Mittwoch, 19. Dezember 2018

Die Tagesschau im Dienste der Wirtschaftseliten




Daß die Tagesschau regelmäßig feministische Propaganda verbreitet, war schon mehrfach Thema auf diesem Blog. Dies ist auch nicht anders zu erwarten, denn Propaganda funktioniert nur durch Beherrschung der Medien und mantraartige Wiederholung von Halbwahrheiten und verzerrten Darstellungen. Aktuelles Beispiel ist ein Bericht der Tagesschau vom 18.12.2018 über das Weltwirtschaftsforum und dessen Global Gender Gap Report, der natürlich auch das Leiden der Frauen in Deutschland beklagt.

Manufacturing Consent - die Lenkung der öffentlichen Meinung

Es wird mit der Zeit langweilig, immer wieder auf die feministischen Denk- und Argumentationsfehler hinzuweisen (das kommt am Ende dieses Blogposts als Pflichtübung). Der aktuelle Propaganda-Artikel der Tagesschau ist aber eine gute Gelegenheit, auf das 30-jährige Jubiläum des Buchs von Edward S. Herman und Noam Chomsky hinzuweisen: Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media. Dessen Grundthese, als Propaganda model bezeichnet, besagt, daß die kommerziellen Massenmedien zu einem inhärenten Interessengegensatz zwischen dem Anspruch der Öffentlichkeit, unvoreingenommen informiert zu werden, und den kommerziellen Interessen der Medien führen. Dieser Konflikt wird zugunsten der Medien und den dahinter stehenden Eliten aufgelöst, was insgesamt zu antidemokratischen Strukturen führt.

Nun wird die Tagesschau vordergründig betrachtet aus einer Kopfsteuer namens Rundfunkbeitrag finanziert und unterliegt damit nicht den gleichen Mechanismen wie kommerzielle Medien. Man könnte also auf eine kritische Distanz zu den Wirtschaftseliten hoffen.

Werfen wir also einen Blick auf das Weltwirtschaftsforum, eine in Cologny im Schweizer Kanton Genf ansässige Stiftung. Nach eigener Einschätzung ist sie eine "unparteiische gemeinnützige Organisation, die an keinerlei politische, parteiliche oder nationale Interessen gebunden ist". Mitglied sind rund 1000 Unternehmen, die Basis-Jahresmitgliedsgebühr beträgt 42500 CHF zzgl. einer Gebühr von 18000 CHF für die Teilnahme ihres Präsidenten am Jahrestreffen in Davos. Wer maßgeblich an den Initiativen des Forums mitwirken will, zahlt bis zu 500000 CHF p.a.

Eine der Initiativen ist der schon erwähnte Global Gender Gap Report. Es ist schwer vorstellbar, daß diese "Studie" nicht den Interessen der Beitragszahler des Weltwirtschaftsforums dient. Ein Vergleich mit dem in letzter Zeit heiß debattierten Migrationspakt drängt sich auf: hinter wohlgesetzten altruistischen Zielen versteckt sich das Interesse großer Arbeitgeber, effizient Migranten in den heimischen Arbeitsmarkt importieren zu können, um Löhne zu drücken. Von einem ÖR Medium wie der Tagesschau sollte daher eigentlich eine gewisse Distanz zu einer Studie eines solchen Unternehmerverbands erwarten. Stattdessen wird die "Studie" kritiklos hochgejubelt und um eigene kreative feministische Propaganda ergänzt (s.u.). Diese fehlende Distanz bestätigt einmal mehr eine These des Elitenforschers Michael Hartmann, daß die politisch-/medialen Eliten und die wirtschaftlichen Eliten in ihren Ansichten und Problemwahrnehmungen immer homogener werden, die politisch-/medialen Eliten also nicht mehr wie früher einen ideologischen Gegenpol und ein Korrektiv zu den wirtschaftlichen Eliten und deren Interessen bilden.

Inhaltliche Kritik am Global Gender Gap

Das Global Gender Gap eines Staates wird anhand von 14 Bewertungskriterien (s. S. 5, Tabelle 1 des Reports) in 4 Gruppen berechnet. Zu jedem Kriterium wird anhand einer Notenskala eine Note (Abstand von Idealzustand) vergeben, aus den Einzelnoten wird die Gesamtnote eines Staates berechnet, aus den Gesamtnoten wird ein Ranking der Staaten gebildet.

Zunächst kann man sich fragen, ob es überhaupt Sinn macht, Noten zu 14 kategoriell verschiedenen, willkürlich ausgewählten Kriterien zu addieren, was z.B. eine Gesamtnote von z.B. 0.726 absolut besagt und ob sie wirklich relativ besser als eine Gesamtnote von z.B. 0.712 ist.

Auf die stellenweise hanebüchenen Bewertungsmaßstäbe weist sogar die feministische Wikipedia hin. Bei allen Kriterien, bei denen Frauen im Vorteil sind, wird dies als "Parität" gewertet. Selbst wenn Frauen in allen Punkten besser gestellt sind als Männer, kann die Gesamtbewertung 1.0 (völlige Gleichberechtigung) nicht erreicht werden,

Daß aus einem Frauenanteil von unter 50% in Parlamenten auf eine Diskriminierung von Frauen geschlossen wird, ist absurd, negiert das Grundprinzip der repräsentativen Demokratie und unterstellt die zumindest in Deutschland verfassungswidrige Ansicht, daß Männer nicht die Interessen von Frauen vertreten können und umgekehrt, sondern beide feindliche Kollektive bilden, die sich nur selber vertreten können. Hier werden versteckt radikalfeministische Positionen zu moralischen Maßstäben befördert, dies wird dann hinter einer scheinbar objektiven, auf 3 Stellen genau angegebenen Gesamtnote versteckt.

Weitere gravierende methodische Fehler werden im Blog allesevolution dargestellt. Gleißner (2016) bezeichnet die Methoden des Reports (zu Recht) als unseriös und manipulativ.

Das Gender Gap in Artificial Intelligence

Besonders kreativ war der 2018er Gender Gap Report bei der Konstruktion einer neuen Diskriminierung von Frauen, dem Gender Gap in Artificial Intelligence. Hier wird der Frauenanteil der professionals with AI skills gemessen, wobei man sich auf die Selbsteinschätzungen von LinkedIn-Mitgliedern verläßt. Was genau AI skills sind, wird nur grob umrissen, genannt werden (S. 28) neural networks, deep learning, machine learning, and "tools" such as Weka and Scikit-Learn. Nun ist z.B. scikit-learn eine freie Software, die diverse Verfahren des Maschinelles Lernens implementiert. Niemand ist gehindert, sich diese Software zu besorgen und zu lernen, damit umzugehen. Fatalerweise muß man aber für einen sicheren Umgang mit diesen Werkzeugen die mathematischen Verfahren und Algorithmen verstanden haben. Bei einem hohen Beherrschungsgrad reden wir hier von 1 - 2 Semestern spezialisiertem Mathematikstudium. Wie hoch der Qualifikationsgrad der LinkedIn-Mitglieder ist, die in die Statistik eingegangen sind, bleibt unklar.

Auf den Seiten 28 - 32, die der Report dem Thema Gender Gap in Artificial Intelligence widmet, ist ständig von einem "talent pool" in AI die Rede - man fühlt sich begrifflich in die Human-Resources-Abteilung eines Unternehmens versetzt (eine Hinterfragung des Begriffs "Talent" muß hier aus Platzgründen entfallen).

Erwähnenswert an dieser Stelle ist, daß der Arbeitsmarkt für hochqualifizierte AI-Experten mit entsprechender mathematischer Vorbildung zur Zeit leergefegt ist und teilweise extrem hohe Gehälter gezahlt werden müssen, um wirklich qualifiziertes Personal zu bekommen. Dies macht die Einschätzung der im WEF versammelten Unternehmer nachvollziehbar, daß die Talentücke eine fokussierte Intervention erfordert (the talent gap ... will require focused intervention). Daß man mit "fokussierten Interventionen" eine Talentlücke schließen, also mathematisches Talent erzeugen kann, dürfte übrigens für die Mathematikdidaktik ganz neue Perspektiven eröffnen.

Der Abschnitt über das Gender Gap in Artificial Intelligence endet in folgendem Fazit:

... Artificial Intelligence is a field that is inclusive by design. Additionally, low integration of women into the AI talent pool, even in industries and geographies where the base of IT talent has a relatively high composition of women, reduces the diversity dividend among applications of these skills and indicates a significant missed opportunity in a professional domain where there is already insufficient supply of adequately qualified labour.
Das ist inhaltlich grober Unfug und wieder einmal eine frei erfundene (sozial konstruierte) Viktimisierung von Frauen. Die mathematischen Grundlagen der AI sind by design keineswegs inklusiv, weil den meisten Menschen das exklusive Talent dazu fehlt. Frauen (oder beliebige Personen) kann man nicht "in den AI Talent Pool integrieren", diese Personen müssen selber das Fachwissen erlernen, dann sind sie als Nebeneffekt Mitglied im Pool. Eine eventuelle geschlechtliche oder sonstige Diversität der Arbeitnehmer, die AI-Werkzeuge praktisch einsetzen, kann sich kaum auf deren Ergebnisse auswirken, denn die Ergebnisse hängen nur von den Trainingsdaten ab, nicht von Merkmalen der Person, die die Analysen aufruft. Insofern ist - unternehmerisch höchst bedauerlich - auch keine "Diversitätsdividende" zu erwarten.

Unternehmerisch interessant ist nur eine Vergrößerung des Arbeitskräfteangebots durch mehr Frauen, um die Vergütungen senken zu können. Genau das ist offensichtlich die Motivation hinter der neu erfundenen Viktimisierung von Frauen im Gender Gap in Artificial Intelligence.

Eigene Propaganda der Tagesschau

Die vorstehenden Kritikpunkte werden in der Darstellung der Tagesschau zufälligerweise nicht erwähnt. Stattdessen werden an einigen Stellen noch kreative Zusätze zum Opferstatus von Frauen ergänzt.

Los geht es noch vor der Hauptüberschrift in der Dachzeile:

Studie zur Gleichberechtigung
Nein, hier geht es nicht um Gleichberechtigung aller Individuen im Sinne gleicher Gesetze und Rechte für Männer und Frauen, sondern um eine statistische soziale oder kulturelle Gleichstellung der Kollektive der Männer bzw. Frauen, also um etwas völlig anderes.
Die Gleichberechtigung in Deutschland kommt kaum voran.
Stimmt, aber mit anderem Vorzeichen als hier unterstellt. Dazu müßten erst einmal Dutzende Gesetze, in denen Männner rechtlich schlechter als Frauen gestellt werden, beseitigt werden.
"Gleichzeitig sind Frauen in wachsenden Beschäftigungsfeldern, die MINT-Fähigkeiten und -Wissen erfordern, unterrepräsentiert."
Wieder einmal der Kampfbegriff von der Unterrepräsentanz von Frauen. Wir beobachten eines der Grundprinzipien von Propaganda bei der Arbeit, nämlich Falschaussagen oder mit Falschaussagen konotierte Begriffe immer wieder zu wiederholen - irgendwann glauben die Leute daran, dies sei die Wahrheit.
Einschub "Lohngerechtigkeit - Wie hoch ist der Gender Pay Gap wirklich?"
Ein Verweis auf einen Beitrag aus der Serie Faktenfinder. Mit "Faktenfinder" soll vermutlich angedeutet werden, daß in den anderen Tagesschau-Artikeln nicht notwendigerweise Fakten zu finden sind. Dies gilt leider auch für diesen Fakten(er)finder-Artikel.
Die Automatisierung wirke sich unverhältnismäßig stark auf Bereiche aus, die traditionell von Frauen besetzt waren.
Eine überraschende Erkenntnis, die in den Key Findings des Reports nicht gelistet wird, ich habe auch keine entsprechende Textstelle im Report gefunden. Triumphierenden feministischen Prognosen zufolge ("end of men") sind nämlich eigentlich die eher manuellen Tätigkeiten, die typisch für viele männlich dominierte Berufe sind, von Robotern und der Automatisierung bedroht.
Einschub "#kurzerklärt - Werden Frauen beim Verdienst benachteiligt?"
Diese Propagandaaktion hatten wir schon früher als Volksverdummung in der Tagesschau erkannt.
Nur mit Teilhabe der Frauen lasse sich das Versprechen einer wohlhabenderen und menschlich orientierten Zukunft umsetzen.
Große Worte, ohne klare Definition, ohne Abgrenzung, welche Staaten hier gemeint sind, eine frei erfundene Prognose. Die implizite Aussage, Frauen hätten derzeit nicht teil an der Macht oder der Gestaltung des Lebens, ist für alle modernen Staaten grob falsch. Reine Spekulation ist, ob die Gesellschaften mit noch mehr Teilhabe der Frauen wohlhabender werden (oder ob vorhandener Reichtum nur anders zugeordnet wird) und ob sie "menschlich orientierter" werden (was immer das heißt). Hier liegt ein klassisches Beispiel für die Propagandatechnik Ambiguität vor.

Quellen

Nachtrag

Der Vollständigkeit halber erwähnenswert ist natürlich noch, daß neben der Tagesschau auch andere Mainstream-Medien über den Global Gender Gap Report berichten und in diesen Berichten keinerlei Kritik an den Methoden des Reports geäußert wird, sondern stattdessen in die vorgelegten feministischen Klagelieder nacherzählt werden.

FAZ, Spiegel und Süddeutsche geben nur die Meldung der dpa - der inzwischen wichtigsten Redaktion des Landes - überarbeitet bzw. gekürzt wieder (ohne Autorenangabe). Die Süddeutsche schafft es dabei wieder einmal, das Globale Gender Gap mit dem Gender Pay Gap zu verwechseln, soviel zur journalistischen Qualität des Hauses. Auf ZEIT Online widmet sich Tina Groll ausführlicher ihrem Lieblingsthema.

Quellen:

  1. Kaum Fortschritte zu verzeichnen bei Gleichberechtigung. FAZ, 18.12.2018. https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/gleichberechtigu ... 62.html
  2. Tina Groll: Digitalisierung trifft vor allem schlecht bezahlte Frauen. ZEIT Online, 18.12.2018. https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-12/gleichberechtigu ... ansicht
  3. him/dpa: Gleichberechtigung in Deutschland stagniert. Spiegel Online, 18.12.2018. http://www.spiegel.de/karriere/deutschland-gleichberech ... 38.html
  4. Gleicher Lohn in 200 Jahren. Süddeutsche, 18.12.2018. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/gender-pay-gap-g ... 4258961

Nachtrag 17:30

Zufälle gibt's - nur wenige Stunden nach diesem Blogpost veröffentlicht der Spiegel (um 12:45 Uhr) in eigener Sache einen Artikel, Fichtner (2018), der einen massiven Betrugsskandal im eigenen Hause offenlegt. Ein mit Journalismuspreisen überhäufter Autor des Hauses, Claas Relotius, ist überführt worden und hat gestanden, große Teile seiner preisgekrönten Reportagen frei erfunden zu haben.

Womit wir wieder bei dem oben zitierten Buch Manufacturing Consent von Herman und Chomsky wären. Dessen Grundthese lautet, daß die Medien nicht unvoreingenommen berichten, sondern unter dem Einfluß der machthabenden Eliten, vor allem der Wirtschaftseliten, stehen und die von diesen Eliten gewünschte öffentliche Meinung herstellen, ihre Berichterstattung ist letztlich Propaganda. Die ersten Darstellungen des Relotius-Skandals deuten darauf hin, daß hier eine weitere Machtelite, die 1988 von Herman und Chomsky nicht beachtet wurde, weil sie ggf. noch unbedeutend war oder unterschätzt wurde, eine zentrale Rolle spielt: die mediale Machtelite. Relotius hat seine Betrügereien anscheinend sehr genau auf die Interessen und die ideologische Agenda dieser Elite abgestimmt.

Nach den Darstellungen in Fichtner (2018) hat Relotius bewußt und mit hoher krimineller Energie getäuscht - die Verantwortung wird Relotius zugesprochen. Genausogut kann man aber fragen, warum sich so viele Kollegen von Relotius immer wieder haben täuschen lassen, warum niemand selbst bei perfekten "Superstories" und extremen Glücksfällen, bei denen Relotius an sehr schwer zu findende Personen mit "hochinteressanten" Lebensgeschichten bzw. Charakterzügen herankam, Verdacht schöpfte. Die klassische Antwort: Kritisch ist man nur bei Informationen, die eigenen Überzeugungen oder Werten widersprechen. Informationen, die die eigenen Meinungen bestätigen, findet man "hochinteressant", und hier ist die Kritikfähigkeit stark reduziert.

Diese Kritiklosigkeit gegenüber den abstrusesten feministischen Theorien kann man ständig beobachten (nicht nur in der Spiegel-Redaktion). Wobei in der Geschlechterdebatte die Gegenargumente auf dem Silbertablett serviert werden, man muß schon eher von Kritikabwehr reden. Vor diesem Hintergrund ist die Kritiklosigkeit Relotius gegenüber keine Überraschung, beide Fälle von Kritiklosigkeit passen sehr gut zusammen, und beide passen zu der Grundthese von Manufacturing Consent.

Man darf jetzt gespannt sein, ob die vom Spiegel angekündigte "Verbesserung der Sicherheitsmechanismen" gegen Fälschungen vielleicht sogar zu weniger feministischer Propaganda führt. Quellen:

  1. Ullrich Fichtner: SPIEGEL legt Betrugsfall im eigenen Haus offen. Spiegel, 19.12.2018. http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/fall-claas-re ... 79.html
  2. Der Fall Relotius - Die Antworten auf die wichtigsten Fragen. Spiegel, 19.12.2018. http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/fall-claas-re ... 68.html