Intrasexuelle Konkurrenz

Inhaltsübersicht

Merksätze

  1. Intrasexuelle Konkurrenz ist der Wettbewerb mit Individuen des gleichen Geschlechts darum, Individuen des anderen Geschlechts, die aufgrund der sexuellen Attraktion begehrenswert sind, als Sexualpartner zu gewinnen.
  2. Intrasexuelle Konkurrenz ist ein grundlegendes biologisches Phänomen bei sexualdimorphen Spezies, also insb. Menschen. Es führt dazu, sich gegenüber Individuen des gleichen Geschlechts wesentlich anders zu verhalten als gegenüber Individuen des anderen Geschlechts, also zu erheblichen biologisch begründeten Verhaltensunterschieden.
  3. Die intrasexuelle Konkurrenz führt zu intrasexueller Aggression. Die hier eingesetzten Kampfmethoden sind bei Männern und Frauen typischerweise anders.
  4. Weibliche intrasexuelle Konkurrenz vermeidet typischerweise direkte physische Aggression gegen Konkurrentinnen und setzt überwiegend indirekte, aber trotzdem sehr wirksame Kampfmethoden ein, die die Aggression verschleiern, vor allem Rufmord, sozialen Ausschluß und die Forderung nach Gleichstellung.


Einführung und Einordnung

Zu den großen philosophischen Debatten gehört bekanntlich die "nature vs. nurture"-Debatte, ob und inwieweit menschliches, insb. soziales Verhalten durch biologisch begründete Dispositionen verursacht wird oder durch soziale Prozesse anerzogen wird bzw. kulturell begründet ist. Besonders interessieren hierbei die Ursachen von Verhaltensunterschieden.

Der Gender-Feminismus vertritt (neben anderen Ideologien) die blank-slate-Hypothese, daß der biologische Einfluß vernachlässigbar ist, daß Verhaltensunterschiede zwischen Männern und Frauen (fast) ausschließlich kulturell bedingt bzw. "sozial konstruiert" sind und daß Menschen beliebig formbar sind.

Weite Teile der Biologie und Psychologie (als wissenschaftliche Gemeinschaft) vertreten den Standpunkt, daß die biologische Einflüsse erheblich und nicht vernachlässigbar (aber natürlich nicht alleinbestimmend) sind und daß die Verhaltensunterschiede aus dem ausgeprägten Sexualdimorphismus des homo sapiens folgen.

Sexualdimorphismus und sexuelle Attraktion

Der homo sapiens gehört zu den sexualdimorphen Spezies, d.h. es treten deutliche Unterschiede in äußerer Erscheinung, Körperfunktionen usw. zwischen männlichen und weiblichen Individuen auf. Diese betreffen natürlich insb. die Fortpflanzungsorgane und den Funktion bei der Reproduktion (Eier + Stillen vs. Sperma). Über die reproduktiven Organe hinaus gibt es aber noch zahllose weitere, oft erhebliche biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

Um überhaupt die Fortpflanzung und den Erhalt der Spezies sicherzustellen, muß ein Mechanismus vorhanden sein, der die Individuen zum heterosexuellen Geschlechtsverkehr "nötigt". Dieser Mechanismus ist die (hetero-) sexuelle Attraktion, also das Phänomen, "attraktive" Individuen des anderen Geschlechts anziehend zu finden, sexuellen Kontakt zu ihnen zu suchen und im Erfolgsfall mit einem Orgasmus belohnt zu werden.

Konkurrenz

Konkurrenz (bzw. Rivalität bzw. Wettbewerb) zwischen Individuen entsteht generell immer dann, wenn verschiedene Individuen
  1. eine Ressource benötigen oder haben wollen, die nur in beschränktem Umfang und/oder in unterschiedlicher Qualität vorhanden ist, und
  2. der Zugang zu der Ressource oder zu den besseren Exemplaren der Ressource erkennbare, wichtige Vorteile bringt.
Das Konkurrenzprinzip ist universell, es gilt für Käufer von mehr oder weniger schönen Baugrundstücken oder von Äpfeln im Obstgeschäft, für Konzertbesucher, die die besten Sitzplätze haben möchten, für Bewerber um Arbeitsplätze und für Individuen beiderlei Geschlechts, die einen möglichst attraktiven Sexualpartner suchen.

Intrasexuelle Konkurrenz

Unter intrasexueller Konkurrenz versteht man die Konkurrenz von Individuen des einen Geschlechts darum, einen (oder ggf. mehrere) möglichst attraktive Individuen des anderen Geschlechts als Sexualpartner zu gewinnen. Individuen des gleichen Geschlechts werden also als Konkurrenten bei der Gewinnung von Paarungspartnern angesehen und deshalb bekämpft, es kommt somit zu intrasexueller Aggression. Dieser Konkurrenzkampf kann prinzipiell folgende Formen annehmen bzw. Ziele haben (s. Puts (2010)):
  • Vernichtung oder Vertreibung des Konkurrenten, d.h. der Konkurrent wird aus Sicht der zu gewinnenden Paarungspartner vollständig aus dem Wettbewerb beseitigt;
  • Steigerung der eigenen relativen Attraktivität: hierzu kann die eigene Attraktivität ("sexueller Marktwert") gesteigert werden oder die Attraktivität der Konkurrenten reduziert werden (ohne daß diese komplett aus dem Wettbewerb beseitigt werden).
Individuen des gleichen Geschlechts werden also als intrasexuelle Konkurrenten bekämpft, während Individuen des anderen Geschlechts umworben werden. Von Natur aus verhalten sich Individuen in sexualdimorphen Spezies also sehr verschieden gegenüber Individuen des gleichen bzw. anderen Geschlechts.

Männliche vs. weibliche intrasexuelle Konkurrenz

Im Prinzip steht beiden Geschlechtern das komplette Arsenal an Kampfmethoden offen, allerdings kann man deutlich verschiedene Präferenzen bzw. Einsatzhäufigkeiten beobachten. Intrasexuelle Konkurrenz bzw. intrasexuelle Aggression wird in unserer Gesellschaft sehr unterschiedlich wahrgenommen und bewertet:
  • männliche intrasexuelle Konkurrenz = toxische Männlichkeit

    Bei Männern wird intrasexuelle Konkurrenz bzw. Aggression sehr bewußt wahrgenommen und systematisch als "toxische Männlichkeit" und als Charakterfehler von Männern diskreditiert.

  • weibliche intrasexuelle Konkurrenz = internalisierte Misogynie

    Bei Frauen wird sie weitgehend übersehen - was u.a. daran liegt, daß sie von Frauen meistens gut verschleiert wird - oder glattweg geleugnet, weil sie die politisch korrekte Illusion zerstören, Frauen seien fehlerfreie, bessere Menschen. Wenn man sie dennoch nicht übersehen kann, wird sie als internalisierte Misogynie interpretiert, also letztlich vom Patriarchat bzw. "den Männern" zu verantworten.

Diese Wahrnehmungsunterschiede können erklären, warum weibliche intrasexuelle Aggression und deren evolutionäre Rolle erst in den letzten 1 - 2 Jahrzehnten intensiver erforscht wurde.

I.f. gehen wir nur auf die bei Mädchen und Frauen dominierenden Kampfmethoden ein.



Weibliche intrasexuelle Konkurrenz

Es gibt hunderte Publikationen über die intrasexuelle Konkurrenz im allgemeinen (darunter sehr alte, z.B. Buss (1988)) und speziell von Mädchen bzw. Frauen. Für einen Einstieg sollte man daher besser auf Literaturübersichten bzw. Metastudien zurückgreifen, z.B. Benenson (2013), Puts (2010), Stockley (2013) oder Vaillancourt (2013).

Intrasexuelle Konkurrenz dient primär dazu, den reproduktiven Erfolg zu erhöhen. Die Bedingungen für einen hohen reproduktiven Erfolg sind bei Frauen wesentlich anders als bei Männern (in den letzten 2 Jahrhunderten haben sich diese Bedingungen geändert, für Änderungen an unserem Sexualverhalten sind diese Zeiträume aber zu kurz). Wegen der Belastungen bei der Schwangerschaft und wegen der beim homo sapiens ungewöhnlich langen Zeit, in der ein Kleinkind versorgt werden muß, ist es sehr wichtig, daß eine Mutter diesen langen Zeitraum unbeschadet übersteht und entsprechende Unterstützung bekommt. Hierfür vorteilhaft sind 1. eine gute Integration in eine Sippe / einen Familienverband und 2. ein statushoher Mann, der besseren Zugang zu Ressourcen hat.

Aus diesen biologischen Bedingungen ergeben sich nach Benenson (2013) folgende Prinzipien der weiblichen intrasexuellen Konkurrenz:

  1. Kampfmethoden, die ein hohes Risiko physischer Verletzungen haben, sind zu vermeiden.
  2. Andere Frauen sind generell als Konkurrentinnen um die Ressourcen für die Aufzucht von Kindern und männliche Partner anzusehen, mit Ausnahme von Frauen, mit denen ein enges gegenseitiges Unterstützungsverhältnis besteht.
Nach Benenson (2013) ergeben sich aus diesen Prinzipien 5 Strategien bzw. Kampfmethoden (die im Prinzip auch bei Männern auftreten können, dort aber viel seltener beobachtet werden):
  1. Direkte, ggf. sogar physische Konkurrenz bzw. Aggression, bei der körperliche Verletzungen wahrscheinlich sind, ist zu vermeiden. Stattdessen sind Methoden der indirekten Aggression wie z.B. Rufmord einzusetzen.
  2. Die Wettbewerbssituation als solche wird verschleiert, man bleibt also vordergründig neutral oder freundlich (vulgo: ist hinterhältig), um keine Angriffsfläche für Gegenangriffe zu bieten.
  3. Man ist allenfalls dann offen aggressiv gegen Konkurrentinnen, wenn man einen hohen sozialen Status hat, die Konkurrentin also wenig Chancen hat, sich erfolgreich zu wehren.
  4. Man setzt unter den potentiellen Konkurrentinnen Gleichstellung durch. Anders gesagt bestraft oder verhindert man Statusgewinne von Konkurrentinnen (vgl. Krabbenkorb-Metapher).
  5. Als Kampfmethode wird sozialer Ausschluß eingesetzt (der bei Mädchen und Frauen wirksamer ist als bei Männern, s. Benenson (2013a)).
Diese Kampfmethoden lassen sich in allen wichtigen Entwicklungsphasen bzw. Altersklassen von Mädchen bzw. Frauen angepaßt an die jeweiligen äußeren Umstände nachweisen. Benenson (2013) liefert hierzu zahllose Beispiele und Verweise auf entsprechende Einzelstudien für diese Altersklassen.

Besonders interessant ist hier, daß soziale Gleichstellung eines der wichtigsten Politikziele des Feminismus und unter Frauen intuitiv extrem anschlußfähig ist, weil es eben eine biologisch verankerte Kampfmethode ist, die nicht nur gegen Frauen eingesetzt wird. Dies erklärt u.U. auch, warum man bei Frauen mit rationalen Argumenten gegen die soziale Gleichstellung - diese ist i.d.R. das Gegenteil von Gleichberechtigung, also rechtlicher Gleichstellung, und verfassungswidrig - kaum durchdringt.

Verwandte Themen



Indirekte Aggression als typisch weibliche Form der Aggression

Die obigen Strategien 1 und 2 können auch als Hauptmerkmale indirekter Aggression gelten:
  • Eine direkte Aggression kann darin bestehen, selber das Aggressionsziel physisch zu verletzen oder es verbal anzugreifen. Der Angreifer ist als solcher erkennbar und geht das Risiko ein, infolge einer Gegenwehr selber physische oder soziale Schäden zu erleiden.
    Im Gegensatz dazu zielt indirekte Aggression, z.B. üble Nachrede, darauf, andere Personen dazu zu bringen, das Aggressionsziel zu schädigen, z.B. indem diese anderen Personen
    • die sozialen Bindungen mit dem Aggressionsziel abbrechen,
    • ihm das Vertrauen entziehen,
    • ihm berufliche Probleme verursachen,
    • es mobben
    usw. Damit wird die Psyche des Aggressionsziels gezielt geschädigt. Indirekte Aggression wird daher manchmal auch als soziale Aggression bezeichnet. Nur in Ausnahmefällen werden andere Personen dazu gebracht, das Aggressionsziel sogar physisch anzugreifen.
  • Bei der indirekten Aggression versucht der Aggressor, unerkannt zu bleiben oder andere als Aggressoren erscheinen zu lassen.
  • Intrasexuelle Konkurrenz zeigt sich auch bei der Rangausbildung innerhalb einer Gruppe von Mädchen oder Jungen. In Rangkämpfen können einerseits die üblichen Formen von Aggression eingesetzt werden, zusätzlich aber insb. bei Mädchen die prosoziale Dominanz (s. Bischof-Köhler (2004)). Hierbei handelt es sich um eine Mischung aus Besorgtheit und Bevormundung, die der dominierenden Person einen ähnlichen Status wie ein Erziehungsberechtigter verschafft. Analog dazu weist Reynolds (2018) nach, daß intrasexuelle Aggression ggf. als Fürsorge getarnt wird.
Indirekte Aggression kann natürlich auch von Männern praktiziert werden, ist für Männer aber eher untypisch, weil Männer eher zu direkter Aggression neigen.

Vaillancourt (2013) stellt indirekte Aggression als das Hauptmerkmal weiblicher intrasexueller Aggression heraus. Die Vorteile der indirekten Aggression gelten aber umso mehr bei intersexuellen Konflikten mit Männern: direkte physische Aggressionen gegen Männer sind fast immer aussichtslos, direkte verbale Aggressionen prallen u.U. ab oder erzeugen erhebliche Gegenwehr.

Indirekte Aggression kann daher nicht nur bei intrasexuellen Konflikten, sondern ganz generell als typisch weibliche Form der Aggression angesehen werden.



Literatur

Wissenschaftsjournalistische Veröffentlichungen (kleine Auswahl)

Wissenschaftliche Veröffentlichungen