichtlich
seiner romantischen, emotionalen und sexuellen Interessen.
In einem engeren Sinne löst Sicht- oder Körperkontakt mit
Männern bzw. Frauen, also Trägern des attraktiven
Phänotyps, eine medizinisch meßbare sexuelle Erregung aus,
z.B. Erektionen (Penis, Brustwarzen) oder
Hormonausschüttungen.
Sexuelle Attraktion darf nicht verwechselt werden mit dem
Begriff "sexuelle Attraktivität"; diese ist ein Merkmal
der anderen Person, die die Attraktion auslöst.
Die Begriffe androphil bzw. gynophil sind insofern
linguistische Terme, als das Ausmaß ihres Zutreffens
erheblich schwanken kann.
Beide Merkmale können bei einer Person zugleich zutreffen,
die dann als "bisexuell" bezeichnet wird. Wenn eines der
beiden Merkmale nur sehr schwach ausgeprägt ist,
manifestiert es sich i.a. nicht durch Verhalten und wird
auch subjektiv nicht wahrgenommen. Gleichzeitige Androphilie
und Gynophilie in medizinisch meßbarer Stärke tritt nur sehr
selten auf (s.
Statistische Häufigkeit von Bisexualität in westlichen
Industrieländern).
Der weit überwiegende Normalfall ist die Attraktion nur
durch Personen des anderen Geschlechts (Heterosexualität).
ferner mit einem Anteil von ca. 1 - 3 % Attraktion nur durch
Personen des gleichen Geschlechts (Homosexualität).
Die sexuelle Attraktion manifestiert sich zwar erst während
der Pubertät in vollem Umfang, namentlich die medizinisch
nachweisbaren Effekte wie Erektionen oder
Hormonausschüttungen. Nach heutigen Wissensstand ist sie
dennoch nicht frei wählbar oder später änderbar, sondern im
Sinne einer Veranlagung biologisch bestimmt.
Sexuelle Attraktion als
Informationsverarbeitung
Sexuelle Reaktionen eines Menschen auf sexuelle Reize sind
letztlich unterbewußte Informationsverarbeitungen des
Gehirns (auf Basis der "Rohdaten" aller Sinnesorgane). Da
Männer- und Frauengehirne statistisch deutliche Unterschiede
aufweisen, geht man davon aus, daß die sexuelle Attraktion
i.w. durch Gehirnstrukturen festgelegt ist. Die genauen
Vorgänge sind aber nicht wirklich verstanden.
Unklar ist ferner, ob die androphilen bzw. gynophilen
Gehirnstrukturen
genetisch bestimmt sind oder durch
Einflüsse u.a. der Mutter auf den Fötus oder schlicht durch
Zufälle entstehen.
Konsens besteht dahingehend, daß diese Gehirnstrukturen nach
der Geburt nicht mehr auf natürlichem Weg änderbar sind.
Dieser Wissensstand wird vor allem aus ideologischen Motiven
von radikalkonservativen bzw. religiös geprägten und von
radikalfeministischen Akteuren attackiert: die einen würden
gerne Homosexuelle von ihrer "unnatürlichen" sexuellen
Attraktion "heilen", die anderen die Heterosexuellen aus
ihrer heterosexuellen Matrix "befreien".
Unter der Annahme, daß die sexuelle Attraktion biologisch
festliegt, ist an der Hetero- und Homosexualität besonders
bemerkenswert, daß eines der beiden wahrnehmbaren
biologischen Geschlechter
keine Attraktion auslöst
und somit bei der Wahrnehmung anderer Personen deren
Geschlechter
unterschiedliche Wirkungen erzeugt.
Dies bedingt wiederum,
- daß die Fähigkeit vorhanden sein muß, andere
Menschen anhand der wahrnehmbaren biologischen
Geschlechtsmerkmale in die beiden Hauptcluster Männer und
Frauen zu klassifizieren - dies ist eine elementare
Intelligenzleistung;
- daß es biologisch fixiert ist, welche
Ausprägungen von wahrnehmbaren biologischen
Geschlechtsmerkmalen "attraktiv" (Attraktion auslösend)
sind.
D.h. sowohl die Unterscheidungsfähigkeit als auch das
"Schönheitsempfinden" sind biologisch verankert, beide
brauchen nicht erlernt zu werden und können im Normalfall
nicht verlernt oder unterdrückt werden.
Die Fähigkeit, andere Individuen anhand der wahrnehmbaren
biologischen Geschlechtsmerkmale als geeigneten oder
ungeeigneten Partner zur Fortpflanzung (oder andernfalls
als intrasexuellen Konkurrenten) einzuschätzen, ist
offensichtlich sehr wichtig, um den eigenen
Reproduktionserfolg sicherzustellen. Insofern ist es
plausibel, daß diese Fähigkeit gut ausgeprägt ist.
Ist "sexuelle Attraktion" ein grundlegender
oder aufbauender Begriff?
Die sexuelle Attraktion (alternativ die "sexuelle
Orientierung" oder ähnliche Begriffe) wird oft als
grundlegender Begriff bzw. grundlegendes Phänomen
zur Beschreibung von Sexualität oder
Geschlecht angesehen, insb. bei Versuchen,
Geschlechtsbegriffe auf Basis des
beobachtbaren geschlechtsspezifischen
Sozialverhaltens zu bilden.
Offensichtlich benötigt man indes schon in der Definition
von Androphilie und Gynophilie die Begriffe "Mann" und
"Frau". Bei diesen grundlegenderen Begriffen bzw.
Phänomenen kann es sich nur um die beiden wahrnehmbaren
biologischen Geschlechter handeln bzw. die Fähigkeit,
diese zu unterscheiden und verschieden darauf zu
reagieren.
Man kann allerdings fragen, ob eine Gesamtklassifikation
anderer Personen als Mann oder Frau notwendig ist oder ob
die sexuelle Attraktion schon von einzelnen beobachtbaren
Merkmalen verursacht wird. Beispielsweise wächst manchen
Männern durch eine hormonelle Störung oder als Folge einer
hormonellen Prostatakrebstherapie eine weibliche Brust.
Deswegen werden diese Männer aber von Gynophilen nicht als
sexuell attraktiv angesehen. D.h. es
müssen i.a. mehrere beobachtbare Merkmale konsistent
typisch männliche bzw. weibliche Ausprägungen haben, um
eine sexuelle Erregung bzw. Attraktion auszulösen.
Hetero- und Homosexualität
Auf dem Begriff der sexuellen Attraktion bauen zwei
weitere zentrale Begriffe auf: Hetero- und Homosexualität.
Als heterosexuell werden Personen bezeichnet, bei denen
das wahrgenommene Geschlecht, das sexuell attraktiv ist,
anders das "eigene Geschlecht" ist.
Als homosexuell werden Personen bezeichnet, bei denen das
wahrgenommene Geschlecht, das sexuell attraktiv ist, das
gleiche wie das eigene Geschlecht ist. "Homosexuell" wird
oft nur für biologische Männer verwendet, homosexuelle
Frauen werden meist als lesbisch bezeichnet.
Diese übliche Definition von Hetero- und Homosexualität
ist in mehrerer Hinsicht tückisch. Das "wahrgenommene
Geschlecht, das sexuell attraktiv ist," hat nur
Ausprägungen in Form linguistischer Terme, ist also kein
nominalskaliertes Merkmal anderer Personen. Damit sind
auch die Begriffe hetero- bzw. homosexuell unscharf und
werden am besten ebenfalls als linguistische Terme
verstanden, können also auf eine Person in verschiedenem
Grad zutreffen.
Die Definition von Hetero- und Homosexualität ist ferner
ziemlich unklar dahingehend, was das "eigene Geschlecht"
ist.
In den meisten Fällen wird darunter das biologische
Geschlecht verstanden, genauer gesagt im Sinne des
reproduktiven Geschlechts (Mann bzw. Frau). Begrifflich
führt dies zu Problemen:
- Die biologischen Geschlechter sind
nominalskaliert, sind also insb. eindeutige Merkmale, und
haben neben den häufigsten Ausprägungen "männlich" und
"weiblich" weitere Ausprägungen, die selten auftreten.
- Die wahrnehmbaren biologischen Geschlechter
haben dagegen nur zwei Hauptcluster.
Als Konsequenz sind die Begriffe Hetero- und
Homosexualität in dieser Begriffsvariante nicht sinnvoll
anwendbar in Fällen, wo das eigene Geschlecht kein
übliches biologisches Geschlecht ist.
Wenn man "eigenes Geschlecht" als wahrgenommenes
biologisches Geschlecht versteht, steht man vor dem
Problem, daß beides nur linguistische Terme sind, die mehr
oder weniger zutreffen können. Hier ist ohne zusätzlichen
definitorischen Aufwand unklar, was mit "gleichem" oder
"verschiedenem" Geschlecht tatsächlich gemeint ist,
Zusammenfassung und Konsequenzen
Für jede sexualdimorphe Spezies ist sexuelle Attraktion in
Form der Heterosexualität überlebensnotwendig. Sexuelle
Attraktion muß nicht eigens erlernt werden, sondern ist
automatisch vorhanden. Ferner ist intrasexuelle Konkurrenz
ein Standardverhalten gegenüber Individuen mit dem
gleichen wahrnehmbaren biologischen Geschlecht. Beides
impliziert, daß folgende Fähigkeiten bzw. Merkmale
biologisch angelegt und nicht abschaltbar sind:
- die Fähigkeit, anhand wahrnehmbarer
biologischer Geschlechtsmerkmale Männer und Frauen zu
unterscheiden und unterschiedlich viel Attraktion zu
empfinden, und
- eine grundsätzliche Disposition, sich den beiden
wahrnehmbaren biologischen Geschlechtern gegenüber
verschieden zu verhalten, entweder werbend, auf
sexuelle Kontakte zielend, oder konkurrierend.
Diese Disposition ist nicht zeitlich oder örtlich auf
bestimmte Kontexte beschränkt, sondern prinzipiell immer
vorhanden (ob sie sich in beobachtbarem Verhalten
manifestiert und wenn ja, welchem, hängt von vielen
weiteren Umständen ab; je ziviler eine Gesellschaft ist,
desto mehr wird "triebgesteuertes" Verhalten unterdrückt).
Sie ist aber nicht das Ergebnis sozialer Prozesse wie
andere Lernvorgänge.
D.h.
obwohl sexuelle Attraktion und die intrasexuelle
Konkurrenz in hohem Maße das Verhalten gegenüber anderen
Individuen steuern und zu geschlechtsbezogenen
Verhaltensdifferenzen führen, ist dies kein sozial
erlerntes Verhalten, und die Verhaltensdifferenzen sind
biologisch verankert.
Die Messung bzw. Feststellung der sexuellen Attraktion
kann in Laborumgebungen durch die medizinische Beobachtung
von Körperreaktionen erfolgen. Im Alltag bzw. in wenig
entwickelten Gesellschaften sind derartige relativ präzise
Messungen nicht realisierbar. Daher werden vor allem die
leicht beobachtbaren Verhaltensformen zur Messung
herangezogen, auch wenn sie relativ unsichere Ergebnisse
liefern. Der große Meßfehler solcher ungenauen Verfahren
sollte aber nicht damit verwechselt werden, daß das
beobachtete Phänomen gar nicht vorhanden ist.