Inhaltsübersicht
Kurzfassung
Einführung und Motivation
Soziale Geschlechtsbegriffe
- Gender - Übersicht über die Begriffsvarianten
- Das Problem der unbegrenzt vielen denkbaren Verhaltensarten bzw. -Dimensionen
- Der empirische Gender-Begriff
- Der normative Gender-Begriff
- Spezielle Probleme des normativen Gender-Begriffs
Weitere Kampfbegriffe
- Kampfbegriff "gender-sensibel"
- Kampfbegriff "gendergerecht"
- Kampfbegriff "Anti-Genderismus"
- Kampfbegriff "Zweigeschlechtlichkeit" bzw. "(Geschlechts-) Binärismus"
- Nonsense-Begriffe im Themenbereich Geschlechtsbegriff: agender, nichtbinär, genderfluid
Kurzfassung
Kurzfassung
Die Rolle und Wichtigkeit des Begriffs "Gender"
Der Begriff "Gender" ist einer der wichtigsten und
zugleich unklarsten Begriffe in der Geschlechterdebatte.
Er ist Bestandteil weiterer zentraler Begriffe wie "Gender
Studies", "Gender Mainstreaming", Genderismus,
Gender-Theorie, Gender-Stern u.a. Er wird in den
verschiedenen Kontexten mit völlig verschiedenen
Bedeutungen benutzt. Die Abgrenzung zum Begriff
"Geschlecht" ist meistens unklar.
Obwohl also kein Konsens herrscht, was "Gender" überhaupt
ist, ist es ein zentrales Dogma der feministischen
Ideologie und der Gender Studies, daß "Gender" bzw.
"Geschlecht" sozial, also willkürlich (um
nicht zu sagen böswillig) konstruiert ist und auch anders
als aktuell vorhanden konstruiert sein könnte, natürlich
gemäß feministischen Wunschvorstellungen.
Die Annahme, daß Geschlechter und deren Unterschiede
willkürlich sozial konstruiert sind, ist keine reine
Gelehrtendebatte ganz oben im Elfenbeinturm, sondern von
eminenter machtpolitischer Bedeutung. Sie ist
nämlich eine entscheidende Voraussetzung für die
Schlußfolgerung, die vorhandenen Verhältnisse seien
vermeidbare und ungerechte Diskriminierungen von Frauen
und beliebig änderbar, und hieraus weiter zu folgern, man
müsse dieses Unrecht mit (grundgesetzwidrigen)
Diskriminierungen von Männern kompensieren, z.B.
Frauenquoten, und diverse soziale Verhaltensvorschriften
aufstellen.
Es muß als politische Meisterleistung anerkannt werden, die These
von der sozialen Konstruktion von Geschlecht zum politischen
Allgemeingut gemacht zu haben, obwohl keine klare Definition und
keine konsistente Theorie des Begriffs "Gender" (und indirekt
"Geschlecht") vorliegt und die oben genannten Schlußfolgerungen
unhaltbar und vielfach widerlegt worden sind.
Ursachen des Begriffschaos und der Theoriedefizite
Das Begriffschaos und das Fehlen einer konsistenten Theorie
beim abstrakten Begriff "Geschlecht" und beim Begriff
"Gender" (im Sinne von psychologischem oder sozialen
Geschlecht) gibt es eine ganze Reihe von Ursachen.
Die wichtigste Ursache dürfte sein, daß man in verschiedenen
Anwendungskontexten jeweils eigene
Geschlechtsbegriffe benötigt, um Personen zu
klassifizieren, daß aber trotzdem versucht wird, allen
Anwendungskontexten einen einzigen, ideologisch geprägten
Geschlechtsbegriff aufzuzwingen. Eine Übersicht über die
Arten von Geschlechtsbegriffen und deren Unterschiede findet
sich auf einer eigenen Seite Der Begriff "Geschlecht".
Ebenfalls sehr wichtig ist die Rolle als Kampfbegriff.
Scheitern von "Gender" als Geschlechtsbegriff
Geschlechtsbegriffe dienen dazu, Menschen unterscheiden zu
können, um sie in einem bestimmten Kontext unterschiedlich
zu behandeln. "Gender" (im Sinne eines sozialen
Geschlechtsbegriffs) scheitert hier. Es bleibt in der Praxis
praktisch immer offen, welche Kategorien gebildet werden und
welches Problem damit gelöst wird.
Einführung und Motivation
Motivation: das Begriffs-Chaos um den Begriff
"Gender"
Das Begriffs-Chaos
Man sollte ja eigentlich meinen, daß Begriffe wie
Geschlecht und Gender hinreichend klar sein sollten,
nachdem sie seit Jahrzehnten milliardenfach benutzt werden
(Google findet übrigens "Ungefähr 1.190.000.000
Ergebnisse" bei der Suche nach "Gender").
So klar sind die Begriffe aber leider nicht, schon gar
nicht für Anfänger, für die diese Seiten gedacht sind.
Ist "Gender" überhaupt ein Substantiv und hat "Gender" ein
grammatisches Geschlecht (Gender) oder kommt das nur als
Vorsilbe vor? Kennen Sie Ihr "Gender"? Sind Sie schon mal
danach gefragt worden? Welche konkreten Ausprägungen von
"Gender" kennen Sie bzw. wurden in Publikationen oder
Diskussionen erwähnt? Was bedeutet eigentlich
"genderfluid", und kann man auch "agender" sein?
Copyright © Martin Domig
Der Begriff Gender bezeichnet das durch Gesellschaft und Kultur geprägte soziale Geschlecht einer Person neben ihrem biologischen Geschlecht (engl. "sex"). Gender als das soziale Geschlecht ist ein historisch-gesellschaftlich gewordenes, damit variabel und veränderbar.Es fällt auf den ersten Blick nicht auf, aber das ist keine Definition, sondern eine inhaltsleere Ausrede. Analog dazu würde man einen Dieselmotor definieren als ein Antriebsaggregat, das irgendwann erfunden und seitdem oft verändert wurde und das anders als ein Benzin-Motor ist. Derartige Definitionen sind optische Täuschungen. Es wird nichts definiert, sondern in diesem Fall wird "Gender" i.w. als Synonym für "soziales Geschlecht" (oder "Geschlechtsrolle"), eingeführt, beides unklare, beliebig interpretierbare Begriffe. Man erfährt nur, was Gender nicht ist (das biologische Geschlecht), daß sich der Begriff über die Zeit verändert hat (uns interessiert aber, was der Begriff hier und heute bedeutet) und daß er irgendwie variabel ist (als Ausprägung bei einer Person? Oder als Begriffsskala?). Die Englische Wikipedia definiert Gender (Version von Ende 2015) völlig anders:
Gender is the range of characteristics pertaining to, and differentiating between, masculinity and femininity. Depending on the context, these characteristics may include biological sex (i.e. the state of being male, female or intersex), sex-based social structures (including gender roles and other social roles), or gender identity.Überraschung: Gender enthält also doch teilweise biologische Aspekte? Und auch hier Indizien für eine Luftnummer: was bedeuten die Hilfsbegriffe "masculinity" bzw. "femininity"? Muß man für diese Definition schon vorher wissen, was das männliche bzw. weibliche Geschlecht ist? Und was sind "... charakteristische Merkmale von Personen, die zur Maskulinität bzw. Femininität gehören"? Welche Merkmale? Wer entscheidet über die Auswahl? Und welche Gender gibt denn nun konkret? Man findet noch diverse weitere Definitionsvarianten, u.a. in Lehrbüchern für die Gender Studies. (Die längerfristige historische Entwicklung des Begriffs wird in Bielert (2017) dargestellt.) Unklar bleibt fast immer, wie sich diese Definitionen inhaltlich unterscheiden. Dies liegt vor allem daran, daß die in den Definitionen benutzten Begriffe selber oft nicht genau definiert sind. Der Eindruck eines begrifflichen Chaos wird bestätigt von diversen "professionellen" Quellen, die immer wieder modifiziert wurden oder sich selber "renovierungsbedürftig" bezeichnen (z.B. Queer Lexikon: Sexuelle Orientierung, dt. Wikipedia: Sexuelle Identität, engl. Wikipedia: Gender Identity). Festhalten kann man also für Anfänger: Sowohl bei den Amateuren wie den Profis liegt ein Begriffs-Chaos vor und jede ernsthafte Diskussion über diese Themen, die ein bißchen in die Tiefe gehen soll, scheitert sehr wahrscheinlich an diesem Begriffs-Chaos.
("Gender" ist die Menge der charakteristischen Merkmale, die zur Männlichkeit bzw. Weiblichkeit gehören und diese unterscheiden. Je nach Kontext können diese Merkmale das biologische Geschlecht (also den Zustand, männlich, weiblich oder intersexuell zu sein), auf dem biologischen Geschlecht basierende soziale Strukturen (insb. Geschlechtsrollen und andere soziale Rollen) oder die Geschlechtsidentität enthalten.)
Ursachen für das Begriffs-Chaos
Es gibt mehrere Ursachen für das Begriffs-Chaos.
Ein erster offensichtlicher Grund: das Thema ist tatsächlich
schwierig und eine Herausforderung. Die Menge der Phänomene
und Probleme, die irgendwie relevant für diese Begriffe ist,
ufert sehr schnell aus und man ist schnell überfordert.
Dadurch werden Fehler wahrscheinlich, entweder weil man
prinzipiell überfordert oder nur schlampig ist.
Der inhaltlich wichtigste Grund liegt vermutlich darain,
daß folgendes nicht ausreichend berücksichtigt wird:
Geschlechtsbegriffe dienen dazu, in bestimmten Anwendungskontexten Personen anhand ihrer sexualitätsbezogenen Eigenschaften in Geschlechter (Geschlechtskategorien) einteilen und abhängig vom Geschlecht unterschiedlich behandeln zu können.Weiter unten folgen Beispiele für unterschiedliche Anwendungskontexte, in denen Geschlechter unterschieden werden müssen und die zwangsläufig zu verschiedenen Begriffen führen. Der Versuch, alle Kontexte über einen Kamm zu scheren, führt direkt in das Begriffs-Chaos. Naheliegend ist auch, das Begriffs-Chaos als Folge der Unwissenschaftlichkeit feministischer Gender Studies anzusehen. Dieser Verdacht wird sich im weiteren Verlauf als richtig herausstellen, aber anders als man denkt. Eine wirkliche Hauptursache liegt hingegen darin, daß der Begriff "Gender" (und tw. "Geschlecht") als politischer Kampfbegriff benutzt wird, indem die Technik der Begriffsverschiebung intensiv benutzt wird, um Debattengegner zu verwirren und zu übertölpeln. Mehr dazu im folgenden Abschnitt. Bei diesen Kämpfen spielt eine große Rolle, daß man die privaten Gefühle und ideologischen Weltsichten einer Vielzahl von feministischen Aktivisten und neuerdings Transsexuellen-Aktivisten integrieren muß. Eine Ideologie liefert aber keineswegs automatisch eine konsistente Theorie und Begriffsbildung. Diese Aktivisten kämpfen ferner oft mit massiven psychischen Problemen, sie führen, obwohl dazu nicht geschult, psychologische Selbstanalysen durch und kommen so zu allen möglichen Erklärungsmustern für ihre Probleme. Diese Erklärungsmuster sind in der Gesamtheit heterogen bzw. inkompatibel und vielfach unwissenschaftlich. Die berühmten 60+ Geschlechter bei Facebook sind eine Folge davon. Da die feministischen bzw. Transsexuellen-Aktivisten einen hohen Opferstatus haben, dürfen ihre Meinungen aber nicht hinterfragt werden, zumindest nicht in feministischen Kreisen bzw. den feministischen Gender Studies.
Kampfbegriff "Gender"
Das definitorische Chaos um den Begriff Gender ist kein
Zufall, sondern direkte Folge davon, daß es sich um einen
politischen Kampfbegriff handelt. Dieser Begriff war und ist ein
wesentliches Werkzeug in den Machtkämpfen, in denen der
Feminismus (und in letzter Zeit der Transaktivismus) seine
heutige umfassende Machtposition erreichen konnte. Indem man
Begriffe umdefiniert, kann man insb. politische
Problemwahrnehmungen und die öffentliche Meinung verändern,
was wiederum zu Machtverschiebungen und eigenen materiellen
Vorteilen führt. Gender ist in zweierlei Hinsicht ein
Kampfbegriff:
- Weil er unscharf definiert ist, kann man in Debatten mit Begriffsverschiebungen taktieren, d.h. man verändert in einer Argumentationskette unmerklich die Bedeutung des Begriffs "Gender". Die Unschärfe der Definition wird in Debatten als klassische feministisches Doublespeak-Technik (Ambiguität) eingesetzt, Beispiele s.u.
- Die konkurrierenden Begriffsdefinitionen gehen auf unterschiedliche Denkschulen innerhalb des feministischen Ideologienspektrums zurück. Die beiden obigen Wikipedia-Definitionen sind ein Beispiel hierfür. Hierzu mache man sich klar, daß viele politisierte Begriffe implizit soziologische Theorien aufstellen, die in politischen Machtkämpfen als Munition benutzt werden. Ein Beispiel ist der Begriff "Patriarchat", der implizit die These aufstellt, daß sich "die Männer" gemeinsam und koordiniert gegen "die Frauen" agieren, Frauen also immer ein Opfer sind ("Opferabo"). Benutzt man einen solchen Begriff, bestätigt man implizit die darin unterstellten soziologischen Theorien bzw. Dogmen als zutreffend.
- "Gender" wird überwiegend als "das soziale Geschlecht" einer Person definiert, also begrifflich als eine Eigenschaft einzelner Personen, die sich auf deren soziales Verhalten bezieht und für die es mehrere Ausprägungen gibt.
- In Wortverbindungen wie "Gender Mainstreaming", "Gender-Medizin", "Gendergerechtigkeit" (vgl. Kampfbegriff "Geschlechtergerechtigkeit") u.a. bedeutet "Gender" stattdessen faktisch das biologische Geschlecht von Personen, das Sozialverhalten spielt hier keine Rolle.
- In Wortverbindungen wie "pro-gender", "anti-gender" (ca. 93.300 Ergebnisse bei Google), "Anti-Genderismus", "Gender-Sensibilität" u.a. steht Gender für die feministische Ideologie oder unklar bleibende politische Einstellungen. Die Begriffsverschiebung ist bei "anti-gender" besonders plump und dreist: Menschen weisen offensichtlich die Eigenschaft "Geschlecht" auf. Insofern ist es absurd, gegen das Vorhandensein dieser Eigenschaft zu sein. Durch die Begriffsverschiebung von einer Eigenschaft zu einer Ideologie wird suggeriert, daß es absurd ist, gegen die feministische Ideologie zu sein. Ein analoger Begriff ist "Anti-Körpergewicht", dessen Unsinnigkeit offensichtlich ist.
Soziale Geschlechtsbegriffe
Gender - Übersicht über die Begriffsvarianten
Wie schon in der Einleitung an Beispielen gezeigt, wird
der Begriff Gender mit extrem verschiedenen Definitionen
benutzt, die mehr oder weniger entfernt mit
Sozialverhalten bzw. sozialer Rolle zu tun haben.
Ein erster Grund für die Konfusionen ist die unpassende
(sozusagen falsche) Verwendung des Bezeichners "Gender"
für den Begriff "biologisches Geschlecht" (bzw. "Sex"),
z.B. in Gender-Medizin oder Gender-Mainstreaming, oder für
"Geschlecht" als Oberbegriff. Dies sind - wenn keine
Absicht dahinter steht - sozusagen redaktionelle Mängel,
man kann sie theoretisch leicht beheben, indem man für
einen bestimmten Begriff (in Sinne einer Definition)
überall einheitlich den gleichen Bezeichner verwendet, was
wir i.f. voraussetzen.
Die komplizierteren inhaltlichen Definitionsunterschiede
kommen - wie auch sonst - daher, daß ein sehr abstrakter
Begriff in verschiedenen Kontexten unterschiedlich
konkretisiert wird. In diesen Kontexten dient der Begriff
"Gender" jeweils anderen Zwecken und steht mit anderen
Begriffen in Verbindung:
-
Gender als grammatische Geschlecht (Genus) von
Substantiven
Der Begriff "Gender" stammt aus der Sprachforschung und bezeichnet dort das grammatische Geschlecht (Genus) von Substantiven. Im Deutschen sind dies die Ausprägungen "Maskulinum (Androgynum)", "Femininum" und "Neutrum". Ein Zusammenhang zwischen grammatischen Geschlecht und Sozialverhalten wird nur in der weitgehend widerlegten Sapir-Whorf-Hypothese behauptet. Daher betrachten wir diesen Begriff hier nicht weiter. -
Gender als persönliche sexuelle Orientierung
Der Begriff "Gender" wird vielfach als Synonym für die persönliche sexuelle Orientierung benutzt, z.B. bei den berühmten über 60 Geschlechtern bei Facebook. "Sexuelle Orientierung" umfaßt hier ein unklares Konglomerat von Merkmalen:- biologische Merkmale, insb. die sexuelle Attraktion,
- psychologische Merkmale wie die sexuelle Identität,
- soziale Merkmale, z.B. das Paarungsverhalten
-
Gender als empirische Klassifikation beobachtbaren
geschlechtsspezifischen Sozialverhaltens
Der Begriff "Gender" wird sehr oft informell als soziales Analogon zum biologischen Geschlecht definiert und wäre dann eine empirische Klassifikation beobachtbaren geschlechtsspezifischen Sozialverhaltens. Mehr Details dazu im nächsten Abschnitt. -
Gender als Machtinstrument zur Durchsetzung von
Diskriminierungen (von Frauen)
Der Begriff "Gender" wird in großen Teilen der Gender Studies und feministischen Ideologie normativ verstanden. Hierbei wird ein grundsätzlich anderes Modell der Realität unterstellt, in dem "Gender" ein Machtinstrument zur Durchsetzung von Diskriminierungen ist. Das "soziale Geschlecht" wird einer Person zugewiesen, um sie in bestimmte Rollen bzw. Verhaltensmuster zu zwingen. Mehr Details dazu weiter unten.
Das Problem der unbegrenzt vielen denkbaren
Verhaltensarten bzw. -Dimensionen
Der empirische wie der normative Gender-Begriff beziehen
sich beide auf das "Sozialverhalten" oder "Rollen" von
Individuen. Offen bleibt, was damit gemeint ist.
"Verhalten" ist ein nahezu beliebig weit dehnbarer
Begriff. Die wichtigsten Verhaltenskategorien bzw.
Dimensionen, in denen unterschiedliches Verhalten von
Frauen und Männern zu beobachten ist und die daher in der
Geschlechterdebatte wahrgenommen werden, sind:
- direkte Reproduktionstätigkeiten: Zeugung, Vorbereitung der Geburt, Geburt, Stillen nach der Geburt
- Wahl von Sexualpartnern (Sex, auch ohne Zeugung)
- Flirten, Anbahnung von sexuellen Beziehungen
- Innenverhältnis in Beziehungen / Ehe (wer putzt wieviele Minuten pro Woche? Ist Schuheeinkaufen auch Arbeit? ...)
- Berufswahl
- Sport
- Wahl der Kleidung
- Meinungen (wer denkt was über andere und "achtet" / "wertschätzt" die Gegenseite, ...)
Konsequenzen für den empirischen bzw. normativen
Gender-Begriff
Offensichtlich kann man nicht alle Aspekte des Verhaltens
von Männern und Frauen bei der empirischen Beobachtung von
Personen bzw. bei der postulierten normativen Wirkung
eines Geschlechts berücksichtigen, sondern nur eine
willkürliche Auswahl. Damit scheitert aber der
Begriff Gender, sowohl in der empirischen wie der
normativen Variante. Wenn Gender ein Merkmal von Personen
sein soll, muß man die Menge der Ausprägungen dieses
Merkmals beschreiben können. In den beiden folgenden
Abschnitten gehen wir hierauf für den empirischen bzw.
normativen Gender-Begriff detaillierter ein.
Der empirische Gender-Begriff
Gender als empirische
Klassifikation beobachtbaren geschlechtsspezifischen
Sozialverhaltens
Der empirische Begriff "Sex" unterstellt eine
naturwissenschaftliche Denkweise und die Absicht, eine
vorhandene Realität möglichst genau zu beschreiben, indem
durch empirische Methoden möglichst gute Modelle der
Realität entwickelt werden. Analog kann man einen
empirischen Begriff "Gender" verstehen als
beobachtbares Merkmal von Personen mit mehreren
unterschiedlichen Ausprägungen. Ausprägungen dieses
Merkmals sind bestimmte Kategorien von beobachtbarem,
geschlechtsbezogenem Sozialverhalten.
Ermitteln kann man diese Kategorien mit Methoden der
empirischen Sozialforschung, z.B. durch eine
Clusteranalyse der beobachtbaren Verhalten (in einer
bestimmten Population). Der empirische Begriff "Gender"
ist also verbunden mit einer Nominalskala der Ausprägungen
oder er unterstellt zumindest, daß diese Skala empirisch
bestimmt werden könnte. Die Skala kann äußerlich ähnlich
aussehen wie die Facebook-Skala, hat aber inhaltlich eine
andere Bedeutung (die Facebook-Skala enthält viele
Selbstdeklarationen, die keine empirische Relevanz haben).
Bestimmung von Ausprägungen
Zuständig für die Ermittelung der Kategorien sind
empirische Sozialforscher. Die vorgefundenen Cluster sind
zu benennen und bilden dann linguistische Terme. Ob und
inwieweit ein linguistischer Term auf das Verhalten einer
konkreten Person zutrifft, die Person also zu dem Cluster
gehört, ist durch Vergleich mit den charakterisierenden
Eigenschaften des Clusters zu berechnen.
Für den empirischen Gender-Begriff spielt es keine Rolle,
ob Unterschiede im Sozialverhalten biologisch bestimmt
oder sozial erlernt oder in Kombination von beidem
entstanden sind. Entscheidend ist, daß sie in der Realität
auftreten. Die oben zitierte Definition von "Gender" in
der englischen Wikipedia entspricht insofern dem
empirischen Gender-Begriff.
Konsequenzen aus der Willkürlichkeit der Wahl der
beobachteten Verhaltensarten für den empirischen
Gender-Begriff
Für einen empirischen Gender-Begriff müßte für jeder
Verhaltensdimension eine Skala und ein Meßverfahren
definiert werden. Oft ist unklar, wie die Skala und das
Meßverfahren aussehen sollte. Was ist z.B. die
"Kleidungskategorie einer Person"?
Ein konkretes soziales Geschlecht wäre dann eine
Kombination von je einer Verhaltenskategorie pro Merkmal.
Die Zahl der denkbaren Kombinationen ist extrem hoch.
Praktisch ist die Idee also nicht realisierbar,
einigermaßen genau beschreibbare soziale Geschlechter
analog wie biologische Geschlechter durch empirische
Verfahren zu bilden. Dies gilt nicht nur für einen
wissenschaftlichen Ansatz im Forschungslabor, sondern auch
im Alltag durch normale Menschen, die nur eine
überschaubare Anzahl von Personen gut genug kennen. Wenn
man nur 50 "Charaktere" kennt, kann man nicht unterbewußt
5.000 Geschlechtskategorien bilden.
Zusammengefaßt: Man kann ein empirisches
Personenmerkmal "soziales Geschlecht" analog zum
wahrnehmbaren biologischen Geschlecht postulieren,
scheitert aber daran, Ausprägungen dieses Merkmals bzw.
eine Skala von Ausprägungen zu bilden und entsprechende
Kategorien von Personen abzugrenzen. Der Begriff ist daher
sinnlos.
In der Praxis führen diese Probleme dazu, daß man bei der
Betrachtung "sozialer Geschlechter" nur eine sehr
kleine, willkürlich gewählte Menge von
Personenmerkmalen heranzieht, darunter fast immer die
sexuelle Attraktion und die sexuelle Identität, also in
Wirklichkeit biologische bzw. psychologische Merkmale.
Ergänzende Literatur
-
David P. Schmitt: Statistical Abracadabra: Making Sex Differences
Disappear. Psychology Today, 02.12.2015. https://www.psychologytoday.com/blog/sexual-personaliti ... sappear
Gibt eine gut lesbare Übersicht über wichtige neue Veröffentlichungen zum Thema biologisch verursachte Differenzen im Verhalten und in Persönlichkeitsmerkmalen.
Der normative Gender-Begriff
Gender als Verhaltensvorschrift
In allen Kulturen kann man das soziale Phänomen
beobachten, daß Personen anhand ihrer beobachtbaren
geschlechtsspezifischen Körpermerkmale einem der beiden
beobachtbaren biologischen Geschlechter zugeordnet werden
und diese beiden Kategorien von Personen rechtlich oder in
sozialen Erwartungen verschieden behandelt werden -
beispielsweise müssen nur Männer Wehrdienst leisten, und
Männer und Frauen kleiden sich verschieden. Es wird also
mehr oder weniger intensiver Druck ausgeübt, sich in
bestimmter Weise unterschiedlich zu verhalten.
In diesem Zusammenhang versteht man unter Begriffen wie
Geschlechtsrolle (hierzu synonym:
Geschlechterrolle) oder Rolle oder Rollenmodell eine
bestimmte Menge von Verhaltensvorschriften (bzw.
soziale Normen). Zu deren Durchsetzung muß wiederum Macht
vorhanden sein.
Geschlechtsrollen sind historisch relativ langfristig
beobachtbare Phänomene und insofern stabil. Da in der
feministischen Ideologie postuliert wird, sie seien nicht
von Natur aus vorhanden, wird geschlußfolgert, sie würden
sozial produziert bzw. mit Blick auf das langfristige,
wiederholte Auftreten "reproduziert". Für diese
Reproduktion muß man wiederum die Existenz eines
gesellschaftlichen Prozesses postulieren, der die
Reproduktion sicherstellt - daher werden Geschlechtsrollen
oft als "prozeßhafte" Phänomene bezeichnet, denn die
Rollen ändern sich im Laufe der Zeit.
"Reproduktion" bezieht sich hier auf die Wiederholung von
Phänomenen über wenigstens zwei Generationen hinweg. Der
normative Gender-Begriff unterstellt also grundsätzlich eine
historische Sichtweise. Er ist daher mit den enormen
Problemen befrachtet, die äußeren sozialen Verhältnisse,
deren psychologische Wirkungen und den Bildungsstand
früherer Generationen exakt genug zu verstehen.
Thematisch kann eine Verhaltensvorschrift kleinere oder
größere Lebensbereiche betreffen, sehr präzise oder nur
unscharf definiert sein und mit verschiedenen Strafen und
Sanktionen bei Zuwiderhandlung verbunden sein. Wie
erfolgreich die Verhaltensvorschrift ist, also wie exakt
das vorgeschriebene Verhalten später in der Realität bei
einzelnen Personen oder im Durchschnitt beobachtet werden
kann, spielt hier begrifflich keine Rolle, entscheidend
ist nur die Existenz der Verhaltensvorschrift.
Soziale Konstruktion bzw. "Zuweisung" von Geschlecht
Der normative Gender-Begriff drückt also implizit
aus, daß eine Gesellschaft Personen anhand ihrer
wahrnehmbaren biologischen Geschlechter mittels einer oder
mehrerer Geschlechtsrollen willkürlich zu
unterschiedlichem sozialen Verhalten zwingt. Die
Geschlechtsrollen sind also Machtinstrumente, mit denen
Gesellschaften geformt werden und hinter denen bestimmte
Akteure und Interessen bestehen. Passend dazu findet man
in der feministischen Literatur oft die Behauptung, das
Geschlecht / Gender würde einer Person "zugewiesen" oder
sei - ggf. durch diese als Willkür empfundene Zuweisung -
"sozial konstruiert" (Meissner (2008)). Judith Lorber definiert
beispielsweise in dem Standard-Textbuch der Gender Studies
"Gender-Paradoxien":
In meiner eigenen Arbeit spalte ich die übliche Zusammenfassung von Sex/Gender ... in drei deutlich unterschiedenen Kategorien ... - sex (Biologie, Physiologie), Sexualität (sexuelle Wünsche, sexuelle Präferenz, Orientierung, Identität) und gender (sozialer Status, Position in der sozialen Ordnung). Alle drei Kategorien sind sozial konstruiert, aber jede auf unterschiedliche Weise.Insofern kann man sich fragen, ob "Gender" im normativen Sinne nicht eher eine Eigenschaft von Gesellschaften ist (anstatt, was normalerweise unterstellt wird, eine Eigenschaft einzelner Menschen) und welche Ausprägungen davon existieren. Bezogen auf eine Gesellschaft wäre es die Menge der Geschlechtsrollen oder allgemeiner geschlechtsspezifischer Verhaltensmuster, die in dieser Gesellschaft vorkommen. Bezogen auf eine einzelne Person wären es eine oder mehrere Geschlechtsrollen bzw. Verhaltensmuster, die von dieser Person praktiziert werden bzw. eingehalten werden müssen. Unklar in der Begriffsbildung ist regelmäßig, ob eine Person nur genau ein Gender haben kann oder mehrere gleichzeitig (bei Verhaltensmustern). Wenn man die Menge aller Personen nach dem Geschlecht in disjunkte Gruppen einteilen will - das ist meistens der Fall - darf eine Person nur ein Gender haben.
Bestimmung der Ausprägungen von "Gender" beim
normativen Gender-Begriff
Beim normativen Gender-Begriff sind dessen Ausprägungen,
z.B. bestimmte Vorurteile, im Prinzip durch Analyse der
Machtstrukturen einer Gesellschaft zu bestimmen, unter
Einsatz von Methoden der empirischen Sozialforschung. Ob
sich die Machtstrukturen in meßbaren
Verhaltensunterschieden äußern, ist im Prinzip
unerheblich.
Häufig wird allerdings schon alleine aus der Existenz von
sozialen Ungleichheiten, z.B. Gehaltsdifferenzen,
monokausal und belegfrei auf die Existenz einer diffuser
Machtstrukturen (z.B. unsichtbare gläserne Decken)
zurückgeschlossen, die genau diese Ungleichheit bzw.
Diskriminierung erzeugen. Grau (2015) weist auf den "Entlarvungsgestus"
dabei hin, oft hat die Argumentation auch die Qualität
einer Verschwörungstheorie.
Welche Gender-Ausprägungen insgesamt existieren, hängt
damit offenbar nur von der Kreativität des "Patriarchats", also einem Phantasieprodukt ab.
Ein Genderforscher braucht daher keine komplette Skala von
Gender-Ausprägungen zu erstellen, sondern kann sich darauf
beschränken, einzelne Diskriminierungen zu postulieren und
sie mit dem pauschalen Verweis auf "das Patriarchat" oder
"patriarchale Strukturen" zu "beweisen".
Dies erklärt den verblüffenden Befund, daß zwar sehr
häufig von Gender als "sozialem Geschlecht" die Rede ist,
aber praktisch nie konkrete Ausprägungen angegeben werden,
die nicht in Wirklichkeit biologisch oder psychologisch
definiert sind.
Konsequenzen aus der Willkürlichkeit der Wahl der
beobachteten Verhaltensarten für den normativen
Gender-Begriff
Der normative Gender-Begriff ist nicht direkt von dem
Problem der nicht beherrschbaren Zahl von sozialen
Geschlechtskategorien betroffen, denn er zielt ja nicht
auf die Bildung solcher Kategorien, sondern behandelt nur
die Ursachen (Diskriminierungen), die möglicherweise zur
Bildung solcher Kategorien führen.
Indirekt ist der normative Gender-Begriff trotzdem
betroffen, weil vielfach von erkennbaren
Geschlechterunterschieden auf eine Diskriminierung
zurückgeschlossen wird und in diesem Zusammenhang als
Ausgangsbasis empirische Geschlechtskategorien gebildet
werden.
Literatur
- Alexander Grau: Die Gendertheorie ist ein kollektiver Irrtum. Cicero, 25.04.2015. https://www.cicero.de/kultur/soziale-konstruktion-die-g ... m/59168
- Judith Lorber: Gender-Paradoxien. Aus dem Englischen übersetzt von Hella Beister. Leske und Budrich / Springer Fachmedien, 1999. https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-663-10135-2
- Hanna Meißner: Die soziale Konstruktion von Geschlecht -
Erkenntnisperspektiven und gesellschaftstheoretische
Fragen. Gender Politik Online, FU Berlin, 06.2008. https://www.fu-berlin.de/sites/gpo/soz_eth/Geschlecht_a ... ex.html
Die Annahme, dass Geschlecht eine soziale Konstruktion ist, kann in weiten Teilen der Frauen- und Geschlechterforschung als eine Art Minimalkonsens gelten. ...
Spezielle Probleme des normativen
Gender-Begriffs
Fehlende Unabhängigkeit biologischer und
sozialer Verhaltensdifferenzen
Für den empirischen Gender-Begriff spielen die Ursachen
geschlechtsbezogener Verhaltensunterschiede keine Rolle,
denn es wird nur der Zustand, aber nicht dessen Entstehung
beschrieben (im Prinzip zumindest). Für den normativen
Gender-Begriff ist es ein zentrales Problem, zwei Arten
von Verhaltensunterschieden trennen zu müssen: die
biologisch oder psychologisch verursachten und die durch
soziale Strukturen verursachten. Oft wird betont,
unmittelbar reproduktives Verhalten, z.B. Gebären von
Kindern, sei natürlich biologisch bestimmt und nicht
sozial konstruiert, und mit dieser Haltung sei gezeigt,
daß man die biologischen Aspekte anerkenne und angemessen
berücksichtigt habe. Die oben zitierte Definition von
Lorber greift zu dem Trick, einfach definitorisch zwischen
biologisch, psychologisch und sozial verursachten
Verhaltensdifferenzen zu trennen. Dies unterstellt
stillschweigend, daß diese Ursachen überhaupt trennbar
sind und nicht zusammen, sondern unabhängig voneinander
wirken.
Diese Unabhängigkeits-Annahme wäre erst einmal zu
beweisen. Sie steht in krassem Gegensatz dazu, daß
biologisch oder psychologisch verursachte
Verhaltensdifferenzen nahezu alle Lebensbereiche
beeinflussen (s. u.a.
Baumeister (2007),
Baumeister (2010),
Baron-Cohen (2006),
Bischof-Köhler
(2004),
Bischof-Köhler
(2011)),
in einigen Verhaltensbereichen sogar dominierend.
Ohne diese Unabhängigkeits-Annahme implodiert der
normative Gender-Begriff sozusagen: wenn es keine
ausschließlich sozial verursachten sozialen
Geschlechterdifferenzen gibt, dann wird er sinnlos und
müßte im Sinne der englischen Wikipedia-Definition für
biologische Einflußfaktoren geöffnet werden. Man kann dann
auch nicht mehr folgern, das Verhalten nach Belieben durch
Interventionen und Umerziehungsmaßnahmen anders gestalten
zu können.
Abhängigkeit von umstrittenen sozialen Theorien
und willkürlichen ethischen Wertungen
Wie schon oben erwähnt ist beim normativen Gender-Begriff
"ein Gender" eine spezielle Form von sozialem Mechanismus,
der i.a. als Diskriminierung verstanden wird, d.h. dessen
Auswirkungen ethisch verurteilt werden.
Man wird also hier begrifflich abhängig von:
- sozialen Theorien, wonach die unterstellten Mechanismen alleinige oder wesentliche Ursache der Auswirkungen sind - die in diesem Zusammenhang präsentierten sozialen Theorien sind regelmäßig hochumstritten -
- von ethischen Bewertungen - diese sind prinzipiell immer willkürlich.
Weitere Kampfbegriffe
Kampfbegriff "gender-sensibel"
Der Begriff "gender-sensibel" (bzw.
"Gender-Sensibilität") drückt aus, daß irgendjemand
besonders sensibel (a) über Genderfragen nachdenkt oder
(b) besonders viel Rücksicht auf "das Gender" von Personen
nimmt.
Was "das Gender" von Personen ist, bleibt fast immer undefiniert. In der Praxis läuft es
auf das biologische Geschlecht
hinaus.
Worin die Sensibilität genau besteht, bleibt ebenfalls
völlig offen und liegt im Ermessen von tonangebenden
Feministinnen.
Gender-Sensibilität überlappt begrifflich stark mit dem
Begriff Gender Mainstreaming, ohne
dessen etwas hölzernen Klang und offiziellen
bürokratischen Charakter zu haben. Er hat aber die gleiche
versteckte Schlagseite, faktisch fast immer für eine
Bevorzugung von Frauen zu stehen.
Eine sich als gender-sensibel darstellende Person
positioniert sich zugleich als moralisch besonders
hochstehend, und da Sensibilität ein weiblich konnotierter
Begriff ist, also als moralisch überlegen, denn Frauen lügen
nicht. Männer werden sich i.d.R nicht als gender-sensibel
bezeichnen oder bezeichnet werden. Analog dazu kann, wenn
ein gender-sensibles Verhalten gefordert wird, dessen
Ablehnung ohne jede Sachdiskussion als moralisch
minderwertige Position diskreditiert werden.
Kampfbegriff "gendergerecht"
Der Kampfbegriff "gendergerecht" drückt aus, daß etwas -
eine Sprechweise, ein Verhalten o.ä. - eine oder die einzige
moralisch vertretbare Alternative in einer Situation ist,
während andere, nicht erwähnte Alternativen "ungerecht"
sind. Er wird sehr oft im Zusammenhang mit der Sprache
("gendergerechte Sprache") verwendet.
I.d.R. wird nicht begründet, was an den bevorzugten
Alternativen gerecht und an den anderen Alternativen
ungerecht ist. Bei ungegenderten Sprechweisen ist es z.B.
hochgradig umstritten und zweifelhaft, daß diese in
irgendeinem Sinne schädlich oder ungerecht sind.
In "gendergerecht" sind die beiden enthaltenen Begriffe
"Gender" und "gerecht" weitgehend undefiniert. Man kann
davon ausgehen, daß dies Absicht ist, um so die
Fragwürdigkeit des Begriffs zu kaschieren.
Aus dem Kontext ergibt sich i.d.R., daß Frauen und Männer
unterschieden werden sollen, mit "Gender" das biologische
Geschlecht gemeint ist. Das ist aber gerade das Gegenteil
dessen, was mit dem Begriff "Gender"
von Personen im Sinne eines sozialen Geschlechts
intendiert war. Es bleibt also unklar, welche
Personengruppen oder -Typen hinsichtlich der Gerechtigkeit
oder rechtlicher Regelungen zu unterscheiden sind.
Beim Begriff "gerecht" bleibt völlig offen, auf welche Gerechtigkeitstheorie und welche Rechtssubjekte man
sich bezieht, also nach welchen Maßstäben Dinge als gerecht
oder ungerecht beurteilt werden.
Besonders tückisch ist hier eine versteckte
antidemokratische Haltung. In einer liberalen Demokratie
haben grundsätzlich nur Individuen Rechte und Anspruch auf
gerechte Behandlung, willkürlich gebildete Kollektive
hingegen nicht. Der Begriff "gendergerecht" wird im
Gegensatz dazu sehr oft in einem Sinn benutzt, daß
Kollektive - hier gebildet aus den Individuen, die sich
einem bestimmten Gender zuordnen - Inhaber von Rechten sind
bzw. Anspruch auf Gerechtigkeit haben, z.B. sprachlich
repräsentiert zu werden oder Machtpositionen besetzen zu
dürfen. Der Begriff "gendergerecht" ist insofern ein Angriff
auf die elementaren Grundlagen unserer Rechtsordnung.
Ähnlicher Begriff: gender-sensibel
Kampfbegriff "Anti-Genderismus"
"Anti-Genderismus" ist i.w. ein feministischer
Kampfbegriff, dessen wörtliche Bedeutung völlig unklar
ist, der aber generell immer im Sinne einer böswilligen,
ungerechten Kritik am oder Widerstand gegen den Feminismus
benutzt wird. Beispielsweise ist Anti-Genderismus für
Hark (2015) eine
»Anti«-Haltung, eine Abwehr gegen Gender beziehungsweise
gegen das, was diesem Begriff unterstellt wird. Analog
zum Begriff Antifeminismus dient die
negativ besetzte Vorsilbe "anti" dazu, jegliche
Feminismuskritik zu denunzieren
Der Begriff ist insofern ein Kuriosum, als es den
Basisbegriff "Genderismus" zumindest in der feministischen
Terminologie nicht gibt. Die feministisch kontrollierte
Wikipedia hat z.B. keinen Eintrag dafür. Wenn man
Anti-Genderismus = Antifeminismus setzt, dann ist
Genderismus = Feminismus, steht also z.B. für die
blank-slate-Hypothese, die freie Wahl des Geschlechts oder
ähnliche feministische Dogmen. In diesem Sinn wird
Genderismus z.T. in religiös geprägten Beiträgen als
Schimpfwort benutzt.
Als Selbstzuschreibung wird er von Feministinnen wegen
seines negativen Klangs ("ich bin für mehr Genderismus")
i.d.R. nicht genutzt.
Diametral entgegengesetzt zur vorstehenden Bedeutung
definiert die englische Wikipedia den Begriff Genderism:
Genderism, or gender binarism, is the social system or cultural belief that gender is a binary: that is, that there are, or should be, only two genders-masculine and feminine-with the aspects of one's gender inherently linked to one's genetic sex, or sex assigned at birth.Nach dieser Definition sind Feministen offensichtlich Anti-Genderisten. Je nach Kontext steht der Begriff Anti-Genderismus also wahlweise für (Pro-) Feminismus oder Antifeminismus.
Quellen
- Sabine Hark, Paula-Irene Villa: Anti-Genderismus - Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen. Bielefeld: transcript, 2015. https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-3144-9/anti-genderismus
Kampfbegriff "Zweigeschlechtlichkeit" bzw.
"(Geschlechts-) Binärismus"
Unter Zweigeschlechtlichkeit bzw. (Geschlechts-) Binärismus
versteht man in feministischen bzw. transaktivistischen
Kontexten (s.a. Anmerkungen) die als falsch angesehene These, daß
es nur zwei Geschlechter gibt - und nicht 5 oder 73 oder
sogar eine Kontinuum von Geschlechtern, also
unbeschränkt viele Geschlechter. Ferner wird ausgedrückt,
daß die Gesellschaft ungerechtfertigt jedes Individuum
zwingt, sich einem der beiden Geschlechter Mann und Frau
zuzuordnen.
Offen bleibt hierbei, auf welchen Geschlechtsbegriff man
sich bezieht, und darin liegt der wesentliche Trick dieses
Kampfbegriffs. Mit Verweis auf Intersexuelle kann man
relativ leicht zeigen, daß zwei Geschlechtskategorien nicht
für alle Zwecke ausreichen. Damit hat man scheinbar den in
dem Begriff liegenden Vorwurf bewiesen, daß die
Einschränkung auf zwei Geschlechter falsch ist und
stattdessen beliebige weitere Geschlechter anerkannt werden
müssen. Gleichzeitig wird ein hoher Opferstatus für Personen
reklamiert, die sich als non-konform, also nicht zu
den zwei üblichen Geschlechtern zugehörig, definieren.
Der Argumentationstrick- bzw. Fehler besteht darin, einen
universell anwendbaren Geschlechtsbegriff zu unterstellen,
den es aber, wie hier ausführlich
dargestellt, nicht sinnvoll geben kann. Daß es
biologische Problembereiche gibt, die mehr als zwei
Geschlechter benötigen, beweist eben gerade nicht, daß diese
Klassifizierung auch in anderen Problembereichen notwendig
und angemessen ist und daß Klassifizierungen in zwei
Geschlechter generell falsch sind. Insb. ist damit überhaupt
nicht bewiesen, daß die i.d.R. unsauber definierten
psychologischen bzw. sozialen Geschlechtsbegriffe sinnvoll
sind bzw. die Realität korrekt abbilden.
Anmerkungen
Im allgemeinen Sprachgebrauch, zumindest nach der Definition
des Duden und anderer Lexika, hat der Begriff Zweigeschlechtlichkeit eine
völlig andere Bedeutung, nämlich das Vorkommen von
doppelgeschlechtlichen Individuen, bei denen männliche und
weibliche Geschlechtsausprägungen gleichzeitig auftreten.
Damit ist es weitgehend bedeutungsgleich mit (bzw. ein
Synonym von) Androgynität, Hermaphroditismus, Zwittertum
oder Zwittrigkeit.
Nonsense-Begriffe im Themenbereich Geschlechtsbegriff:
agender, nichtbinär, genderfluid
Eine Reihe von Begriffen im Themenbereich
Geschlechtsbegriff kann man noch so eben als Kampfbegriffe
bezeichnen, da sie die Debatte vernebeln und eine
versteckte Agenda befördern wollen. Hauptmerkmal dieser
Begriffe ist indes, daß sie definitorische
Fehlkonstruktionen sind und eigentlich keinen Sinn machen
(weswegen man sie eher als Bullshit im Sinne von Harry G. Frankfurt
bezeichnen könnte). Beispiele hierfür sind agender,
nichtbinär und genderfluid.
Hierbei handelt es sich um Bezeichnungen für eine Ausprägung
des Merkmals Geschlecht - es bleibt offen, welcher Anwendungskontext
und welcher Geschlechtsbegriff gemeint ist
(biologisch
kommt nicht infrage, möglich wäre ein psychisches (bzw. mentales)
oder soziales
Geschlecht).
Welcher Geschlechtsbegriff auch immer gemeint sein mag, die
Ausprägung "agender" soll andeuten, daß man keine Ausprägung
davon hat. Man negiert hier also, daß das Merkmal Geschlecht auf
einen zutrifft, will aber trotzdem danach klassifiziert
werden und sich von Personen anderen Geschlechts unterscheiden.
Das ist ein innerer Widerspruch.
Ersatzweise könnte man "agender" als "anders als alle
anderen Geschlechter, die eine klare Definition haben"
auffassen. Es gibt dummerweise mehrere Geschlechter, die
keine klare Definition haben, daher hilft dieser Ansatz
nicht weiter. "agender" kann auch nicht als "unbekannt"
aufgefaßt werden, denn wenn die Ausprägung unbekannt ist,
kann man nicht wissen, daß sie anders als diverse andere
Ausprägungen ist.
Die Ausprägung "nichtbinär" (die mehr oder weniger
bedeutungsgleich mit "[gender] non-konform[ing]" zu sein
scheint) ist eine ähnliche Fehlkonstruktion wie "agender".
"Binär" ist eine Eigenschaft von Geschlechtsbegriffen, sie
besagt, daß es genau 2 Ausprägungen dieses Merkmals gibt.
"Binär" ist grundsätzlich keine Eigenschaft von Personen,
"binär" auf Personen anzuwenden ist sozusagen ein
Kategorienfehler. Das gleiche gilt für die Negation von
"binär",
Aus den gleichen Gründen wie bei "agender"
hilft die Ersatzbedeutung "anders als die beiden
üblichen Geschlechter" nicht weiter.
Um die Unsinnigkeit von "genderfluid" zu erkennen, muß man
sich klar machen, daß der Sinn von
Geschlechtsbegriffen immer darin besteht, in einem
bestimmten Anwendungskontext Personen abhängig von ihrem
Geschlecht unterschiedlich zu behandeln. Sonst bräuchte man
die Begriffe nicht und es gäbe sie nicht. Die
unterschiedlichen Behandlungen von Personen
unterschiedlichen Geschlechts sind i.d.R. langfristig
angelegt. Wenn sich nun das Geschlecht einer Person immer
wieder kurzfristig ändern kann, kommt es zu ständig zu
Falschbehandlungen. D.h. indirekt wird hier die
unterschiedliche Behandlung von Personen unterschiedlichen
Geschlechts - die sich i.d.R. aus einem realen Bedarf ergibt
- torpediert, damit wird der Geschlechtsbegriff als solcher
infrage gestellt bzw. negiert.