Inhaltsübersicht
- Merksätze
- Einführung und Einordnung
- Weibliche intrasexuelle Konkurrenz
- Indirekte Aggression als typisch weibliche Form der Aggression
- Literatur
Merksätze
- Intrasexuelle Konkurrenz ist der Wettbewerb mit Individuen des gleichen Geschlechts darum, Individuen des anderen Geschlechts, die aufgrund der sexuellen Attraktion begehrenswert sind, als Sexualpartner zu gewinnen.
- Intrasexuelle Konkurrenz ist ein grundlegendes biologisches Phänomen bei sexualdimorphen Spezies, also insb. Menschen. Es führt dazu, sich gegenüber Individuen des gleichen Geschlechts wesentlich anders zu verhalten als gegenüber Individuen des anderen Geschlechts, also zu erheblichen biologisch begründeten Verhaltensunterschieden.
- Die intrasexuelle Konkurrenz führt zu intrasexueller Aggression. Die hier eingesetzten Kampfmethoden sind bei Männern und Frauen typischerweise anders.
- Weibliche intrasexuelle Konkurrenz vermeidet typischerweise direkte physische Aggression gegen Konkurrentinnen und setzt überwiegend indirekte, aber trotzdem sehr wirksame Kampfmethoden ein, die die Aggression verschleiern, vor allem Rufmord, sozialen Ausschluß und die Forderung nach Gleichstellung.
Einführung und Einordnung
Zu den großen philosophischen Debatten gehört bekanntlich
die "nature vs. nurture"-Debatte, ob und inwieweit
menschliches, insb. soziales Verhalten durch biologisch
begründete Dispositionen verursacht wird oder durch
soziale Prozesse anerzogen wird bzw. kulturell
begründet ist. Besonders interessieren hierbei die
Ursachen von Verhaltensunterschieden.
Der Gender-Feminismus vertritt (neben anderen Ideologien)
die blank-slate-Hypothese, daß
der biologische Einfluß vernachlässigbar ist, daß
Verhaltensunterschiede zwischen Männern und Frauen (fast)
ausschließlich kulturell bedingt bzw. "sozial konstruiert"
sind und daß Menschen beliebig formbar sind.
Weite Teile der Biologie und Psychologie (als
wissenschaftliche Gemeinschaft) vertreten den Standpunkt,
daß die biologische Einflüsse erheblich und nicht
vernachlässigbar (aber natürlich nicht alleinbestimmend)
sind und daß die Verhaltensunterschiede aus dem
ausgeprägten Sexualdimorphismus des homo sapiens folgen.
Sexualdimorphismus und sexuelle Attraktion
Der homo sapiens gehört zu den sexualdimorphen Spezies, d.h. es treten deutliche Unterschiede in äußerer Erscheinung, Körperfunktionen usw. zwischen männlichen und weiblichen Individuen auf. Diese betreffen natürlich insb. die Fortpflanzungsorgane und den Funktion bei der Reproduktion (Eier + Stillen vs. Sperma). Über die reproduktiven Organe hinaus gibt es aber noch zahllose weitere, oft erhebliche biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Um überhaupt die Fortpflanzung und den Erhalt der Spezies sicherzustellen, muß ein Mechanismus vorhanden sein, der die Individuen zum heterosexuellen Geschlechtsverkehr "nötigt". Dieser Mechanismus ist die (hetero-) sexuelle Attraktion, also das Phänomen, "attraktive" Individuen des anderen Geschlechts anziehend zu finden, sexuellen Kontakt zu ihnen zu suchen und im Erfolgsfall mit einem Orgasmus belohnt zu werden.Konkurrenz
Konkurrenz (bzw. Rivalität bzw. Wettbewerb) zwischen Individuen entsteht generell immer dann, wenn verschiedene Individuen- eine Ressource benötigen oder haben wollen, die nur in beschränktem Umfang und/oder in unterschiedlicher Qualität vorhanden ist, und
- der Zugang zu der Ressource oder zu den besseren Exemplaren der Ressource erkennbare, wichtige Vorteile bringt.
Intrasexuelle Konkurrenz
Unter intrasexueller Konkurrenz versteht man die Konkurrenz von Individuen des einen Geschlechts darum, einen (oder ggf. mehrere) möglichst attraktive Individuen des anderen Geschlechts als Sexualpartner zu gewinnen. Individuen des gleichen Geschlechts werden also als Konkurrenten bei der Gewinnung von Paarungspartnern angesehen und deshalb bekämpft, es kommt somit zu intrasexueller Aggression. Dieser Konkurrenzkampf kann prinzipiell folgende Formen annehmen bzw. Ziele haben (s. Puts (2010)):- Vernichtung oder Vertreibung des Konkurrenten, d.h. der Konkurrent wird aus Sicht der zu gewinnenden Paarungspartner vollständig aus dem Wettbewerb beseitigt;
- Steigerung der eigenen relativen Attraktivität: hierzu kann die eigene Attraktivität ("sexueller Marktwert") gesteigert werden oder die Attraktivität der Konkurrenten reduziert werden (ohne daß diese komplett aus dem Wettbewerb beseitigt werden).
Männliche vs. weibliche intrasexuelle Konkurrenz
Im Prinzip steht beiden Geschlechtern das komplette Arsenal an Kampfmethoden offen, allerdings kann man deutlich verschiedene Präferenzen bzw. Einsatzhäufigkeiten beobachten. Intrasexuelle Konkurrenz bzw. intrasexuelle Aggression wird in unserer Gesellschaft sehr unterschiedlich wahrgenommen und bewertet:- männliche intrasexuelle Konkurrenz = toxische Männlichkeit Bei Männern wird intrasexuelle Konkurrenz bzw. Aggression sehr bewußt wahrgenommen und systematisch als "toxische Männlichkeit" und als Charakterfehler von Männern diskreditiert.
- weibliche intrasexuelle Konkurrenz = internalisierte Misogynie Bei Frauen wird sie weitgehend übersehen - was u.a. daran liegt, daß sie von Frauen meistens gut verschleiert wird - oder glattweg geleugnet, weil sie die politisch korrekte Illusion zerstören, Frauen seien fehlerfreie, bessere Menschen. Wenn man sie dennoch nicht übersehen kann, wird sie als internalisierte Misogynie interpretiert, also letztlich vom Patriarchat bzw. "den Männern" zu verantworten.
Weibliche intrasexuelle Konkurrenz
Es gibt hunderte Publikationen über die intrasexuelle
Konkurrenz im allgemeinen (darunter sehr alte, z.B. Buss
(1988)) und speziell von Mädchen bzw. Frauen.
Für einen Einstieg sollte man daher besser auf
Literaturübersichten bzw. Metastudien zurückgreifen, z.B.
Benenson (2013),
Puts (2010), Stockley (2013) oder
Vaillancourt
(2013).
Intrasexuelle Konkurrenz dient primär dazu, den
reproduktiven Erfolg zu erhöhen. Die Bedingungen für einen
hohen reproduktiven Erfolg sind bei Frauen wesentlich
anders als bei Männern (in den letzten 2 Jahrhunderten
haben sich diese Bedingungen geändert, für Änderungen an
unserem Sexualverhalten sind diese Zeiträume aber zu
kurz).
Wegen der Belastungen bei der Schwangerschaft und wegen
der beim homo sapiens ungewöhnlich langen Zeit, in der ein
Kleinkind versorgt werden muß, ist es sehr wichtig, daß
eine Mutter diesen langen Zeitraum unbeschadet übersteht
und entsprechende Unterstützung bekommt. Hierfür
vorteilhaft sind 1. eine gute Integration in eine Sippe /
einen Familienverband und 2. ein statushoher Mann, der
besseren Zugang zu Ressourcen hat.
Aus diesen biologischen Bedingungen ergeben sich nach
Benenson (2013)
folgende Prinzipien der weiblichen intrasexuellen
Konkurrenz:
- Kampfmethoden, die ein hohes Risiko physischer Verletzungen haben, sind zu vermeiden.
- Andere Frauen sind generell als Konkurrentinnen um die Ressourcen für die Aufzucht von Kindern und männliche Partner anzusehen, mit Ausnahme von Frauen, mit denen ein enges gegenseitiges Unterstützungsverhältnis besteht.
- Direkte, ggf. sogar physische Konkurrenz bzw. Aggression, bei der körperliche Verletzungen wahrscheinlich sind, ist zu vermeiden. Stattdessen sind Methoden der indirekten Aggression wie z.B. Rufmord einzusetzen.
- Die Wettbewerbssituation als solche wird verschleiert, man bleibt also vordergründig neutral oder freundlich (vulgo: ist hinterhältig), um keine Angriffsfläche für Gegenangriffe zu bieten.
- Man ist allenfalls dann offen aggressiv gegen Konkurrentinnen, wenn man einen hohen sozialen Status hat, die Konkurrentin also wenig Chancen hat, sich erfolgreich zu wehren.
- Man setzt unter den potentiellen Konkurrentinnen Gleichstellung durch. Anders gesagt bestraft oder verhindert man Statusgewinne von Konkurrentinnen (vgl. Krabbenkorb-Metapher).
- Als Kampfmethode wird sozialer Ausschluß eingesetzt (der bei Mädchen und Frauen wirksamer ist als bei Männern, s. Benenson (2013a)).
Verwandte Themen
Indirekte Aggression als typisch weibliche Form der
Aggression
Die obigen Strategien 1 und 2 können auch als Hauptmerkmale
indirekter Aggression gelten:
- Eine direkte Aggression kann darin bestehen,
selber das Aggressionsziel physisch zu verletzen oder es
verbal anzugreifen. Der Angreifer ist als solcher
erkennbar und geht das Risiko ein, infolge einer Gegenwehr
selber physische oder soziale Schäden zu erleiden.
Im Gegensatz dazu zielt indirekte Aggression, z.B. üble Nachrede, darauf, andere Personen dazu zu bringen, das Aggressionsziel zu schädigen, z.B. indem diese anderen Personen- die sozialen Bindungen mit dem Aggressionsziel abbrechen,
- ihm das Vertrauen entziehen,
- ihm berufliche Probleme verursachen,
- es mobben
- Bei der indirekten Aggression versucht der Aggressor, unerkannt zu bleiben oder andere als Aggressoren erscheinen zu lassen.
- Intrasexuelle Konkurrenz zeigt sich auch bei der Rangausbildung innerhalb einer Gruppe von Mädchen oder Jungen. In Rangkämpfen können einerseits die üblichen Formen von Aggression eingesetzt werden, zusätzlich aber insb. bei Mädchen die prosoziale Dominanz (s. Bischof-Köhler (2004)). Hierbei handelt es sich um eine Mischung aus Besorgtheit und Bevormundung, die der dominierenden Person einen ähnlichen Status wie ein Erziehungsberechtigter verschafft. Analog dazu weist Reynolds (2018) nach, daß intrasexuelle Aggression ggf. als Fürsorge getarnt wird.
Literatur
Wissenschaftsjournalistische Veröffentlichungen (kleine Auswahl)
- Doris Bischof-Köhler: Von Natur aus anders. "Die kleinen Helden" aus evolutionärer Perspektive. Vortrag in der Evangelischen Akademie, Loccum, 12.11.2004. http://www.bischof.com/mat/bischof-koehler_loccum.pdf
- Noam Shpancer: Feminine Foes: New Science Explores Female Competition. Psychology Today, 26.01.2014. https://www.psychologytoday.com/us/blog/insight-therapy ... etition
- John Tierney: A Cold War Fought by Women. New York Times, 18.11.2013. https://mobile.nytimes.com/2013/11/19/science/a-cold-war-fought-by-women.html
- Tamara Wernli: Frauen und ihre Feinde. BAZ Online, 23.02.2018. https://bazonline.ch/leben/Frauen-und-ihre-Feinde/story/26412607
- https://en.m.wikipedia.org/wiki/Female_intrasexual_competition
Wissenschaftliche Veröffentlichungen
- Joyce F. Benenson, Henry Markovits, Brittney Hultgren, Tuyet Nguyen, Grace Bullock, Richard Wrangham: Social Exclusion: More Important to Human Females Than Males. PLOS ONE, DOI 10.1371/journal.pone.0055851, 06.02.2013. http://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0055851
- Joyce F. Benenson: The development of human female competition: allies and adversaries. Philosophical Transactions B, Royal Society Publishing, DOI: 10.1098/rstb.2013.0079, 28.10.2013. http://rstb.royalsocietypublishing.org/content/368/1631/20130079
- Buss, David M.: The evolution of human intrasexual competition: Tactics of mate attraction. Journal of Personality and Social Psychology. 54 (4): 616-628. doi:10.1037/0022-3514.54.4.616, 2018. http://www.academia.edu/325341/The_Evolution_of_Human_I ... raction
- David A. Puts: Beauty and the beast: mechanisms of sexual selection in humans. Evolution and Human Behavior 31:3, May 2010, p.157-175, 02.2010. http://www.ehbonline.org/article/S1090-5138(10)00027-9/fulltext
- Tania A. Reynolds: Bless Her Heart! Does Apparent Concern Help Women in Reputational Competition? Dissertation, The Florida State University, ProQuest Dissertations Publishing, Nr. 10750913, 12.02.2018. https://search.proquest.com/openview/acdd3a0d9a0c54cab0 ... &diss=y
- Tania Reynolds, Roy F. Baumeister, Jon K. Maner: Competitive reputation manipulation: Women strategically transmit social information about romantic rivals. Journal of Experimental Social Psychology, 11.04.2018. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0022103117304195
- Paula Stockley, Anne Campbell: Female competition and aggression: interdisciplinary perspectives. Royal Society Publishing, 28.10.2013. http://rstb.royalsocietypublishing.org/content/368/1631/20130073
- Tracy Vaillancourt: Do human females use indirect aggression as an intrasexual competition strategy? Philosophical Transactions B, Royal Society Publishing, 28.10.2013. http://rstb.royalsocietypublishing.org/content/368/1631/20130080