Kampfbegriff "Gender"

Inhaltsübersicht

Kurzfassung

Einführung und Motivation

Soziale Geschlechtsbegriffe

Weitere Kampfbegriffe

Kurzfassung

Kurzfassung

Die Rolle und Wichtigkeit des Begriffs "Gender"
Der Begriff "Gender" ist einer der wichtigsten und zugleich unklarsten Begriffe in der Geschlechterdebatte. Er ist Bestandteil weiterer zentraler Begriffe wie "Gender Studies", "Gender Mainstreaming", Genderismus, Gender-Theorie, Gender-Stern u.a. Er wird in den verschiedenen Kontexten mit völlig verschiedenen Bedeutungen benutzt. Die Abgrenzung zum Begriff "Geschlecht" ist meistens unklar.

Obwohl also kein Konsens herrscht, was "Gender" überhaupt ist, ist es ein zentrales Dogma der feministischen Ideologie und der Gender Studies, daß "Gender" bzw. "Geschlecht" sozial, also willkürlich (um nicht zu sagen böswillig) konstruiert ist und auch anders als aktuell vorhanden konstruiert sein könnte, natürlich gemäß feministischen Wunschvorstellungen.

Die Annahme, daß Geschlechter und deren Unterschiede willkürlich sozial konstruiert sind, ist keine reine Gelehrtendebatte ganz oben im Elfenbeinturm, sondern von eminenter machtpolitischer Bedeutung. Sie ist nämlich eine entscheidende Voraussetzung für die Schlußfolgerung, die vorhandenen Verhältnisse seien vermeidbare und ungerechte Diskriminierungen von Frauen und beliebig änderbar, und hieraus weiter zu folgern, man müsse dieses Unrecht mit (grundgesetzwidrigen) Diskriminierungen von Männern kompensieren, z.B. Frauenquoten, und diverse soziale Verhaltensvorschriften aufstellen. Es muß als politische Meisterleistung anerkannt werden, die These von der sozialen Konstruktion von Geschlecht zum politischen Allgemeingut gemacht zu haben, obwohl keine klare Definition und keine konsistente Theorie des Begriffs "Gender" (und indirekt "Geschlecht") vorliegt und die oben genannten Schlußfolgerungen unhaltbar und vielfach widerlegt worden sind.

Ursachen des Begriffschaos und der Theoriedefizite
Das Begriffschaos und das Fehlen einer konsistenten Theorie beim abstrakten Begriff "Geschlecht" und beim Begriff "Gender" (im Sinne von psychologischem oder sozialen Geschlecht) gibt es eine ganze Reihe von Ursachen.

Die wichtigste Ursache dürfte sein, daß man in verschiedenen Anwendungskontexten jeweils eigene Geschlechtsbegriffe benötigt, um Personen zu klassifizieren, daß aber trotzdem versucht wird, allen Anwendungskontexten einen einzigen, ideologisch geprägten Geschlechtsbegriff aufzuzwingen. Eine Übersicht über die Arten von Geschlechtsbegriffen und deren Unterschiede findet sich auf einer eigenen Seite Der Begriff "Geschlecht".

Ebenfalls sehr wichtig ist die Rolle als Kampfbegriff.

Scheitern von "Gender" als Geschlechtsbegriff
Geschlechtsbegriffe dienen dazu, Menschen unterscheiden zu können, um sie in einem bestimmten Kontext unterschiedlich zu behandeln. "Gender" (im Sinne eines sozialen Geschlechtsbegriffs) scheitert hier. Es bleibt in der Praxis praktisch immer offen, welche Kategorien gebildet werden und welches Problem damit gelöst wird.

Einführung und Motivation

Motivation: das Begriffs-Chaos um den Begriff "Gender"

Das Begriffs-Chaos
Man sollte ja eigentlich meinen, daß Begriffe wie Geschlecht und Gender hinreichend klar sein sollten, nachdem sie seit Jahrzehnten milliardenfach benutzt werden (Google findet übrigens "Ungefähr 1.190.000.000 Ergebnisse" bei der Suche nach "Gender"). So klar sind die Begriffe aber leider nicht, schon gar nicht für Anfänger, für die diese Seiten gedacht sind.

Ist "Gender" überhaupt ein Substantiv und hat "Gender" ein grammatisches Geschlecht (Gender) oder kommt das nur als Vorsilbe vor? Kennen Sie Ihr "Gender"? Sind Sie schon mal danach gefragt worden? Welche konkreten Ausprägungen von "Gender" kennen Sie bzw. wurden in Publikationen oder Diskussionen erwähnt? Was bedeutet eigentlich "genderfluid", und kann man auch "agender" sein?

Cat: I am agender. Ask me anything you like. Dog: We all are a gender. Cat: This is disgusting! Typical entitled cis white dog behavior.
Copyright © Martin Domig

Die Begriffskonfusion führt ständig zu vielen sinn- und ergebnislosen Diskussionen in allen möglichen sozialen Medien oder auch im realen Leben: die Diskussionsteilnehmer haben unterschiedliche und oft gar keine klaren Definitionen dieser Begriffe - trotz deren Bekanntheit - und reden aneinander vorbei, ohne es zu merken.

Nun sind dies meistens Amateure und man sollte denken, bei den "Profis" sei es besser. Man steht aber vor dem überraschenden Befund, auch dort verschiedene, sich widersprechende Definitionen vorzufinden. "Gender" wird oft informell definiert als das "soziale Geschlecht" oder die "Geschlechtsrolle" (was immer das bedeuten mag) als Gegensatz zum biologischen Geschlecht. Die deutsche Wikipedia definiert damit konsistent Gender (Version von Ende 2015; die Einträge werden von einer feministischen Autorengruppe immer wieder geändert, ein weiterer Beleg für die These von der Unklarkeit des Begriffs) wie folgt:

Der Begriff Gender bezeichnet das durch Gesellschaft und Kultur geprägte soziale Geschlecht einer Person neben ihrem biologischen Geschlecht (engl. "sex"). Gender als das soziale Geschlecht ist ein historisch-gesellschaftlich gewordenes, damit variabel und veränderbar.
Es fällt auf den ersten Blick nicht auf, aber das ist keine Definition, sondern eine inhaltsleere Ausrede. Analog dazu würde man einen Dieselmotor definieren als ein Antriebsaggregat, das irgendwann erfunden und seitdem oft verändert wurde und das anders als ein Benzin-Motor ist. Derartige Definitionen sind optische Täuschungen. Es wird nichts definiert, sondern in diesem Fall wird "Gender" i.w. als Synonym für "soziales Geschlecht" (oder "Geschlechtsrolle"), eingeführt, beides unklare, beliebig interpretierbare Begriffe. Man erfährt nur, was Gender nicht ist (das biologische Geschlecht), daß sich der Begriff über die Zeit verändert hat (uns interessiert aber, was der Begriff hier und heute bedeutet) und daß er irgendwie variabel ist (als Ausprägung bei einer Person? Oder als Begriffsskala?). Die Englische Wikipedia definiert Gender (Version von Ende 2015) völlig anders:
Gender is the range of characteristics pertaining to, and differentiating between, masculinity and femininity. Depending on the context, these characteristics may include biological sex (i.e. the state of being male, female or intersex), sex-based social structures (including gender roles and other social roles), or gender identity.
("Gender" ist die Menge der charakteristischen Merkmale, die zur Männlichkeit bzw. Weiblichkeit gehören und diese unterscheiden. Je nach Kontext können diese Merkmale das biologische Geschlecht (also den Zustand, männlich, weiblich oder intersexuell zu sein), auf dem biologischen Geschlecht basierende soziale Strukturen (insb. Geschlechtsrollen und andere soziale Rollen) oder die Geschlechtsidentität enthalten.)
Überraschung: Gender enthält also doch teilweise biologische Aspekte? Und auch hier Indizien für eine Luftnummer: was bedeuten die Hilfsbegriffe "masculinity" bzw. "femininity"? Muß man für diese Definition schon vorher wissen, was das männliche bzw. weibliche Geschlecht ist? Und was sind "... charakteristische Merkmale von Personen, die zur Maskulinität bzw. Femininität gehören"? Welche Merkmale? Wer entscheidet über die Auswahl? Und welche Gender gibt denn nun konkret?

Man findet noch diverse weitere Definitionsvarianten, u.a. in Lehrbüchern für die Gender Studies. (Die längerfristige historische Entwicklung des Begriffs wird in Bielert (2017) dargestellt.) Unklar bleibt fast immer, wie sich diese Definitionen inhaltlich unterscheiden. Dies liegt vor allem daran, daß die in den Definitionen benutzten Begriffe selber oft nicht genau definiert sind. Der Eindruck eines begrifflichen Chaos wird bestätigt von diversen "professionellen" Quellen, die immer wieder modifiziert wurden oder sich selber "renovierungsbedürftig" bezeichnen (z.B. Queer Lexikon: Sexuelle Orientierung, dt. Wikipedia: Sexuelle Identität, engl. Wikipedia: Gender Identity).

Festhalten kann man also für Anfänger: Sowohl bei den Amateuren wie den Profis liegt ein Begriffs-Chaos vor und jede ernsthafte Diskussion über diese Themen, die ein bißchen in die Tiefe gehen soll, scheitert sehr wahrscheinlich an diesem Begriffs-Chaos.

Ursachen für das Begriffs-Chaos
Es gibt mehrere Ursachen für das Begriffs-Chaos.

Ein erster offensichtlicher Grund: das Thema ist tatsächlich schwierig und eine Herausforderung. Die Menge der Phänomene und Probleme, die irgendwie relevant für diese Begriffe ist, ufert sehr schnell aus und man ist schnell überfordert. Dadurch werden Fehler wahrscheinlich, entweder weil man prinzipiell überfordert oder nur schlampig ist.

Der inhaltlich wichtigste Grund liegt vermutlich darain, daß folgendes nicht ausreichend berücksichtigt wird:

Geschlechtsbegriffe dienen dazu, in bestimmten Anwendungskontexten Personen anhand ihrer sexualitätsbezogenen Eigenschaften in Geschlechter (Geschlechtskategorien) einteilen und abhängig vom Geschlecht unterschiedlich behandeln zu können.
Weiter unten folgen Beispiele für unterschiedliche Anwendungskontexte, in denen Geschlechter unterschieden werden müssen und die zwangsläufig zu verschiedenen Begriffen führen. Der Versuch, alle Kontexte über einen Kamm zu scheren, führt direkt in das Begriffs-Chaos.

Naheliegend ist auch, das Begriffs-Chaos als Folge der Unwissenschaftlichkeit feministischer Gender Studies anzusehen. Dieser Verdacht wird sich im weiteren Verlauf als richtig herausstellen, aber anders als man denkt.

Eine wirkliche Hauptursache liegt hingegen darin, daß der Begriff "Gender" (und tw. "Geschlecht") als politischer Kampfbegriff benutzt wird, indem die Technik der Begriffsverschiebung intensiv benutzt wird, um Debattengegner zu verwirren und zu übertölpeln. Mehr dazu im folgenden Abschnitt.

Bei diesen Kämpfen spielt eine große Rolle, daß man die privaten Gefühle und ideologischen Weltsichten einer Vielzahl von feministischen Aktivisten und neuerdings Transsexuellen-Aktivisten integrieren muß. Eine Ideologie liefert aber keineswegs automatisch eine konsistente Theorie und Begriffsbildung. Diese Aktivisten kämpfen ferner oft mit massiven psychischen Problemen, sie führen, obwohl dazu nicht geschult, psychologische Selbstanalysen durch und kommen so zu allen möglichen Erklärungsmustern für ihre Probleme. Diese Erklärungsmuster sind in der Gesamtheit heterogen bzw. inkompatibel und vielfach unwissenschaftlich. Die berühmten 60+ Geschlechter bei Facebook sind eine Folge davon. Da die feministischen bzw. Transsexuellen-Aktivisten einen hohen Opferstatus haben, dürfen ihre Meinungen aber nicht hinterfragt werden, zumindest nicht in feministischen Kreisen bzw. den feministischen Gender Studies.



Kampfbegriff "Gender"

Das definitorische Chaos um den Begriff Gender ist kein Zufall, sondern direkte Folge davon, daß es sich um einen politischen Kampfbegriff handelt. Dieser Begriff war und ist ein wesentliches Werkzeug in den Machtkämpfen, in denen der Feminismus (und in letzter Zeit der Transaktivismus) seine heutige umfassende Machtposition erreichen konnte. Indem man Begriffe umdefiniert, kann man insb. politische Problemwahrnehmungen und die öffentliche Meinung verändern, was wiederum zu Machtverschiebungen und eigenen materiellen Vorteilen führt. Gender ist in zweierlei Hinsicht ein Kampfbegriff:
  • Weil er unscharf definiert ist, kann man in Debatten mit Begriffsverschiebungen taktieren, d.h. man verändert in einer Argumentationskette unmerklich die Bedeutung des Begriffs "Gender". Die Unschärfe der Definition wird in Debatten als klassische feministisches Doublespeak-Technik (Ambiguität) eingesetzt, Beispiele s.u.
  • Die konkurrierenden Begriffsdefinitionen gehen auf unterschiedliche Denkschulen innerhalb des feministischen Ideologienspektrums zurück. Die beiden obigen Wikipedia-Definitionen sind ein Beispiel hierfür. Hierzu mache man sich klar, daß viele politisierte Begriffe implizit soziologische Theorien aufstellen, die in politischen Machtkämpfen als Munition benutzt werden. Ein Beispiel ist der Begriff "Patriarchat", der implizit die These aufstellt, daß sich "die Männer" gemeinsam und koordiniert gegen "die Frauen" agieren, Frauen also immer ein Opfer sind ("Opferabo"). Benutzt man einen solchen Begriff, bestätigt man implizit die darin unterstellten soziologischen Theorien bzw. Dogmen als zutreffend.
Das Arbeiten mit Begriffsverschiebungen hat teilweise krasse Formen:
  • "Gender" wird überwiegend als "das soziale Geschlecht" einer Person definiert, also begrifflich als eine Eigenschaft einzelner Personen, die sich auf deren soziales Verhalten bezieht und für die es mehrere Ausprägungen gibt.
  • In Wortverbindungen wie "Gender Mainstreaming", "Gender-Medizin", "Gendergerechtigkeit" (vgl. Kampfbegriff "Geschlechtergerechtigkeit") u.a. bedeutet "Gender" stattdessen faktisch das biologische Geschlecht von Personen, das Sozialverhalten spielt hier keine Rolle.
  • In Wortverbindungen wie "pro-gender", "anti-gender" (ca. 93.300 Ergebnisse bei Google), "Anti-Genderismus", "Gender-Sensibilität" u.a. steht Gender für die feministische Ideologie oder unklar bleibende politische Einstellungen. Die Begriffsverschiebung ist bei "anti-gender" besonders plump und dreist: Menschen weisen offensichtlich die Eigenschaft "Geschlecht" auf. Insofern ist es absurd, gegen das Vorhandensein dieser Eigenschaft zu sein. Durch die Begriffsverschiebung von einer Eigenschaft zu einer Ideologie wird suggeriert, daß es absurd ist, gegen die feministische Ideologie zu sein. Ein analoger Begriff ist "Anti-Körpergewicht", dessen Unsinnigkeit offensichtlich ist.
Während die vorstehenden krassen Begriffsverschiebungen offensichtlich sind, sind andere Begriffsverschiebungen - vor allem im Kontext der Frage, ob Gender eine variable Eigenschaft einer Person und sozial konstruiert ist - weitaus subtiler und besser versteckt. Sie können erst später erklärt werden.

Soziale Geschlechtsbegriffe

Gender - Übersicht über die Begriffsvarianten

Wie schon in der Einleitung an Beispielen gezeigt, wird der Begriff Gender mit extrem verschiedenen Definitionen benutzt, die mehr oder weniger entfernt mit Sozialverhalten bzw. sozialer Rolle zu tun haben.

Ein erster Grund für die Konfusionen ist die unpassende (sozusagen falsche) Verwendung des Bezeichners "Gender" für den Begriff "biologisches Geschlecht" (bzw. "Sex"), z.B. in Gender-Medizin oder Gender-Mainstreaming, oder für "Geschlecht" als Oberbegriff. Dies sind - wenn keine Absicht dahinter steht - sozusagen redaktionelle Mängel, man kann sie theoretisch leicht beheben, indem man für einen bestimmten Begriff (in Sinne einer Definition) überall einheitlich den gleichen Bezeichner verwendet, was wir i.f. voraussetzen.

Die komplizierteren inhaltlichen Definitionsunterschiede kommen - wie auch sonst - daher, daß ein sehr abstrakter Begriff in verschiedenen Kontexten unterschiedlich konkretisiert wird. In diesen Kontexten dient der Begriff "Gender" jeweils anderen Zwecken und steht mit anderen Begriffen in Verbindung:

  • Gender als grammatische Geschlecht (Genus) von Substantiven
    Der Begriff "Gender" stammt aus der Sprachforschung und bezeichnet dort das grammatische Geschlecht (Genus) von Substantiven. Im Deutschen sind dies die Ausprägungen "Maskulinum (Androgynum)", "Femininum" und "Neutrum". Ein Zusammenhang zwischen grammatischen Geschlecht und Sozialverhalten wird nur in der weitgehend widerlegten Sapir-Whorf-Hypothese behauptet. Daher betrachten wir diesen Begriff hier nicht weiter.

  • Gender als persönliche sexuelle Orientierung
    Der Begriff "Gender" wird vielfach als Synonym für die persönliche sexuelle Orientierung benutzt, z.B. bei den berühmten über 60 Geschlechtern bei Facebook. "Sexuelle Orientierung" umfaßt hier ein unklares Konglomerat von Merkmalen:
    1. biologische Merkmale, insb. die sexuelle Attraktion,
    2. psychologische Merkmale wie die sexuelle Identität,
    3. soziale Merkmale, z.B. das Paarungsverhalten
    sowie weitere, eher unklar definierte und nur für Eingeweihte verständliche Merkmale. Zweck dieser Begriffe ist primär die Selbstdarstellung, die Selektion passender Beziehungspartner und die Formulierung von Anweisungen an die Umwelt, z.B. mit bestimmten Pronomen bezeichnet zu werden.

  • Gender als empirische Klassifikation beobachtbaren geschlechtsspezifischen Sozialverhaltens
    Der Begriff "Gender" wird sehr oft informell als soziales Analogon zum biologischen Geschlecht definiert und wäre dann eine empirische Klassifikation beobachtbaren geschlechtsspezifischen Sozialverhaltens. Mehr Details dazu im nächsten Abschnitt.

  • Gender als Machtinstrument zur Durchsetzung von Diskriminierungen (von Frauen)
    Der Begriff "Gender" wird in großen Teilen der Gender Studies und feministischen Ideologie normativ verstanden. Hierbei wird ein grundsätzlich anderes Modell der Realität unterstellt, in dem "Gender" ein Machtinstrument zur Durchsetzung von Diskriminierungen ist. Das "soziale Geschlecht" wird einer Person zugewiesen, um sie in bestimmte Rollen bzw. Verhaltensmuster zu zwingen. Mehr Details dazu weiter unten.


Das Problem der unbegrenzt vielen denkbaren Verhaltensarten bzw. -Dimensionen

Der empirische wie der normative Gender-Begriff beziehen sich beide auf das "Sozialverhalten" oder "Rollen" von Individuen. Offen bleibt, was damit gemeint ist. "Verhalten" ist ein nahezu beliebig weit dehnbarer Begriff. Die wichtigsten Verhaltenskategorien bzw. Dimensionen, in denen unterschiedliches Verhalten von Frauen und Männern zu beobachten ist und die daher in der Geschlechterdebatte wahrgenommen werden, sind:
  • direkte Reproduktionstätigkeiten: Zeugung, Vorbereitung der Geburt, Geburt, Stillen nach der Geburt
  • Wahl von Sexualpartnern (Sex, auch ohne Zeugung)
  • Flirten, Anbahnung von sexuellen Beziehungen
  • Innenverhältnis in Beziehungen / Ehe (wer putzt wieviele Minuten pro Woche? Ist Schuheeinkaufen auch Arbeit? ...)
  • Berufswahl
  • Sport
  • Wahl der Kleidung
  • Meinungen (wer denkt was über andere und "achtet" / "wertschätzt" die Gegenseite, ...)
usw.usw. Zusätzlich kann man viele Unterkategorien bilden. Die einzelnen spezifischen Verhaltensweisen in diesen Dimensionen können fast beliebig kombiniert werden Die Zahl der denkbaren Verhaltensarten und damit Personenmerkmale ist im Prinzip praktisch unbeschränkt.
Konsequenzen für den empirischen bzw. normativen Gender-Begriff
Offensichtlich kann man nicht alle Aspekte des Verhaltens von Männern und Frauen bei der empirischen Beobachtung von Personen bzw. bei der postulierten normativen Wirkung eines Geschlechts berücksichtigen, sondern nur eine willkürliche Auswahl. Damit scheitert aber der Begriff Gender, sowohl in der empirischen wie der normativen Variante. Wenn Gender ein Merkmal von Personen sein soll, muß man die Menge der Ausprägungen dieses Merkmals beschreiben können. In den beiden folgenden Abschnitten gehen wir hierauf für den empirischen bzw. normativen Gender-Begriff detaillierter ein.


Der empirische Gender-Begriff

Gender als empirische Klassifikation beobachtbaren geschlechtsspezifischen Sozialverhaltens
Der empirische Begriff "Sex" unterstellt eine naturwissenschaftliche Denkweise und die Absicht, eine vorhandene Realität möglichst genau zu beschreiben, indem durch empirische Methoden möglichst gute Modelle der Realität entwickelt werden. Analog kann man einen empirischen Begriff "Gender" verstehen als beobachtbares Merkmal von Personen mit mehreren unterschiedlichen Ausprägungen. Ausprägungen dieses Merkmals sind bestimmte Kategorien von beobachtbarem, geschlechtsbezogenem Sozialverhalten.

Ermitteln kann man diese Kategorien mit Methoden der empirischen Sozialforschung, z.B. durch eine Clusteranalyse der beobachtbaren Verhalten (in einer bestimmten Population). Der empirische Begriff "Gender" ist also verbunden mit einer Nominalskala der Ausprägungen oder er unterstellt zumindest, daß diese Skala empirisch bestimmt werden könnte. Die Skala kann äußerlich ähnlich aussehen wie die Facebook-Skala, hat aber inhaltlich eine andere Bedeutung (die Facebook-Skala enthält viele Selbstdeklarationen, die keine empirische Relevanz haben).

Bestimmung von Ausprägungen
Zuständig für die Ermittelung der Kategorien sind empirische Sozialforscher. Die vorgefundenen Cluster sind zu benennen und bilden dann linguistische Terme. Ob und inwieweit ein linguistischer Term auf das Verhalten einer konkreten Person zutrifft, die Person also zu dem Cluster gehört, ist durch Vergleich mit den charakterisierenden Eigenschaften des Clusters zu berechnen.

Für den empirischen Gender-Begriff spielt es keine Rolle, ob Unterschiede im Sozialverhalten biologisch bestimmt oder sozial erlernt oder in Kombination von beidem entstanden sind. Entscheidend ist, daß sie in der Realität auftreten. Die oben zitierte Definition von "Gender" in der englischen Wikipedia entspricht insofern dem empirischen Gender-Begriff.

Konsequenzen aus der Willkürlichkeit der Wahl der beobachteten Verhaltensarten für den empirischen Gender-Begriff
Für einen empirischen Gender-Begriff müßte für jeder Verhaltensdimension eine Skala und ein Meßverfahren definiert werden. Oft ist unklar, wie die Skala und das Meßverfahren aussehen sollte. Was ist z.B. die "Kleidungskategorie einer Person"? Ein konkretes soziales Geschlecht wäre dann eine Kombination von je einer Verhaltenskategorie pro Merkmal. Die Zahl der denkbaren Kombinationen ist extrem hoch.

Praktisch ist die Idee also nicht realisierbar, einigermaßen genau beschreibbare soziale Geschlechter analog wie biologische Geschlechter durch empirische Verfahren zu bilden. Dies gilt nicht nur für einen wissenschaftlichen Ansatz im Forschungslabor, sondern auch im Alltag durch normale Menschen, die nur eine überschaubare Anzahl von Personen gut genug kennen. Wenn man nur 50 "Charaktere" kennt, kann man nicht unterbewußt 5.000 Geschlechtskategorien bilden.

Zusammengefaßt: Man kann ein empirisches Personenmerkmal "soziales Geschlecht" analog zum wahrnehmbaren biologischen Geschlecht postulieren, scheitert aber daran, Ausprägungen dieses Merkmals bzw. eine Skala von Ausprägungen zu bilden und entsprechende Kategorien von Personen abzugrenzen. Der Begriff ist daher sinnlos.

In der Praxis führen diese Probleme dazu, daß man bei der Betrachtung "sozialer Geschlechter" nur eine sehr kleine, willkürlich gewählte Menge von Personenmerkmalen heranzieht, darunter fast immer die sexuelle Attraktion und die sexuelle Identität, also in Wirklichkeit biologische bzw. psychologische Merkmale.

Ergänzende Literatur
  • David P. Schmitt: Statistical Abracadabra: Making Sex Differences Disappear. Psychology Today, 02.12.2015. https://www.psychologytoday.com/blog/sexual-personaliti ... sappear
    Gibt eine gut lesbare Übersicht über wichtige neue Veröffentlichungen zum Thema biologisch verursachte Differenzen im Verhalten und in Persönlichkeitsmerkmalen.


Der normative Gender-Begriff

Gender als Verhaltensvorschrift
In allen Kulturen kann man das soziale Phänomen beobachten, daß Personen anhand ihrer beobachtbaren geschlechtsspezifischen Körpermerkmale einem der beiden beobachtbaren biologischen Geschlechter zugeordnet werden und diese beiden Kategorien von Personen rechtlich oder in sozialen Erwartungen verschieden behandelt werden - beispielsweise müssen nur Männer Wehrdienst leisten, und Männer und Frauen kleiden sich verschieden. Es wird also mehr oder weniger intensiver Druck ausgeübt, sich in bestimmter Weise unterschiedlich zu verhalten.

In diesem Zusammenhang versteht man unter Begriffen wie Geschlechtsrolle (hierzu synonym: Geschlechterrolle) oder Rolle oder Rollenmodell eine bestimmte Menge von Verhaltensvorschriften (bzw. soziale Normen). Zu deren Durchsetzung muß wiederum Macht vorhanden sein.

Geschlechtsrollen sind historisch relativ langfristig beobachtbare Phänomene und insofern stabil. Da in der feministischen Ideologie postuliert wird, sie seien nicht von Natur aus vorhanden, wird geschlußfolgert, sie würden sozial produziert bzw. mit Blick auf das langfristige, wiederholte Auftreten "reproduziert". Für diese Reproduktion muß man wiederum die Existenz eines gesellschaftlichen Prozesses postulieren, der die Reproduktion sicherstellt - daher werden Geschlechtsrollen oft als "prozeßhafte" Phänomene bezeichnet, denn die Rollen ändern sich im Laufe der Zeit.

"Reproduktion" bezieht sich hier auf die Wiederholung von Phänomenen über wenigstens zwei Generationen hinweg. Der normative Gender-Begriff unterstellt also grundsätzlich eine historische Sichtweise. Er ist daher mit den enormen Problemen befrachtet, die äußeren sozialen Verhältnisse, deren psychologische Wirkungen und den Bildungsstand früherer Generationen exakt genug zu verstehen.

Thematisch kann eine Verhaltensvorschrift kleinere oder größere Lebensbereiche betreffen, sehr präzise oder nur unscharf definiert sein und mit verschiedenen Strafen und Sanktionen bei Zuwiderhandlung verbunden sein. Wie erfolgreich die Verhaltensvorschrift ist, also wie exakt das vorgeschriebene Verhalten später in der Realität bei einzelnen Personen oder im Durchschnitt beobachtet werden kann, spielt hier begrifflich keine Rolle, entscheidend ist nur die Existenz der Verhaltensvorschrift.

Soziale Konstruktion bzw. "Zuweisung" von Geschlecht
Der normative Gender-Begriff drückt also implizit aus, daß eine Gesellschaft Personen anhand ihrer wahrnehmbaren biologischen Geschlechter mittels einer oder mehrerer Geschlechtsrollen willkürlich zu unterschiedlichem sozialen Verhalten zwingt. Die Geschlechtsrollen sind also Machtinstrumente, mit denen Gesellschaften geformt werden und hinter denen bestimmte Akteure und Interessen bestehen. Passend dazu findet man in der feministischen Literatur oft die Behauptung, das Geschlecht / Gender würde einer Person "zugewiesen" oder sei - ggf. durch diese als Willkür empfundene Zuweisung - "sozial konstruiert" (Meissner (2008)). Judith Lorber definiert beispielsweise in dem Standard-Textbuch der Gender Studies "Gender-Paradoxien":
In meiner eigenen Arbeit spalte ich die übliche Zusammenfassung von Sex/Gender ... in drei deutlich unterschiedenen Kategorien ... - sex (Biologie, Physiologie), Sexualität (sexuelle Wünsche, sexuelle Präferenz, Orientierung, Identität) und gender (sozialer Status, Position in der sozialen Ordnung). Alle drei Kategorien sind sozial konstruiert, aber jede auf unterschiedliche Weise.
Insofern kann man sich fragen, ob "Gender" im normativen Sinne nicht eher eine Eigenschaft von Gesellschaften ist (anstatt, was normalerweise unterstellt wird, eine Eigenschaft einzelner Menschen) und welche Ausprägungen davon existieren. Bezogen auf eine Gesellschaft wäre es die Menge der Geschlechtsrollen oder allgemeiner geschlechtsspezifischer Verhaltensmuster, die in dieser Gesellschaft vorkommen. Bezogen auf eine einzelne Person wären es eine oder mehrere Geschlechtsrollen bzw. Verhaltensmuster, die von dieser Person praktiziert werden bzw. eingehalten werden müssen.

Unklar in der Begriffsbildung ist regelmäßig, ob eine Person nur genau ein Gender haben kann oder mehrere gleichzeitig (bei Verhaltensmustern). Wenn man die Menge aller Personen nach dem Geschlecht in disjunkte Gruppen einteilen will - das ist meistens der Fall - darf eine Person nur ein Gender haben.

Bestimmung der Ausprägungen von "Gender" beim normativen Gender-Begriff
Beim normativen Gender-Begriff sind dessen Ausprägungen, z.B. bestimmte Vorurteile, im Prinzip durch Analyse der Machtstrukturen einer Gesellschaft zu bestimmen, unter Einsatz von Methoden der empirischen Sozialforschung. Ob sich die Machtstrukturen in meßbaren Verhaltensunterschieden äußern, ist im Prinzip unerheblich.

Häufig wird allerdings schon alleine aus der Existenz von sozialen Ungleichheiten, z.B. Gehaltsdifferenzen, monokausal und belegfrei auf die Existenz einer diffuser Machtstrukturen (z.B. unsichtbare gläserne Decken) zurückgeschlossen, die genau diese Ungleichheit bzw. Diskriminierung erzeugen. Grau (2015) weist auf den "Entlarvungsgestus" dabei hin, oft hat die Argumentation auch die Qualität einer Verschwörungstheorie.

Welche Gender-Ausprägungen insgesamt existieren, hängt damit offenbar nur von der Kreativität des "Patriarchats", also einem Phantasieprodukt ab. Ein Genderforscher braucht daher keine komplette Skala von Gender-Ausprägungen zu erstellen, sondern kann sich darauf beschränken, einzelne Diskriminierungen zu postulieren und sie mit dem pauschalen Verweis auf "das Patriarchat" oder "patriarchale Strukturen" zu "beweisen". Dies erklärt den verblüffenden Befund, daß zwar sehr häufig von Gender als "sozialem Geschlecht" die Rede ist, aber praktisch nie konkrete Ausprägungen angegeben werden, die nicht in Wirklichkeit biologisch oder psychologisch definiert sind.

Konsequenzen aus der Willkürlichkeit der Wahl der beobachteten Verhaltensarten für den normativen Gender-Begriff
Der normative Gender-Begriff ist nicht direkt von dem Problem der nicht beherrschbaren Zahl von sozialen Geschlechtskategorien betroffen, denn er zielt ja nicht auf die Bildung solcher Kategorien, sondern behandelt nur die Ursachen (Diskriminierungen), die möglicherweise zur Bildung solcher Kategorien führen.

Indirekt ist der normative Gender-Begriff trotzdem betroffen, weil vielfach von erkennbaren Geschlechterunterschieden auf eine Diskriminierung zurückgeschlossen wird und in diesem Zusammenhang als Ausgangsbasis empirische Geschlechtskategorien gebildet werden.

Literatur


Spezielle Probleme des normativen Gender-Begriffs

Fehlende Unabhängigkeit biologischer und sozialer Verhaltensdifferenzen
Für den empirischen Gender-Begriff spielen die Ursachen geschlechtsbezogener Verhaltensunterschiede keine Rolle, denn es wird nur der Zustand, aber nicht dessen Entstehung beschrieben (im Prinzip zumindest). Für den normativen Gender-Begriff ist es ein zentrales Problem, zwei Arten von Verhaltensunterschieden trennen zu müssen: die biologisch oder psychologisch verursachten und die durch soziale Strukturen verursachten. Oft wird betont, unmittelbar reproduktives Verhalten, z.B. Gebären von Kindern, sei natürlich biologisch bestimmt und nicht sozial konstruiert, und mit dieser Haltung sei gezeigt, daß man die biologischen Aspekte anerkenne und angemessen berücksichtigt habe. Die oben zitierte Definition von Lorber greift zu dem Trick, einfach definitorisch zwischen biologisch, psychologisch und sozial verursachten Verhaltensdifferenzen zu trennen. Dies unterstellt stillschweigend, daß diese Ursachen überhaupt trennbar sind und nicht zusammen, sondern unabhängig voneinander wirken.

Diese Unabhängigkeits-Annahme wäre erst einmal zu beweisen. Sie steht in krassem Gegensatz dazu, daß biologisch oder psychologisch verursachte Verhaltensdifferenzen nahezu alle Lebensbereiche beeinflussen (s. u.a. Baumeister (2007), Baumeister (2010), Baron-Cohen (2006), Bischof-Köhler (2004), Bischof-Köhler (2011)), in einigen Verhaltensbereichen sogar dominierend.

Ohne diese Unabhängigkeits-Annahme implodiert der normative Gender-Begriff sozusagen: wenn es keine ausschließlich sozial verursachten sozialen Geschlechterdifferenzen gibt, dann wird er sinnlos und müßte im Sinne der englischen Wikipedia-Definition für biologische Einflußfaktoren geöffnet werden. Man kann dann auch nicht mehr folgern, das Verhalten nach Belieben durch Interventionen und Umerziehungsmaßnahmen anders gestalten zu können.

Abhängigkeit von umstrittenen sozialen Theorien und willkürlichen ethischen Wertungen
Wie schon oben erwähnt ist beim normativen Gender-Begriff "ein Gender" eine spezielle Form von sozialem Mechanismus, der i.a. als Diskriminierung verstanden wird, d.h. dessen Auswirkungen ethisch verurteilt werden. Man wird also hier begrifflich abhängig von:
  1. sozialen Theorien, wonach die unterstellten Mechanismen alleinige oder wesentliche Ursache der Auswirkungen sind - die in diesem Zusammenhang präsentierten sozialen Theorien sind regelmäßig hochumstritten -
  2. von ethischen Bewertungen - diese sind prinzipiell immer willkürlich.
Beim normativen Gender-Begriff ist also die Frage, welche Ausprägungen ("soziale Geschlechter") vorhanden sind, weitgehend willkürlich zu beantworten, sofern man nicht von vorneherein auf biologische und psychologische Geschlechtsdefinitionen zurückgreift.

Weitere Kampfbegriffe

Kampfbegriff "gender-sensibel"

Der Begriff "gender-sensibel" (bzw. "Gender-Sensibilität") drückt aus, daß irgendjemand besonders sensibel (a) über Genderfragen nachdenkt oder (b) besonders viel Rücksicht auf "das Gender" von Personen nimmt.

Was "das Gender" von Personen ist, bleibt fast immer undefiniert. In der Praxis läuft es auf das biologische Geschlecht hinaus.

Worin die Sensibilität genau besteht, bleibt ebenfalls völlig offen und liegt im Ermessen von tonangebenden Feministinnen.

Gender-Sensibilität überlappt begrifflich stark mit dem Begriff Gender Mainstreaming, ohne dessen etwas hölzernen Klang und offiziellen bürokratischen Charakter zu haben. Er hat aber die gleiche versteckte Schlagseite, faktisch fast immer für eine Bevorzugung von Frauen zu stehen.

Eine sich als gender-sensibel darstellende Person positioniert sich zugleich als moralisch besonders hochstehend, und da Sensibilität ein weiblich konnotierter Begriff ist, also als moralisch überlegen, denn Frauen lügen nicht. Männer werden sich i.d.R nicht als gender-sensibel bezeichnen oder bezeichnet werden. Analog dazu kann, wenn ein gender-sensibles Verhalten gefordert wird, dessen Ablehnung ohne jede Sachdiskussion als moralisch minderwertige Position diskreditiert werden.



Kampfbegriff "gendergerecht"

Der Kampfbegriff "gendergerecht" drückt aus, daß etwas - eine Sprechweise, ein Verhalten o.ä. - eine oder die einzige moralisch vertretbare Alternative in einer Situation ist, während andere, nicht erwähnte Alternativen "ungerecht" sind. Er wird sehr oft im Zusammenhang mit der Sprache ("gendergerechte Sprache") verwendet.

I.d.R. wird nicht begründet, was an den bevorzugten Alternativen gerecht und an den anderen Alternativen ungerecht ist. Bei ungegenderten Sprechweisen ist es z.B. hochgradig umstritten und zweifelhaft, daß diese in irgendeinem Sinne schädlich oder ungerecht sind.

In "gendergerecht" sind die beiden enthaltenen Begriffe "Gender" und "gerecht" weitgehend undefiniert. Man kann davon ausgehen, daß dies Absicht ist, um so die Fragwürdigkeit des Begriffs zu kaschieren.

Aus dem Kontext ergibt sich i.d.R., daß Frauen und Männer unterschieden werden sollen, mit "Gender" das biologische Geschlecht gemeint ist. Das ist aber gerade das Gegenteil dessen, was mit dem Begriff "Gender" von Personen im Sinne eines sozialen Geschlechts intendiert war. Es bleibt also unklar, welche Personengruppen oder -Typen hinsichtlich der Gerechtigkeit oder rechtlicher Regelungen zu unterscheiden sind. Beim Begriff "gerecht" bleibt völlig offen, auf welche Gerechtigkeitstheorie und welche Rechtssubjekte man sich bezieht, also nach welchen Maßstäben Dinge als gerecht oder ungerecht beurteilt werden.

Besonders tückisch ist hier eine versteckte antidemokratische Haltung. In einer liberalen Demokratie haben grundsätzlich nur Individuen Rechte und Anspruch auf gerechte Behandlung, willkürlich gebildete Kollektive hingegen nicht. Der Begriff "gendergerecht" wird im Gegensatz dazu sehr oft in einem Sinn benutzt, daß Kollektive - hier gebildet aus den Individuen, die sich einem bestimmten Gender zuordnen - Inhaber von Rechten sind bzw. Anspruch auf Gerechtigkeit haben, z.B. sprachlich repräsentiert zu werden oder Machtpositionen besetzen zu dürfen. Der Begriff "gendergerecht" ist insofern ein Angriff auf die elementaren Grundlagen unserer Rechtsordnung.

Ähnlicher Begriff: gender-sensibel



Kampfbegriff "Anti-Genderismus"

"Anti-Genderismus" ist i.w. ein feministischer Kampfbegriff, dessen wörtliche Bedeutung völlig unklar ist, der aber generell immer im Sinne einer böswilligen, ungerechten Kritik am oder Widerstand gegen den Feminismus benutzt wird. Beispielsweise ist Anti-Genderismus für Hark (2015) eine »Anti«-Haltung, eine Abwehr gegen Gender beziehungsweise gegen das, was diesem Begriff unterstellt wird. Analog zum Begriff Antifeminismus dient die negativ besetzte Vorsilbe "anti" dazu, jegliche Feminismuskritik zu denunzieren

Der Begriff ist insofern ein Kuriosum, als es den Basisbegriff "Genderismus" zumindest in der feministischen Terminologie nicht gibt. Die feministisch kontrollierte Wikipedia hat z.B. keinen Eintrag dafür. Wenn man Anti-Genderismus = Antifeminismus setzt, dann ist Genderismus = Feminismus, steht also z.B. für die blank-slate-Hypothese, die freie Wahl des Geschlechts oder ähnliche feministische Dogmen. In diesem Sinn wird Genderismus z.T. in religiös geprägten Beiträgen als Schimpfwort benutzt. Als Selbstzuschreibung wird er von Feministinnen wegen seines negativen Klangs ("ich bin für mehr Genderismus") i.d.R. nicht genutzt.

Diametral entgegengesetzt zur vorstehenden Bedeutung definiert die englische Wikipedia den Begriff Genderism:

Genderism, or gender binarism, is the social system or cultural belief that gender is a binary: that is, that there are, or should be, only two genders-masculine and feminine-with the aspects of one's gender inherently linked to one's genetic sex, or sex assigned at birth.
Nach dieser Definition sind Feministen offensichtlich Anti-Genderisten. Je nach Kontext steht der Begriff Anti-Genderismus also wahlweise für (Pro-) Feminismus oder Antifeminismus.
Quellen


Kampfbegriff "Zweigeschlechtlichkeit" bzw. "(Geschlechts-) Binärismus"

Unter Zweigeschlechtlichkeit bzw. (Geschlechts-) Binärismus versteht man in feministischen bzw. transaktivistischen Kontexten (s.a. Anmerkungen) die als falsch angesehene These, daß es nur zwei Geschlechter gibt - und nicht 5 oder 73 oder sogar eine Kontinuum von Geschlechtern, also unbeschränkt viele Geschlechter. Ferner wird ausgedrückt, daß die Gesellschaft ungerechtfertigt jedes Individuum zwingt, sich einem der beiden Geschlechter Mann und Frau zuzuordnen.

Offen bleibt hierbei, auf welchen Geschlechtsbegriff man sich bezieht, und darin liegt der wesentliche Trick dieses Kampfbegriffs. Mit Verweis auf Intersexuelle kann man relativ leicht zeigen, daß zwei Geschlechtskategorien nicht für alle Zwecke ausreichen. Damit hat man scheinbar den in dem Begriff liegenden Vorwurf bewiesen, daß die Einschränkung auf zwei Geschlechter falsch ist und stattdessen beliebige weitere Geschlechter anerkannt werden müssen. Gleichzeitig wird ein hoher Opferstatus für Personen reklamiert, die sich als non-konform, also nicht zu den zwei üblichen Geschlechtern zugehörig, definieren.

Der Argumentationstrick- bzw. Fehler besteht darin, einen universell anwendbaren Geschlechtsbegriff zu unterstellen, den es aber, wie hier ausführlich dargestellt, nicht sinnvoll geben kann. Daß es biologische Problembereiche gibt, die mehr als zwei Geschlechter benötigen, beweist eben gerade nicht, daß diese Klassifizierung auch in anderen Problembereichen notwendig und angemessen ist und daß Klassifizierungen in zwei Geschlechter generell falsch sind. Insb. ist damit überhaupt nicht bewiesen, daß die i.d.R. unsauber definierten psychologischen bzw. sozialen Geschlechtsbegriffe sinnvoll sind bzw. die Realität korrekt abbilden.

Anmerkungen
Im allgemeinen Sprachgebrauch, zumindest nach der Definition des Duden und anderer Lexika, hat der Begriff Zweigeschlechtlichkeit eine völlig andere Bedeutung, nämlich das Vorkommen von doppelgeschlechtlichen Individuen, bei denen männliche und weibliche Geschlechtsausprägungen gleichzeitig auftreten. Damit ist es weitgehend bedeutungsgleich mit (bzw. ein Synonym von) Androgynität, Hermaphroditismus, Zwittertum oder Zwittrigkeit.


Nonsense-Begriffe im Themenbereich Geschlechtsbegriff: agender, nichtbinär, genderfluid

Eine Reihe von Begriffen im Themenbereich Geschlechtsbegriff kann man noch so eben als Kampfbegriffe bezeichnen, da sie die Debatte vernebeln und eine versteckte Agenda befördern wollen. Hauptmerkmal dieser Begriffe ist indes, daß sie definitorische Fehlkonstruktionen sind und eigentlich keinen Sinn machen (weswegen man sie eher als Bullshit im Sinne von Harry G. Frankfurt bezeichnen könnte). Beispiele hierfür sind agender, nichtbinär und genderfluid.

Hierbei handelt es sich um Bezeichnungen für eine Ausprägung des Merkmals Geschlecht - es bleibt offen, welcher Anwendungskontext und welcher Geschlechtsbegriff gemeint ist (biologisch kommt nicht infrage, möglich wäre ein psychisches (bzw. mentales) oder soziales Geschlecht).

Welcher Geschlechtsbegriff auch immer gemeint sein mag, die Ausprägung "agender" soll andeuten, daß man keine Ausprägung davon hat. Man negiert hier also, daß das Merkmal Geschlecht auf einen zutrifft, will aber trotzdem danach klassifiziert werden und sich von Personen anderen Geschlechts unterscheiden. Das ist ein innerer Widerspruch.

Ersatzweise könnte man "agender" als "anders als alle anderen Geschlechter, die eine klare Definition haben" auffassen. Es gibt dummerweise mehrere Geschlechter, die keine klare Definition haben, daher hilft dieser Ansatz nicht weiter. "agender" kann auch nicht als "unbekannt" aufgefaßt werden, denn wenn die Ausprägung unbekannt ist, kann man nicht wissen, daß sie anders als diverse andere Ausprägungen ist.

Die Ausprägung "nichtbinär" (die mehr oder weniger bedeutungsgleich mit "[gender] non-konform[ing]" zu sein scheint) ist eine ähnliche Fehlkonstruktion wie "agender". "Binär" ist eine Eigenschaft von Geschlechtsbegriffen, sie besagt, daß es genau 2 Ausprägungen dieses Merkmals gibt. "Binär" ist grundsätzlich keine Eigenschaft von Personen, "binär" auf Personen anzuwenden ist sozusagen ein Kategorienfehler. Das gleiche gilt für die Negation von "binär", Aus den gleichen Gründen wie bei "agender" hilft die Ersatzbedeutung "anders als die beiden üblichen Geschlechter" nicht weiter.

Um die Unsinnigkeit von "genderfluid" zu erkennen, muß man sich klar machen, daß der Sinn von Geschlechtsbegriffen immer darin besteht, in einem bestimmten Anwendungskontext Personen abhängig von ihrem Geschlecht unterschiedlich zu behandeln. Sonst bräuchte man die Begriffe nicht und es gäbe sie nicht. Die unterschiedlichen Behandlungen von Personen unterschiedlichen Geschlechts sind i.d.R. langfristig angelegt. Wenn sich nun das Geschlecht einer Person immer wieder kurzfristig ändern kann, kommt es zu ständig zu Falschbehandlungen. D.h. indirekt wird hier die unterschiedliche Behandlung von Personen unterschiedlichen Geschlechts - die sich i.d.R. aus einem realen Bedarf ergibt - torpediert, damit wird der Geschlechtsbegriff als solcher infrage gestellt bzw. negiert.