Dienstag, 7. November 2017

Empirische Sozialforschung nach feministischer Art


Ein Gedankenexperiment

Beginnen wir mit einem kleinen Gedankenexperiment: welche deutsche Partei könnte folgenden Aufruf, der an alle Deutschen gerichtet ist, auf ihrer Webseite veröffentlichen?
Kriminalität durch Flüchtlinge

Was ist Ihnen passiert?

Ein gestohlenes Smartphone, Schlägereien, sexuelle Belästigungen - haben Sie schon mal diese oder ähnliche Kriminalität durch Flüchtlinge erlebt? Was haben Sie dagegen unternommen? Berichten Sie uns von Ihren Erfahrungen. Ihre Daten behandeln wir vertraulich.

Was haben Sie erlebt, nachdem Sie die Polizei, ihren Bürgermeister oder einen Bundestagsabgeordneten auf die Gewalt durch Flüchtlinge aufmerksam gemacht haben? Wie haben sich diese Verantwortlichen verhalten? Wie haben Ihre Verwandten und Kollegen reagiert? Hat es Ihnen in Ihrem Beruf geschadet, dass Sie sich gewehrt haben - oder vielleicht sogar gutgetan?

Nach rund 3 Wochen hat die Partei 262 Fälle gesammelt und verkündet triumphierend:
Hunderte Bürger haben uns Straftaten von Flüchtlingen geschickt, die sie im Alltag miterleben mußten.

Weil womöglich viele Leser durch diese offensichtliche Hetzkampagne, die ausschließlich kriminelle Flüchtlinge darstellt und dadurch beim Leser den falschen Eindruck erwecken will, alle Flüchtlinge seien kriminell, nervlich zu sehr aufgewühlt werden, beenden wir das Gedankenexperiment an dieser Stelle mit dem expliziten Hinweis, daß keine deutsche Partei einen solchen Aufruf durchgeführt hat.

Ein reales Experiment

Stattgefunden hat ein strukturell identischer Aufruf aber trotzdem, mit dem kleinen Unterschied, daß dort "die Frauen" die Rolle "der Deutschen" und "die Männer" die Rolle "der Flüchtlinge" spielen.

Der Aufruf erschien wörtlich am 20.10.2017 auf ZEIT Online, nur die Rollen und die Beispiele für Belästigungen oder Straftaten wurden ausgewechselt. Die 262 gesammelten Fälle wurden am 07.11.2017 veröffentlicht, man bekommt zusätzlich eine Klassifikation der Fälle geliefert, die versucht, dem ganzen den Anstrich empirischer Sozialforschung zu geben.

Damit diese Fallsammlung auch richtig interpretiert wird, die Einzelfälle also unzulässig generalisiert werden, erläutert der Artikel:

Wie alltäglich anzügliche Blicke, sexistische Sprüche, der lange verharmloste Klaps auf den Po und zweideutige Angebote aber sind, zeigt sich gerade auch an den Erfahrungen, die Frauen unter dem Hashtag #MeToo teilen.
Wenn wir einmal von ca. 25 Millionen Frauen in Deutschland ausgehen, die nicht im Greisen- oder Kindesalter sind, ausgehen, dann sind 262 Fälle bzw. betroffene Personen eher eine Minderheit und können schon von daher nicht "zeigen", daß diese Vorfälle für alle Frauen alltäglich sind, wie hier suggeriert wird.

Man kann diese Anzahl auch nicht einfach hochrechnen, denn es wurde sicherheitshalber nicht nach Frauen gefragt, die nicht belästigt wurden, das wäre auch langweilig und sogenanntes derailing gewesen. Wie schon bei der #aufschrei-Kampagne sind weder diese 262 Fälle noch die deutschen Tweets der #metoo-Kampagne repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.

Männer sollten draußen bleiben

Der Aufruf richtete sich übrigens nur an Frauen:
Viele Frauen werden am Arbeitsplatz sexuell belästigt. Wir wollen wissen: Was haben Sie erlebt, als Sie gegen aufdringliche Chefs und Kollegen vorgegangen sind?
Auf unerklärliche Weise haben es trotzdem 7 Männer geschafft, sich in diese Umfrage hineinzudrängeln. Bzw. sie sind hineingelassen worden, denn so kann man den Eindruck erwecken, Männer seien so gut wie nie bzw. um den Faktor 254/7 = ca. 36 weniger häufig als Frauen betroffen.

Fazit

Soziale Probleme werden sozial konstruiert, und die Festigung des Opferstatus aller Frauen ist sozusagen Lebenszweck des Feminismus. Dazu sind alle Methoden recht. Ob es sich hier mehr um die Methode der Angsterzeugung oder Täuschung (durch die suggerierte falsche Generalisierung) handelt, können wir offen lassen - irgendwie trifft beides zu.

Quellen


Mittwoch, 6. September 2017

Der Tagesschau-Faktenerfinder

Inhaltsübersicht

Zusammenfassung

Ihre hohe Affinität zu feministischen Sichtweisen beim sogenannten Gender Pay Gap hat die Tagesschau schon einmal vor gut einem Jahr wortreich und melodramatisch in der Rubrik #kurzerklärt deutlich gemacht. Inhaltlich war das ganze eher eine Volksverdummung. Damals war der Anlaß der Equal Propaganda Day. Den hatten wir dieses Jahr schon, aber wir hatten noch keine Bundestagswahl, und so besteht noch Gelegenheit, die postfaktische Realitätswahrnehmung von Martin Schulz zu unterstützen.

Hierzu passend liefert die Tagesschau in der neuen Rubrik "faktenfinder" einen Neuaufguß des aktuellen Stands feministischer Propaganda zum GPG unter den spannenden Titel "Wie hoch ist der Gender Pay Gap wirklich?"

Die Zahlen des Statistischen Bundesamts zum GPG kennt man eigentlich sehr gut. Ebenfalls sehr gut weiß man, daß das statistische Bundesamt kein vollständig bereinigtes GPG berechnen kann, weil ihm dazu die Daten fehlen. Genau diesen zentralen Sachverhalt läßt der faktenerfinder-Artikel weg, er zitiert noch nicht einmal die entsprechende Destatis-Publikation vollständig, berichtet also inkorrekt.

Während der erste Teil des Textes noch versucht, dem Titel gemäß die Höhe der GPGs bei den GPG-Varianten zu erklären - nicht immer erfolgreich und zum Teil falsch, s.o. - ergeht sich die zweite Hälfte in themenfremden Schilderungen des Leidens der Frauen in Deutschland, die mit dem GPG nichts zu tun haben, Spekulationen über Ursachen des GPGs und willkürlichen, ideologieabhängigen Bewertungen dieser vermuteten Ursachen.

Der Tagesschau-Fakten(er)finder profiliert sich als Versuch, die angekratzte Diskurshoheit wiederherzustellen, indem man sich selber zum Hort ultimativer Wahrheiten hochstilisiert. Wenn man dann aber die gleiche abgestandene Propaganda wie schon früher serviert, fällt das womöglich auf und geht nach hinten los, so in diesem Fall.

Nachtrag: In einem parallel auf Facebook am 04.09.2017 erschienenen Video "Sechs oder 21 Prozent: Wie hoch ist der Gender Pay Gap wirklich?" stellt die Tagesschau noch weitere Falschbehauptungen auf.



Die Höhe des GPGs

Die erste Unrichtigkeit finden wir gleich in der fett gedruckten Zusammenfassung:
Zwischen Männern und Frauen liegt offiziell eine Lohnlücke von 21 Prozent. Doch es gibt auch einen "bereinigten" Wert, der bei sechs Prozent liegt. Wie groß ist der Gender Pay Gap denn nun?
Wenn mit den Anführungszeichen bei "bereinigten" gemeint sein sollte, daß das GPG vom Destatis nur unvollständig bereinigt wird, also ein "nur scheinbar bereinigtes GPG" ist, dann wäre der Text korrekt.

Man hat aber eher den Eindruck, die Anführungszeichen sollten andeuten, daß das Bereinigen irgendwie Unsinn ist, denn das Leiden der Frauen wird dadurch geringer. Dazu passend wird nicht von einer Stundenlohndifferenz geredet, sondern moralisierend von einer Lohnlücke, damit schon einmal alle wissen, wer die Guten und wer die Bösen sind.

Nach einigen i.w. richtigen Ausführungen zum unbereinigten GPG wird es dann gleich wieder spannend beim bereinigten GPG, das:

"bei sechs Prozent lag."
Als Beleg hierzu zitiert wird die Destatis-Pressemitteilung Nr. 094 vom 14.03.2017. In dieser Pressemitteilung findet sich folgender Hinweis:
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der bereinigte Gender Pay Gap möglicherweise geringer ausgefallen wäre, wenn weitere lohnrelevante Einflussfaktoren für die statistischen Analysen zur Verfügung gestanden hätten.
Mit etwas investigativem Journalismus findet man schnell heraus, daß ein vollständig bereinigtes GPG auf alle Fälle geringer ausfällt, denn dem Destatis fehlen wesentliche lohnrelevante Daten. Der Tagesschau-Artikel weist sogar auf eine Untersuchung hin, die bessere Daten hatte (es gibt weitere) und die dementsprechend auf deutlich kleinere bereinigte GPGs kommt. Die deutlich verschiedenen GPG-Werte lösen keinerlei Nachdenken darüber aus, wer denn nun recht haben könnte. Genommen wird ohne nähere Begründung der feministisch opportunere Wert. Anstatt Unklarkeiten nachzugehen wird in der Beschreibung des bereinigten GPGs nicht sein Berechnungsverfahren dargestellt, sondern das Faktoid präsentiert, das GPG sei
"[auf] den geringere(n) Anteil von Frauen in Führungspositionen zurückzuführen"
Bei dem verwandten Rechenverfahren, der Oaxaca-Blinder-Zerlegung, werden die Stundenlöhne logarithmiert, um Ausreißer wegzufiltern. D.h. die Führungspositionen, die 1. nicht von Eigentümern besetzt sind, die 2. von Angestellten im Sinne der Arbeitnehmerdefinition der VSE besetzt sind, und die es 3. in die Stichprobe der VSE geschafft haben, die nur ca. 5% der Arbeitnehmerschaft umfaßt, dürften statistisch irrelevant sein. Letztlich ist der Hinweis auf die Führungspositionen als GPG-Erklärung unsubstantiiert und dient nur der üblichen feministischen Propaganda. Weiter geht es mit:
Diskriminierung ist nur ein Faktor

Ein Problem bei der Debatte um den Gender Pay Gap ist, dass die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern umstandslos mit dem Ausmaß von Entgeltdiskriminierung gleichgesetzt wird.

Das Problem des faktenerfinders ist, daß er umstandslos und ohne Beweis davon ausgeht, daß Diskriminierung überhaupt ein relevanter Faktor ist. Das IW Köln widerlegt die faktenerfinder-These. Weiter:
Der bereinigte Gender Pay Gap dient daher dazu, aufzuzeigen, dass die sogenannte "unerklärte" Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern (die auf Diskriminierung von Frauen beruhen könnte), geringer ist als beim unbereinigten Gender Pay Gap.
Der - um genau zu sein - Bruttostundenlohnunterschied könnte auf allen möglichen Ursachen beruhen, z.B. auf einer streßfreien work-life-Balance vieler Frauen, die sich selbige von ihren Göttergatten finanzieren lassen. Fakten sind übrigens plausibel belegte Aussagen, keine privaten, im Konjunktiv des Selbstzweifels formulierten Vermutungen.



Spekulationen über das GPG

In der zweiten Hälfte geht der Text zu reinen Spekulationen über, warum es das GPG gibt. Mit dem Titel hat das nicht mehr viel zu tun.
Die Entgeltlücke eher kleinzurechnen, ist aus Sicht der Arbeitgeber legitim.
Überrascht und erschüttert erfahren wir hier, daß die Arbeitgeber offenbar bei der Berechnung des GPGs mitrechnen dürfen und das Ergebnis mit abgefeimten Tricks nach unten drücken und daß das zumindest aus Sicht der gewissenlosen Arbeitgeber legal ist, also juristisch vertretbar, aber doch anrüchig. Gerüchten zufolge arbeiten aber beim Destatis keine Arbeitgeber, sondern öffentliche Angestellte oder Beamte. Ferner ist die Oaxaca-Blinder-Zerlegung ein Standardverfahren zur Berechnung von Einkommensdifferenzen zwischen Bevölkerungsgruppen, da kann man nichts klein- oder großrechnen.

Schade übrigens, daß nicht auch erwähnt wurde, daß es aus Sicht der SPD und der Grünen legitim ist, die Entgeltlücke großzurechnen.

Gender Pay Gap von 21 Prozent ist real
Ausnahmsweise richtig, das unbereinigte GPG ist in der Tat eine so reale Bedrohung für die Statistik-Kompetenz der Bevölkerung, daß Statistiker davor warnen und es schon zweimal zur Unstatistik des Monats erklärt haben.

Das bereinigte GPG ist übrigens auch real, sozusagen ein Faktum, über dessen Fund man sich freuen könnte. Welches von beiden GPGs ist jetzt realer?

Denn der Unterschied beim Durchschnitts-Stundenlohn wird ja nicht geringer, weil man die Vergleichsgrößen ändert.
Arghh. Wieder eine Live-Vorführung von Innumeracy. Das bereinigte GPG wird nach der Oaxaca-Blinder-Zerlegung berechnet, da werden keine Durchschnitte von Stundenlöhnen berechnet. Vereinfacht ausgedrückt - speziell für die ARD - wird beim Bereinigen ein sinnloses Rechenverfahren durch ein komplett anderes, weitaus sinnvolleres Verfahren ersetzt.
Mit dem "erklärten" Teil ist gemeint, dass Frauen im Durchschnitt ... Aus Sicht derjenigen, die sich für mehr Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern stark machen, ist damit aber noch keineswegs "erklärt", warum zum Beispiel Erziehungs-, Pflege- und Gesundheitsberufe schlechter bezahlt sind als technische Tätigkeiten.
Man beachte, wie hier klammheimlich von einem wertfreien statistischen Begriff, dem bereinigten GPG, zu einem moralischen Begriff, einer nicht näher definierten "Lohngerechtigkeit", übergegangen wird.

Lohn ist ein Entgelt für Arbeitsleistung, bezieht sich also auf ein Arbeitsverhältnis. Gerecht ist ein Lohn nach gängiger Auffassung dann, wenn er die Anforderungen und Belastungen angemessen kompensiert und wenn für i.w. gleiche Anforderungen und Belastungen i.w. der gleiche Lohn gezahlt wird. Letzteres ist der Fall, das vollständig bereinigte GPG liegt höchstwahrscheinlich in der Größenordnung von 2%, das ist im Rahmen des statistischen Rauschens.

Wenn hier eine fehlende "Lohngerechtigkeit" insinuiert wird, wird damit der Referenzrahmen verschoben, und zwar vom reinen Arbeitsverhältnis auf den gesamten langjährigen Ausbildungs- und Berufswahlprozeß. Z.B. wird es zu einem Unrecht erklärt, daß Männer vor Jahrzehnten mehr in ihre Ausbildung investiert haben als Frauen und daher heute mehr Lohn bekommen.

Wer sich einigermaßen seriös mit Berufswahlprozessen und Präferenzen bei der Arbeits- und Lebensplanung befaßt, käme nie auf die Idee, diese komplizierten und vielfältigen Prozesse pauschal und ohne jegliche Argumente als "ungerecht" zu bezeichnen. Das Tagesschau-Faktoid "Lohnungerechtigkeit" ist eine willkürliche Setzung und damit eine freie (oder ideologiegetriebene) Erfindung.

Wenn man keine Argumente hat, baut man gerne Strohmänner auf, wir lesen noch einmal den letzten Satz:

Aus Sicht derjenigen, die sich für mehr Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern stark machen, ist damit [mit dem "erklärten" Anteil des GPGs] aber noch keineswegs "erklärt", warum zum Beispiel Erziehungs-, Pflege- und Gesundheitsberufe schlechter bezahlt sind als technische Tätigkeiten.
Der Vergleich ist in seiner Pauschalität hanebüchen, ein Arzt verdient z.B. deutlich mehr als ein Ingenieur, aber so genau kommt es beim Faktenfinden auch nicht drauf an.

Daß die GPG-Bereinigung keine Erklärung liefert, warum verschiedene Berufe verschieden bezahlt werden, ist nicht weiter erstaunlich. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Die hier durchscheinende Erwartung ist haarsträubender Unsinn und läßt auf ein tiefgreifendes Unvermögen, Statistiken zu verstehen, bei "denjenigen, die sich für mehr Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern stark machen", schließen. Die Bezahlung in unterschiedlichen Branchen bzw. Berufen hängt von allen möglichen Faktoren ab, von der statistisch unterschiedlichen Präferenz bei der Berufswahl allenfalls am Rande.

"Frauenberufe" sind schlechter bezahlt
Wieder mal ein Klassiker aus der feministischen Propagandakiste, die feministische Falschaussage "'Frauenberufe' werden schlechter bezahlt als 'Männerberufe'".
Sorgearbeit wird vor allem von Frauen geleistet
Sorry, aber was hat das mit gerechten Bruttostundenlöhnen von Angestellten für bestimmte Arbeiten zu tun? Soll man mehr Lohn bekommen, solange man seine Eltern selber pflegt? Außerdem stimmt es leider nicht, daß Frauen statistisch wesentlich mehr Haushalts- und Sorgearbeit leisten als Männer, s. feministische Falschaussage (Soziales) "Frauen leisten viel mehr unbezahlte Arbeit im Haushalt als Männer".
Alleinerziehende Mütter tragen hier ein besonders großes Risiko für Verdiensteinbußen
Das könnte damit zusammenhängen, daß bei der gängigen Rechtssprechung regelmäßig der Erzeuger ihrer Kinder dazu verurteilt wird, die Frau zu versorgen, sie hat es nicht nötig, selber Geld zu verdienen. Die halbe Wahrheit wegzulassen ist auch hier wieder einmal eine ganze Falschheit.
Deutliche Zahlen
Bzw. passend herausgesuchte Zahlen. Zitiert wird unter dieser Überschrift eine "repräsentativen Studie" - repräsentativ für Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren, also nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung - wonach diese Gruppe etwa die gleichen Schulabschlüsse wie Männer hat, aber weniger arbeitet. Was ist daran ungerecht, wer ist - im Falle eines Unrechts - der Schuldige, und in welchem Zusammenhang steht dieses Pseudofaktum mit dem GPG, also einer Stundenlohndifferenz?
"Heiratsmarkt" entlohnt Frauen besser
Stimmt, das merkt man als Mann schon beim ersten Date und der Frage, wer bezahlt. Wie dem auch sei, in welchem Zusammenhang steht dieses Pseudofaktum mit dem GPG, also einer Stundenlohndifferenz?
Vom Gender Pay Gap zum Gender Pension Gap
Die ARD hört sicher gerne, daß der Anteil der Personen, die von Altersarmut betroffen sind, bei Männern höher ist als bei Frauen, Details s. feministische Falschaussage (Soziales) "Altersarmut ist ein Frauenproblem".
Deutschland liegt in Europa weit hinten
Die faktenerfinder läßt auch hier vorsichtshalber die unpassende Hälfte der Fakten weg. U.a. das WSI - das weiter oben im Text zitiert wurde, als es passend war - klärt auf:
Bei der Interpretation des Gender Pay Gap im Ländervergleich ist generell zu beachten, dass dieser jeweils das Resultat einer Vielzahl länderspezifischer Faktoren ist: ... Beispielsweise kann ein geringer Gender Pay Gap auch mit einer insgesamt niedrigen Erwerbstätigenquote von Frauen in diesem Land einhergehen, wie es in Malta, Polen oder Italien der Fall ist. (2) Der geringe Gender Pay Gap in diesen Ländern ist dann teilweise darauf zurückzuführen, dass Frauen in der Familienphase (wenn die Kinder noch klein sind) zumeist gar nicht arbeiten, während sie in vielen anderen Ländern hingegen nur in geringfügigem Umfang erwerbstätig sind, und dadurch im Durchschnitt geringere Stundenlöhnen erzielen als Männer.
Deutschland liegt in Europa weit vorne, wenn man auf die richtigen Zahlen sieht.
Von echter Lohngerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ist Deutschland - bei aller Komplexität der Debatte - nach wie vor weit entfernt.
Wenn hier etwas von etwas weit entfernt ist, dann die ARD von ideologiefreier, sachlich korrekter Information.

PS: Veröffentlicht wurde der Artikel am 04.09.2017 um 20:33 Uhr, nach drei Kommentaren wurde die Kommentierung beendet, der letzte Kommentar kam um 20:56 Uhr durch, immerhin 23 Minuten nach Veröffentlichung. Wirklich großzügig.



Nachtrag (06.09.2017, 17:00)
Parallel zum Fakten(er)finder-Artikel hat die Tagesschau auf Facebook am 04.09.2017 ein Video veröffentlicht: "Sechs oder 21 Prozent: Wie hoch ist der Gender Pay Gap wirklich?". Das Video ist wesentlich weniger umfangreich, enthält aber trotzdem reihenweise Falschbehauptungen:
  1. 0:11: Falschbehauptung "für gleiche Arbeit" bekommen Frauen 6 % weniger.

    Diese Aussage ist falsch. Selbst wenn man hinzufügt: "im Durchschnitt", ist es immer noch falsch, weil wegen der Arbeitsmarktsegregation auch ungleiche Arbeit in der GPG-Werte einfließt, Details s. hier und hier.

  2. 0:19: "Mütter verdienen weniger, Väter mehr"

    Was soll hier gesagt werden? Stillende Mütter? Mütter, die ein minderjähriges Kind im Haushalt haben? Teilzeitarbeitende Mütter?

  3. 0:24: "Frauen kümmern sich mehr um Familie = weniger Zeit für Arbeit"

    Das Argument ist Unsinn, das GPG bezieht sich auf den Bruttostundenlohn, der wird pro Arbeitsstunde bezahlt. Falsch ist die optische Unterstellung, der Männer würden nichts im Haushalt leisten uns sich nicht um die Kinder kümmern.

  4. 0:26: zusätzliche Behauptung durch ein Symbol für einen alten Mann, daß nur Frauen Pflegeleistungen erbringen

    Diese Aussage ist falsch.

  5. 0:37: "21% ist der reale Unterschied"

    Damit soll offenbar angedeutet werden, daß das bereinigte GPG von 6% nicht real ist - eine Lüge. Das bereinigte GPG ist sogar realer, weil es eine sinnvollere Aussage über die Realität macht das unbereinigte GPG.



Quellen


Dienstag, 8. August 2017

Die Heinrich-Böll-Stiftung - ein staatlich finanziertes Matriarchat

Inhaltsübersicht

Zusammenfassung

Seit Wochen sorgt der grüne Antifeminismus-Pranger "agentin.org" für erhebliches Rauschen im Blätterwald. Er wurde mitverantwortet vom Leiter des Gunda-Werner-Instituts, Henning von Bargen (Archiv). Laut einer aktuellen Verlautbarung des Vorstands der Heinrich-Böll-Stiftung wurde der Pranger soeben vom Netz genommen. Da nicht jeder diese Namen und Institutionen einordnen kann, rekapitulieren wir - speziell für Anfänger und inspiriert vom Faktenfinder der Tagesschau - die wichtigsten Sachinformationen zu den Akteuren in dieser Affäre, um zu besser einordnen zu können, wer hat da was mit welchem Hintergrund entschieden hat. Die Fakten:
  • Die Heinrich-Böll-Stiftung ist keine Stiftung im rechtlichen Sinn, sondern ein eingetragener gemeinnütziger Verein mit Sitz in Berlin. Formal ist der Verein parteiunabhängig, tatsächlich dürfen die 49 zulässigen Mitglieder nur von der Bundespartei und der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen nominiert werden. Das Impressum bezeichnet den Heinrich-Böll-Stiftung e.V. daher korrekt als "die parteinahe Stiftung der Grünen".
  • Der Verein hat jährliche Einnahmen in der Größenordnung von 60 Millionen Euro, die nahezu vollständig aus öffentlichen Kassen stammen.
  • Ein besonderes Anliegen des Vereins ist "die Verwirklichung von Geschlechterdemokratie als ein von Abhängigkeit und Dominanz freies Verhältnis der Geschlechter." Die real existierende Geschlechterdemokratie des Vereins kopiert das Frauenstatut der Grünen, das in allen Machtpositionen eine (grundgesetzwidrige) harte Frauenquote von 50% vorschreibt, 100% sind explizit erlaubt, mehr als 50% Männeranteil sind nicht erlaubt. Aktuell beträgt die Frauenquote im Vereinsvorstand und der Geschäftsführung 100%, ebenso natürlich in dem mit Sondervollmachten ausgestatteten Frauenrat. Eine Geschlechterdemokratie im Sinne der Heinrich-Böll-Stiftung ist somit faktisch ein Matriarchat.
  • Das ebenfalls öffentlich auftretende Gunda-Werner-Institut (GWI) ist keine eigene juristische Person, sondern nur eine Organisationseinheit innerhalb des Vereins. Ziel des GWI ist insbesondere, Herrschaftsstrukturen und Dominanzverhältnisse zwischen den Geschlechtern zu reflektieren und gesellschaftliche Emanzipation und Gleichstellung aller Geschlechter in allen Bereichen der Gesellschaft - de facto also ein Matriarchat - zu unterstützen und voranzutreiben.
  • Das satzungsmäßige wie faktische Matriarchat im Heinrich-Böll-Stiftung e.V. steht offensichtlich in krassem Gegensatz zu Grundgesetz Artikel 3. Eine spannende Frage, für die man einen Verfassungsjuristen braucht, besteht darin, ob es zulässig ist, aus staatlichen Mitteln Vereine zu finanzieren, die offensichtlich selber grundgesetzwidrige Strukturen haben und weiter verbreiten wollen.


Der "Heinrich-Böll-Stiftung e.V."

Rechtsform

Der "Heinrich-Böll-Stiftung e.V." ist keine Stiftung im üblichen rechtlichen Sinn, sondern ein eingetragener Verein. Eine Stiftung ist in Deutschland eine Einrichtung, die mit Hilfe eines Vermögens einen vom Stifter des Vermögens festgelegten Zweck verfolgt. Die meisten Stiftungen sind öffentliche Stiftungen des bürgerlichen Rechts und dienen gemeinnützigen Zwecken. Der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. hat keinen derartigen Vermögensstock, er finanziert sich nur über laufende Einnahmen.

Aktuelle Zusammensetzung von Vorstand, Geschäftsführung und weiteren Leitungsfunktionen

Die aktuelle Zusammensetzung von Vorstand, Geschäftsführung und weiteren Gremien finden sich auf der Seite https://www.boell.de/de/kontakt bzw. im Organisationsplan (Stand: 30. April 2017). Danach sind die Leitungsfunktionen geschlechterdemokratisch und satzungskonform wie folgt zusammengesetzt (Frauen : Männer - Frauenquote):
  • Vorstand: 2:0 - 100%
  • Referentinnen des Vorstands: 2:0 - 100%
  • Geschäftsführung: 1:0 - 100%
  • Referentinnen / Assistentinnen der Geschäftsführung: 4:0 - 100%
  • Aufsichtsrat: 5:4 - 55%
  • Frauenrat: 10:0 - 100%

Finanzierung

Der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. weist in seinen Jahresberichten die Einnahmen nach Hauptquellen strukturiert aus. Im Jahresbericht 2016 werden die Einnahmequellen auf S. 54 wie folgt erläutert:
Finanzielle Rahmenbedingungen der Stiftungsarbeit

Die Heinrich-Böll-Stiftung ist als gemeinnütziger Verein beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg registriert. Ihre Arbeit finanziert sich zum überwiegenden Teil aus öffentlichen Zuwendungen. Der zentrale Baustein unserer Finanzierung sind die sog. Globalmittel, die der Bundestag im Haushalt des Bundesministeriums des Innern für die Arbeit politischer Stiftungen zur Verfügung stellt. Über die Verwendung der Globalmittel kann die Stiftung zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben weitgehend frei entscheiden. ...

Zusätzlich erhält die Stiftung Projektmittel, die nur für den jeweils vereinbarten Zweck verausgabt werden dürfen (z. B. für die Auslandsarbeit oder die Studien- und Promotionsförderung). Die Projektmittel werden durch Verwaltungskostenzuschüsse (VKZ) ergänzt, die ähnlich wie Globalmittel eingesetzt werden können. ...

Neben den öffentlichen Mitteln hat die Heinrich-Böll-Stiftung auch Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Weiterbildungsakademie Green Campus.

Die Gesamteinnahmen betrugen 57.599.805 Euro in 2015, 62.221.188 Euro in 2016.

Die Globalmittel hatten einen Anteil von 34,07% in 2015 und 32,92% in 2016.

Die Projektmittel Bundesregierung und EU hatten einen Anteil von 65,60% in 2015 und 66,21% in 2016.

Die "Sonstigen Einnahmen", unter die u.a. die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen fallen, betrugen 0,13% in 2015 und 0,28% in 2016. D.h. die nicht aus öffentlichen Quellen stammenden Mittel sind nur marginal.



Das Gunda-Werner-Institut (GWI)

Das Gunda-Werner-Institut (GWI) hat eine eigene Webseite http://www.gwi-boell.de und wird deswegen und wegen der Bezeichnung "Institut" leicht fälschlich für eine eigene juristische Person gehalten. Tatsächlich ist es nur eine Organisationseinheit des Heinrich-Böll-Stiftung e.V., die in dessen Satzung § 11b eingerichtet wird.

Man kann sich fragen, wieso ein radikal feministischer, matriarchaler Verein noch einmal zusätzlich eine extrafeministische Organisationseinheit braucht und worin sich diese Organisationseinheit vom restlichen Verein unterscheidet. Am naheliegendsten ist die Interpretation als Elitetruppe und Think Tank. Nach eigenem Bekunden steht auf Platz 1 der Themenliste des GWI das Thema Feminismus & Geschlechterdemokratie, bei dem "feministische und geschlechterdemokratische Konzepte weiterentwickelt" werden.

In der Gliederung der Themenseite Feminismus & Geschlechterdemokratie findet man wider Erwarten keinen Eintrag für Feminismus, stattdessen einen für Antifeminismus - die Bekämpfung von Feminismuskritikern und Meinungsgegnern scheint oberste Priorität zu haben - und Männerpolitiken, wo es z.B. um "wütende weiße Männer" und "Rassismus und Männlichkeiten" geht.

Zum Begriff Geschlechterdemokratie erfahren wir auf einer eigenen Themenseite:

Geschlechterdemokratie als Vision und Organisationsprinzip

Geschlechterdemokratie hat die Vision, Demokratie zwischen Frauen und Männern herzustellen, und zwar nicht nur durch formale Gleichheit, sondern durch die Anerkennung von Verschiedenheit auf der Basis gleicher Rechte und Möglichkeiten. Geschlechterdemokratie ist ein Leitbild und Organisationsprinzip, das geschlechtliche Hierarchien und starre Geschlechterrollen, die in gesellschaftlichen Einrichtungen und Organisationen strukturell "eingefroren" sind, aufbrechen und verändern will.

Geschlechterdemokratie in der Heinrich-Böll-Stiftung

Geschlechterdemokratie ist in der Heinrich-Böll-Stiftung als übergreifendes Leitbild in der Satzung verankert und durchzieht alle Bereiche der Stiftungsarbeit. Das Leitbild ist nicht nur Arbeitsaufgabe, sondern auch Organisationsprinzip: geschlechterhierarchische Organisationskulturen und -strukturen sollen demokratisiert, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sensibel für Geschlechterdifferenz und Ungleichheit werden und sich auch in ihrer Arbeit für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen. ....



Kampfbegriff "Geschlechterdemokratie"

Politische Kampfbegriffe sind Instrumente des politischen Meinungskampfes und dienen oft dazu, unterschwellig unzutreffende Botschaften zu vermitteln oder Debatten zu vernebeln, um tatsächlich verfolgte Ziele zu verdecken, so auch hier.

Der Begriff "Geschlechterdemokratie" ist wörtlich genommen Unsinn. Demokratie ist eine Herrschaft des Staatsvolkes, das unmittelbar oder durch Auswahl entscheidungstragender Repräsentanten an allen Entscheidungen, die die Allgemeinheit verbindlich betreffen, beteiligt ist. Wesentlich ist hier, daß einzelne Menschen indirekt über gewählte Vertreter oder direkt über Volksabstimmungen Macht ausüben, unabhängig von ihrem Geschlecht. "Geschlechter" im Sinne der Kollektive der Frauen, Männer o.a. sind keine Menschen und haben als solche auch keine Menschenrechte oder Machtbefugnisse. Schon der Begriff "Geschlechterdemokratie" ist daher unmittelbar antidemokratisch.

Das GWI definiert Geschlechterdemokratie als "ein Leitbild und Organisationsprinzip, das geschlechtliche Hierarchien und starre Geschlechterrollen ... aufbrechen und verändern will". Das ist kategoriell etwas anderes als eine Demokratie, nämlich bestenfalls eine Ideologie oder Gehirnwäsche, die auf Kampfbegriffen wie Geschlecht ("Gender"), Geschlechterhierarchie oder (Geschlechts-) Stereotype basiert und die einen mehr oder weniger totalitäten Anspruch aufstellt, wie sich Menschen im Alltag verhalten sollen. Damit sind wir weit entfernt von den Regelungsbefugnissen, die man dem Gesetzgeber in freiheitlichen Demokratien zugesteht.

Ebenfalls extrem fragwürdig ist die Definition von Geschlechterdemokratie als "Demokratie zwischen Frauen und Männern". Eine Demokratie existiert nicht "zwischen" bestimmten Machtinhabern, sondern in einem Staat. Wenn hier mit "Frauen" und "Männern" die jeweiligen Kollektive gemeint sind, ist Geschlechterdemokratie nur ein Synonym für Identitätspolitik, einer ausgesprochen asozialen und schädlichen Ideologie, die indes seit langem zum Markenkern des Feminismus gehört.

Teilweise wird Geschlechterdemokratie auch als synonym zu Gender Mainstreaming verstanden. Offiziell strebt man dabei die Berücksichtigung der Interessen aller "Geschlechter" an, faktisch aber eine einseitige Privilegierung von Frauen, wie sie sich am besten in der real gelebten Geschlechterdemokratie des Heinrich-Böll-Stiftung e.V. zeigt.



Auszüge aus der Satzung des Heinrich-Böll-Stiftung e.V.

Auszüge aus der Satzung des Heinrich-Böll-Stiftung e.V. vom 18. Dezember 2007 (Hervorhebungen hinzugefügt):

§ 2 Zweck des Vereins

(3) Ein besonderes Anliegen ist ihr die Verwirklichung von Geschlechterdemokratie als ein von Abhängigkeit und Dominanz freies Verhältnis der Geschlechter. Diese Gemeinschaftsaufgabe ist sowohl für die interne Zusammenarbeit als auch für die öffentliche Tätigkeit aller Bereiche ein maßgebliches Leitbild.

§ 3 Gemeinnützigkeit

(3) Die Mittel der Stiftung dürfen nicht an eine Partei oder eine ihrer Untergliederungen weitergegeben werden.

§ 4 Mitgliedschaft

(2) Die Zahl der Mitglieder ist auf 49 begrenzt.

(3) Die Mitglieder werden als Einzelpersonen aufgrund von Wahlvorschlägen aus
a) der Bundespartei und der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen,
b) jeder Landesstiftung,
c) den Freundinnen und Freunden der Heinrich-Böll-Stiftung
durch die Mitgliederversammlung gewählt.

§ 5 Zusammensetzung und Arbeit der Organe und Gremien

(1) Organe des Vereins sind:
a) die Mitgliederversammlung
b) der Vorstand
c) der Aufsichtsrat

Gremien des Vereins sind:
a) der Frauenrat
...

(2) Für die Organe und Gremien der Stiftung gilt eine Quotierung von mindestens 50 Prozent für Frauen auf allen Arbeitsebenen sowie mindestens zehn Prozent für Personen mit Migrationshintergrund. Für den Bereich der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt dies als Zielvorgabe.

§ 6 Mitgliederversammlung

(6) Ein Beschluss der Mitgliederversammlung, der gegen die Mehrheit der anwesenden Frauen gefasst worden ist, ist bis zur nächsten Mitgliederversammlung auszusetzen, wenn mindestens die Hälfte der Frauen der Mitgliederversammlung anwesend ist und dies mit Mehrheit beschließt (aufschiebendes Veto). Die Abstimmung erfolgt auf Antrag von mindestens zwei der anwesenden Frauen der Mitgliederversammlung.

§ 10 Frauenrat

(1) Zur Unterstützung frauenpolitischer Ziele der Stiftung nach § 2 der Satzung und zur Umsetzung der Gemeinschaftsaufgabe Geschlechterdemokratie nach innen und außen wird der Frauenrat eingesetzt, der mit dem Koordinationsbereich der Gemeinschaftsaufgabe eng verknüpft ist. .....

Als qualifizierte Empfehlungen müssen die Frauenratsentscheidungen vom Vorstand berücksichtigt werden. Im Falle von Dissens muss der Vorstand seine Position gegenüber dem Frauenrat begründen und diskutieren, bevor er eine endgültige Entscheidung trifft. ...

(3) Der Frauenrat setzt sich zusammen aus mindestens sieben und höchstens zehn Frauen.

§ 11b Gunda-Werner-Institut

(1) Das Gunda-Werner-Institut trägt auf der Grundlage feministischer und geschlechterdemokratischer Erkenntnisse in emanzipativer Absicht zur politischen Bildungs- und Beratungsarbeit der Stiftung bei. Ziel der Arbeit ist es insbesondere, Herrschaftsstrukturen und Dominanzverhältnisse zwischen den Geschlechtern zu reflektieren und gesellschaftliche Emanzipation und Gleichstellung aller Geschlechter in allen Bereichen der Gesellschaft zu unterstützen und voranzutreiben

(2) Das Gunda-Werner-Institut arbeitet als eigener Bestandteil der Bundesstiftung an der Umsetzung der Stiftungsziele mit. Zur Gewährleistung einer professionell strukturierten Arbeit werden dem Institut in ausreichendem Maße Globalmittel zur Verfügung gestellt.

...



Quellen

  1. Jahresbericht 2015. Heinrich-Böll-Stiftung e.V., 2016. https://www.boell.de/sites/default/files/boell-stiftung_jahresbericht-2015.pdf
  2. Jahresbericht 2016. Heinrich-Böll-Stiftung e.V., 2017. https://www.boell.de/sites/default/files/hbs_-_jahresbe ... zel.pdf

Donnerstag, 15. Juni 2017

Die psychologische Kriegführung der Süddeutschen gegen "die Männer"

Inhaltsübersicht

Zusammenfassung

Im Rahmen ihrer psychologischen Kriegführung gegen "den Mann als solchen" hat die Süddeutsche Zeitung (SZ) am letzten Wochenende gleich fünf Artikel zum "brandaktuellen" Themenschwerpunkt "Mann in der Krise" publiziert. Tatsächlich ist die feministische Propaganda, der Mann stecke in einer Krise und habe gefälligst verunsichert zu sein und im Feminismus sein Heil zu suchen, mittlerweile jahrzehntealt und dient nur noch zur Demoralisierung des Gegners (sofern dieser darauf hereinfällt).

Insofern überrascht es nicht, daß die SZ keinerlei neue Erkenntnisse zu bieten hat, worin die "Krise des Mannes" besteht und wer überhaupt dieser "Mann" ist. Statt Sachinformationen bietet die SZ einen bunten Strauß von feministischen Halbwahrheiten bzw. Ganzfalschheiten. Im Leitartikel bietet sie immerhin optisch als Aufmacher für die feministische Leserin ein extrem muskulöses, allerdings daumenlutschendes (!) Exemplar der Spezies Mann an, womit eindeutig bewiesen ist, daß "der Mann als solcher" ein in seine Muckis verliebter, retrograder Vollidiot, also die personifizierte Krise ist.

Die desaströse journalistische Qualität des Leitartikels setzt sich im ganzen Themenschwerpunkt fort: Die meisten Beiträge vermitteln kurioserweise und ggf. ungeplant den Eindruck, daß eigentlich nicht "die Männer" eine Krise haben, sondern viel eher die Frauen, der Feminismus und die SZ-Redaktion.



Psychologische Kriegführung

Der moderne Feminismus versteht die Beziehung zwischen Männern und Frauen bekanntlich als Macht- und Befreiungskampf einer unterdrückten Klasse - "die Frauen" - gegen ihre Unterdrücker - "die Männer". Bei den Grünen ist dieser Machtkampf bereits entschieden, das Frauenstatut macht Männer zu Menschen 2. Klasse und etabliert ein Matriarchat, in der Frauen alle Machtpositionen besetzen und die Rolle der Herrenrasse spielen. Dieser Machtkampf ist aber noch nicht überall gewonnen, daher sind alle Mittel recht, diesen Kampf zu gewinnen.

Zu den wichtigsten Mitteln der modernen Kriegführung zählt die psychologische Kriegführung, hier insb. die Demoralisierung des Gegners mit psychologischen Methoden (unter Benutzung üblicher Propagandatechniken). Die mediale Dauerbeschallung, der Mann (ersatzweise seine Männlichkeit) sei in der Krise, kann man inzwischen nur noch als Teil einer solchen psychologischen Kriegführung interpretieren. Um dies zu erkennen, muß man zunächst eine begriffliche Doppeldeutigkeit bzw. Trickserei durchschauen: "Krise des Mannes" hat zwei grundverschiedene Bedeutungen:

  1. die soziologische Bedeutung: u.a. die Bildungsnachteile von Jungen / Männern, die hohe Selbstmordrate etc., die mit Statistiken objektiv dokumentiert sind; "Mann" steht hier für die männliche Population, "Krise" für inakzeptable soziale Zustände.
  2. die psychologische Bedeutung: ein defizitärer psychologischer Innenzustand von Männern, depressives Selbstbild, fehlendes Selbstbewußtsein usw.; "Mann" steht hier für einzelne Personen, "Krise" für individuelle Defizite dieser Person.
Ziel der psychologischen Kriegführung muß es vor allem sein, die Krise der Männer im Sinne der 2. Definition zu erzeugen, Männern also einzureden, sie seien defizitär, Versager, charakterlich minderwertig usw.


Das Männerbild der Süddeutschen: Mimimi-Männer als grenzdebile, retrograde Heulsusen

Wie schon einleitend erwähnt hatte die SZ am letzten Wochenende (11.06.2017) einen Schwerpunkt "Mann in der Krise". Die insg. fünf Artikel, insb. der Leitartikel, erzeugten einiges Rauschen im Blätterwald. Die Kulturpresseschau des Deutschlandfunks hat immerhin die Intention des Schwerpunkts ganz gut erfaßt und titelt: Männer sind die neuen Frauen (übrigens bei näherem Hinsehen ein äußerst problematisches Statement).

Damit auch niemand den Schwerpunkt übersieht, führt die SZ ihn auf den Themenseiten sowohl als Männlichkeit in der Krise als auch als Mann in der Krise auf. Die Liste der Artikel ist in beiden Fällen identisch, ebenso der erläuternde Text zu den Übersichtslisten:

Der Mann - ein gesellschaftlicher Problemfall?

Dem Mann geht es nicht gut. Heißt es gerade immer wieder. Man gibt ihm die Schuld an allem, was schief läuft in der Welt. Sexismus, Gewalt, Trump. Was ist los mit dir, Mann? Zeit für eine Inspektion.

Schon diese wenigen Zeilen triefen nur so von Propaganda. Die Frage in der Überschrift ist definitiv rhetorisch, die SZ läßt keinen Zweifel daran, daß sie den Mann für einen gesellschaftlichen Problemfall hält, macht hier aber statt einer expliziten Aussage lieber eine implizite. In dem begleitenden Video wird es direkter: mit dramatischer Geste wird verkündet, der Mann sei zum gesellschaftlichen Problemfall geworden.

Die Aussage "Dem Mann geht es nicht gut." ist in ihrer Pauschalität falsch und dient nur dazu, einen Strohmann aufzubauen, der im nächsten Satz widerlegt wird: Es heißt nämlich nur so, in Wirklichkeit stimmt das nicht, das sind alles nur Behauptungen.

Richtig ist am nächsten Satz, daß andere, insb. Feministinnen, Männer zum Sündenbock für alles mögliche erklären (das hat Tradition, Leseempfehlung: Kucklick: Das unmoralische Geschlecht) - was die SZ zur Frage führt "Was ist los mit dir, Mann?", ihn also auffordert, sich zu persönlich zu entschuldigen. Daß mit den feministischen Anklägern etwas los sein könnte, ist jenseits des Denkhorizonts der SZ.

"Zeit für eine Inspektion" ist es auch nicht, denn die Krise der Männer im soziologischen Sinn ist gut erforscht. Staunend bis irritiert entnehmen wir diesem Satz, daß die SZ offenbar glaubt, ausreichend qualifiziert zu sein, Männer zu inspizieren. Die vorliegende Artikelserie bestätigt den Eindruck, daß es sich hier um eine grandiose Selbstüberschätzung handelt.

Der Daumenlutscher

Noch besser als der erläuternde Text zu den Übersichtslisten illustriert ein Bild das Männerbild der Süddeutschen. Das Bild illustriert den ersten Listeneintrag wie auch diesen Artikel selber. Es zeigt einen extrem muskulösen Mann, der mit geschlossenen Augen an seinem Daumen lutscht. Eingerahmt wird das ganze durch ein Marssymbol, das scheinbar mit einem dicken lila Filzstift über den Oberkörper des Mannes gezeichnet ist.

Was uns der Künstler mit dem Bild sagen will, könnte kaum plakativer ausgedrückt werden: Der Mann als solcher ist ein grenzdebiler, retrograder Vollidiot, seine einzige Qualifikation sind seine dicken Muskeln, und intellektuell ist er nicht über das Alter von 2 - 4 Jahren hinausgekommen. Immerhin kann man hoffen, daß das hier besser ausgeht als im Struwwelpeter.

Obwohl immer wieder gerne behauptet wird, der Feminismus sei auch für Männer gut, hat die SZ-Redaktion hier sicherheitshalber doch lieber ihre tiefsitzende Verachtung alles Männlichen und ihren damit zusammenhängenden Männerhaß visuell dokumentiert. Ein interessantes Experiment ist in solchen Fällen immer, den Mann gedanklich durch eine Frau, einen Islamisten oder sonstige Person, die auf der intersektionalen Opferstatushierarchie weiter oben steht, zu ersetzen. In der SZ-Redaktion würde mit einiger Sicherheit ein Sturm der Empörung ausbrechen über diese sexistische, haßerfüllte Darstellung eines Menschen und den Versuch, ihm seine Würde zu nehmen (gerne auch garniert mit Hinweisen auf GG Art. 1).

Breaking News

Das Bild vom Mann als Vollidiot hat den Untertitel:
Männer inszenieren sich plötzlich als Opfer gesellschaftlicher Diskriminierung. Was ist da eigentlich los?
Damit ist, bevor der Leser mit Details belästigt wird, schon mal implizit alles wichtige klargestellt: Männer sind nicht benachteiligt, sie inszenieren sich nur als solche, lügen also mal wieder. Daß die jahrelangen Beschwerden von Männern über ihre Benachteiligungen "plötzlich" von der SZ-Redaktion wahrgenommen werden - seit letzter Woche? -, ist womöglich die eigentliche Nachricht und verrät uns viel über die geistige Abgeschottetheit der SZ-Redaktion.


Der Leitartikel: "Mimimi?"

Die Liste der Artikel zum Schwerpunkt "Mann/Männlichkeit in der Krise" enthält als ersten und sozusagen als Leitartikel einen Text von Julian Dörr, der anfangs den Titel Mimimi? hatte. Nach ca. 2 Tagen wurde der Titel, vielleicht weil er doch zu peinlich war, geändert in "Der Mann in der Krise". Allerdings funktioniert der alte Link http://www.sueddeutsche.de/kultur/maennlichkeit-in-der-krise-mimimi-1.3476657, der den ursprünglichen Titel enthält, immer noch. Der Artikel erschien auch in einer gekürzten Fassung unter dem Titel "Krone der Erschöpfung" in der Druckausgabe.

Männer bekommen Angst

Im eigentlichen Artikel erhält das Bild des Daumenlutschers noch einen Begleittext:
Feminismus, Globalisierung und jetzt auch noch die Digitalisierung: Der Mann bekommt es mit der Angst zu tun. (Foto: Getty Images; Bearbeitung SZ)
Dieser Begleittext ist reines Wunschdenken. Anders gesagt drückt die SZ hier versehentlich offen aus, welchen Effekt sie mit ihren Texten erzielen möchte: "die Männer" sollen Angst vor dem Feminismus und den Frauen bekommen und sich bloß nicht mehr trauen, irgendwie aufzumucken.
[Nachtrag: in einer neueren, auf den 13.06.2017 datierten Version der Webseite ist der Begleittext geändert und lautet jetzt: "Der englische Bodybuilder und Mr. Universum Reg Park tut so, als würde er seinen Bizeps mit Luft aufpumpen. (Foto: Getty Images; Bearbeitung SZ)" Das ist ähnlich absurd wie die Daumenlutscherei.]

"Die Männer" haben nämlich leider bisher zu wenig Angst. Übertriebenes Selbstvertrauen und höhere Risikobereitschaft gelten bei anderer Gelegenheit als Kernbestandteile der toxischen Männlichkeit, die nachgerade epidemisch verbreitet ist und deren Bekämpfung feministischer Daseinszweck ist. Es ist sogar eine wissenschaftlich gut gesicherte Erkenntnis, daß ganz im Gegenteil zur Aussage der SZ Frauen ängstlicher als Männer sind. Solche Fakten stören aber nur, sie hindern die SZ nicht, ohne rot zu werden dem Leser ihre alternativen Fakten zu präsentieren.

Der Qualitätsjournalismus der SZ

Daß es die SZ-Redaktion (oder der Autor des Artikels) mit den Fakten nicht so genau nimmt (oder schlicht keine Ahnung hat oder die Leser einfach nur für dumm verkaufen will), demonstriert auch der folgende Text:
Männer sehen sich neuerdings als Verlierer, im Leben, im Job. Einer US-amerikanischen Studie zufolge fühlen sich mehr männliche Millennials ... im Arbeitsleben wegen ihres Geschlechts diskriminiert als Frauen. Männer sagen, ihre Aufstiegschancen seien beschränkt, weil Frauen bevorzugt würden. Eine gefühlte Wahrheit gut situierter White-Collar-Jungs? Denn Fakt ist: Der Gender Pay Gap, also die finanzielle Geschlechterungleichheit, ist jetzt gerade größer als noch vor acht Jahren. Ihn zu schließen könnte laut des jährlichen Berichts des World Economic Forum noch bis zum Jahr 2186 dauern. Unter den hundert reichsten Menschen der Welt finden sich zehn Frauen. In den Vorständen deutscher Dax-Unternehmen sitzen 45 Frauen insgesamt 630 Männern gegenüber.
Dieser Text ist Ansammlung von alternativen Fakten, Denkfehlern und Hetzpropaganda:
  1. Die zitierten nordamerikanischen männlichen Millennials haben durchaus Grund für ihre Annahme, diskriminiert zu werden, das ist keine "gefühlte Wahrheit gut situierter White-Collar-Jungs". Diese Gruppe ist eines der bekanntesten Beispiele für ein negatives Gender Pay Gap, d.h. Frauen erhalten dort höhere Stundenlöhne als Männer.

    Diese Information wird kurzerhand unterschlagen. Nicht zu reden von dem Risiko, von Frauen als Belästiger denunziert und umstandslos gefeuert zu werden.

  2. Die USA und Deutschland sind ferner durchaus verschieden. Die (korrekte) Meinung nordamerikanischer männlicher Millennials besagt nichts über die Meinung deutscher Millennials, um die es in einem deutschen Artikel eigentlich geht. Die Erwähnung der USA-Millennials ist daher unabhängig vom unterschlagenen negativen GPG deplaziert. Sie dient nur dazu, einen Strohmann aufzubauen, der eine politisch unpassende Meinung vertritt, und diese Meinung dann mit großer Geste widerlegen zu können. Womit bewiesen wäre, daß alle Männer lügen und unqualifiziert herumjammern.
  3. Das Gender Pay Gap dramatisch als "die finanzielle Geschlechterungleichheit" zu bezeichnen, ist unqualifizierter Dummenfang. Das GPG bezieht sich auf die Bruttostundenlöhne, nicht auf die Monatsgehälter oder Vermögensverhältnisse oder anderes.
  4. Als "Widerlegung" des o.g. Strohmanns wird der "Global Gender Gap Report 2016" des World Economic Forum angeführt. Dieser Bericht des World Economic Forum mißt, wie sogar aus dem Titel ersichtlich, das "Global Gender Gap". Das ist etwas völlig anderes als das GPG, dazu muß man sich aber in dem Report bis auf Seite 4 durchkämpfen, was den Autor sichtlich überfordert hat. Dort wird die Struktur des "Global Gender Gap Index" erklärt, z.B. spielt Zugang zu Bildung darin eine Rolle, das GPG hingegen keine relevante. GPGs werden im Global Gender Gap Report nicht berechnet, auch nicht länderspezifisch, z.B. für die USA (s. S. 356). Der Index ist auch nicht auf eine bestimmte Altersgruppe wie die Millennials beschränkt.
  5. Die Aussage, daß das GPG "jetzt gerade größer als noch vor acht Jahren" ist (für welches Land, wenn man fragen darf?), ist zumindest für Deutschland unzutreffend. Hier ist das (unvollständig) bereinigte GPG in den letzten Jahren gesunken.
  6. Die Hinweise auf die Frauenquoten unter den Milliardären bzw. unter den DAX-Vorständen haben nichts mit den Thesen des Schwerpunkts zu tun, daß "der Mann" eine Krise hat oder die nordamerikanischen männlichen Millennials verlogene Jammerlappen sind.
In diesem unqualifizierten Stil geht es in dem Text weiter. Auf Genderama wird eine weitere Serie von Argumentationsfehlern, Polemiken und Hetzparolen gelistet, die wir hier nicht wiederholen.

Große Teile des Artikels (und des begleitenden Videos) werden im übrigen darauf verwendet, einen neuen feministischen Jungstar zu promoten, Jack Urwin (25). Dessen Buch "Boys don't cry" ist ein flammendes Plädoyer für eine entgiftete Männlichkeit. Es verleitet seit Monaten feministische Journalisten zu Kritiken, die vor Begeisterung überschäumen, auch wenn es vereinzelt als nicht feministisch genug angesehen wird. Der Deutschlandfunk meint nüchtern, Nichts in Urwins Buch ist wirklich neu, dafür sind aber die altbekannten feministischen Weisheiten kraftvoll in den Raum geworfen und darin herumgekickt (ein eventuell schon wieder zu männliches Verhalten). So viel kritische Distanz ist allerdings von der SZ nicht zu erwarten. Urwin wird als die ultimative Wissensquelle und unhinterfragbarer Beweis, daß der Mann in der Krise ist, zitiert.

Insgesamt präsentiert der Text eine Sammlung von Denkfehlern, Falschdarstellungen, Hetzparolen und klassischen feministischen Dogmen, die darauf hinausläuft, "den Mann" kontrafaktisch als Lügner und Jammerlappen darzustellen, der selber schuld an seinen Problemen ist.



Männer im Kunstbetrieb noch nicht in der Krise?

Platz 2 der Liste der Artikel zum Themenschwerpunkt "Männlichkeit in der Krise" nimmt ein Interview der feministischen Filmemacherin und Autorin Miranda July ein. Selbige hat den Roman "Der erste fiese Typ" verfaßt, in dem sich eine 43-jährige Cheryl von sich selbst und den Erwartungen anderer, auch Männern, emanzipiert. Ob der fiese Typ oder Cheryl eine Krise hat und was das für den Rest der Welt bedeutet, wird nicht ganz klar.

Wir erfahren weiter, daß die Filmindustrie sehr sexistisch ist, das Leben für Frauen stets besch***en ist, ein männlicher Künstler mit 28 zum Genie erklärt wird und das dann für allezeit bleibt und daß es das bei Frauen nicht gibt. Der Eindruck drängt sich auf, daß eigentlich "die Frauen" eine Krise haben und es "den Männern" im Kunstbetrieb ganz prächtig geht, zumindest wenn sie sich mit 28 vom Patriarchat zum Genie erklären lassen.

Ein kleiner Mann, der womöglich in ein paar Jahren eine Krise als geschlechtsamorphe Schneeflocke haben wird, ist der 5-jährige Sohn von Miranda July. Wir erfahren, daß er gerade ein Kleid anhat, gerne geflochtene Zöpfe trägt und "von sehr fortschrittlich denkenden Menschen umgeben ist", die aber leider keine Ahnung von Persönlichkeitsentwicklung haben.

Summa summarum bleibt es schleierhaft, wie und mit welchen Argumenten dieser Text die These des Themenschwerpunkts, der Mann sei in der Krise, unterstützen könnte.



Nigerianische Männlichkeit in der Krise

Das Rätseln, was der Text mit dem Themenschwerpunkt zu tun hat, setzt sich beim dritten Text Wo Frauen noch vor Männern niederknien fort. Er stellt einen Nigerianer vor, der vor zwei Jahren nach Bayern eingewandert ist. Deutsche Frauen erscheinen ihm im Vergleich zu nigerianischen zwar als schön, aber auch als gefährliche Löwinnen, ferner als galant bis charmant, dabei aber ungewohnt bestimmt, fast schon herrisch, wie er es nur von Männern kannte. Erstaunlicherweise wundert er sich, daß so viele Ehen in Deutschland geschieden werden.

Daß unser Nigerianer in der Krise steckt, ist wahrscheinlich und nachvollziehbar. Er stellt aber nur eine kleine Minderheit in der deutschen Gesamtbevölkerung dar und ist insofern als Beweis ungeeignet, "der Mann" als solcher sei flächendeckend in der Krise.



Pop-Musikkritik der SZ in der Krise

Der nächste Text zum Themenschwerpunkt trägt den leicht anrüchigen Titel Geilheit! Diese ständige Geilheit!. Er behandelt den deutschen Kuschelpop und den dort verbreiteten verweichlichten Kuschelpop-Mann, über den alle nur noch lachen (ähnlich wie über den schon legendären Schmerzensmann). Dieser Population von vermutlich feministischen Musikanten wird plausibel eine Krise attestiert.

Allerdings geht es in diesem Artikel weniger um die üblichen Kuschelpop-Männer, sondern speziell um den aufkommenden Popstar Faber (bürgerlich: Julian Pollina), dessen Vokabular und Meinungsspektrum unkuschelig und typisch für Rapper ist. Faber hat durch nicht ganz PC-konforme Texte - z.B. indem er den Intellekt einer Frau mit dem eines Schafes verglich [was in der Tat grenzwertig ist] - bereits eine kleine Sexismus-Debatte losgetreten. Offenbar hat er trotzdem keine Krise, das ist die eigentliche Nachricht.

Eine Krise in dieser Geschichte hat offensichtlich der feministische Autor des Textes: Fassungslos beobachtet er, daß Faber "keine Rollenbilder hinterfragt, keine Gendernormen aufbricht" und sich einen feuchten Kehricht darum schert, ob jemand seine Texte in den falschen Hals bekommt oder sie für einen "machistischen Männerrollen-Backlash" hält. Und trotzdem jubeln die Frauen!!

Am Ende kommt ihm ein böser Verdacht: Vielleicht hat Faber das einfach alles verstanden. Das mit dem Mann sein. Und das mit den Männern und Frauen. Hier und heute. Im Gegensatz zur SZ-Redaktion: die hat das mit den Männern und Frauen offenbar nicht verstanden und schreibt deswegen ständig Texte über Männer in der Krise.

Dieser Artikel ist nachgerade eine Antithese zum Themenschwerpunkt: Die Männer, die sich an einem feministischen Männerbild ausgerichtet haben und versuchen, Frauen zu imitieren, sind öde und werden verlacht. Die wenigen, die sich nicht von hyperkorrekter PC beeindrucken lassen und ihr Ding machen, stehen entgegen allen feministischen Theorien sehr gut da.



Die Krise des Michael Kimmel

Im letzten Text zum Themenschwerpunkt darf wieder einmal Michael Kimmel seinen gewohnten Männerhaß verbreiten. Wütende weiße Männer sind gemäß Kimmel das Grundübel der Welt und Ursache alles Schlechten, inkl. Trump. Sie haben laut Kimmel Angst vor Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, Einwanderern und Frauen, die um die Jobs konkurrieren, und lassen sich von Populisten für dumm verkaufen.

Stellenweise hat Kimmel sogar recht: Populismus ist keine Theorie, es ist ein Gefühl. ... Diese Leute glauben, dass sie die Opfer sind [und ihnen Ungerechtigkeit widerfährt]. Besser kann man den Feminismus und die Produktion von Opferstatusbewußtsein bei Feministinnen nicht beschreiben.

Kimmel liefert außerdem eine Ferndiagnose der Psyche der deutschen AfD-Wähler, die sich von Kanzlerin Merkel entmannt sehen. Kimmel beweist eindrücklich, daß er wirklich jedes beliebige Problem elegant auf die gekränkte Männlichkeit wütender weißer Männer zurückführen kann.

Man fragt sich auch bei diesem Text verzweifelt, welche Männer nun gerade in der Krise sind und was dieses Interview zum Themenschwerpunkt beiträgt. Für Kimmel und die SZ kann nur jemand, der eine tiefe Krise hat, Trump wählen. Damit ist für die SZ anscheinend bewiesen, daß Kimmels Lieblingshaßobjekt, der "angry white man", der das Rückgrat der Trump-Wählerschaft bildet, und auch alle anderen Trump-Wähler (vor allem männliche) eine Krise haben.

Außerhalb der Filterblase, in der Kimmel und die SZ leben, könnte man den Eindruck haben, daß es dem "angry white man" (inkl. den Trump-Wählerinnen) gerade blendend geht, zumindest politisch und psychologisch. Von Krise keine Spur, man ist an der Macht. Weil aber nicht sein kann, was nicht sein darf, ist für Kimmel und die SZ trotzdem klar, daß der "angry white man" ganz einfach eine ganz schlimme Krise haben und eigentlich depressiv sein muß.



Fazit - die SZ in der Krise?

Die These vom "Mann in der Krise" hat einen ellenlangen Bart. Vor 30 - 40 Jahren hatte sie sogar noch einen gewissen Neuigkeitswert und war damals geeignet, Männer einzuschüchtern.

Gründe, sich heute wieder einmal mit dieser These zu befassen, könnten sein, die soziologischen Phänomene besser verstehen oder Abhilfe schaffen zu wollen - dazu leistet der Schwerpunkt nichts, ganz im Gegenteil werden Falschinformationen verbreitet. Stattdessen reitet er mitleidig bis höhnisch auf den Problemen mancher Männer herum. Der einzig erkennbare Zweck dieses Schwerpunkts ist psychologische Kriegführung gegen den "angry white man" oder ganz einfach alle nichtfeministischen Männer.

Der Versuch, den Lieblingsfeind zu demoralisieren, ist aber letztlich derart unqualifiziert durchgeführt, daß man damit höchstens völlige Anfänger übertölpeln und von ihrer Krise überzeugen kann. Wenn hier jemand eine Krise hat, dann mit Sicherheit die SZ mit ihrer journalistischen Qualität.

Fazit: Krisenlos männlich ist, wer sich von derartigen journalistischen Produkten nicht blenden läßt, die Propaganda durchschaut und sich bei passender Gelegenheit (z.B. den nächsten Bundestagswahlen) revanchiert.

Quellen

  1. Olaleye Akintola: Wo Frauen noch vor Männern niederknien. Süddeutsche, 11.06.2017. http://www.sueddeutsche.de/kultur/maennlichkeit-in-der- ... 3430996
  2. Patrick Bernau: Warum Frauen Probleme mit der Work-Life-Balance. FAZ, 13.06.2017. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftswissen ... 23.html
  3. Jörg Blech, Rafaela von Bredow: Eine Krankheit namens Mann. Spiegel 38/2003, 15.09.2003. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-28591080.html
  4. Johanna Bruckner / Michael Kimmel: "Trump macht die männlichste Politik, die wir je hatten". Süddeutsche, 11.06.2017. http://www.sueddeutsche.de/kultur/maennlichkeit-in-der- ... 3436288
  5. Julian Dörr: Mimimi? (Der Mann in der Krise). Süddeutsche, 11.06.2017. http://www.sueddeutsche.de/kultur/maennlichkeit-in-der-krise-mimimi-1.3476657, http://www.sueddeutsche.de/kultur/maennlichkeit-in-der- ... 3476657, https://www.sueddeutsche.de/kultur/maennlichkeit-in-der ... 3476657
  6. Julian Dörr: Geilheit! Diese ständige Geilheit! Süddeutsche, 11.06.2017. http://www.sueddeutsche.de/kultur/maennlichkeit-in-der- ... 3520059
  7. Christiane Enkeler: Plädoyer für ein neues Männerbild. Deutschlandfunk, 04.03.2017. http://www.deutschlandfunkkultur.de/jack-urwin-boys-don ... =380447
  8. Christiane Lutz / Miranda July: "Ein Mann wird mit 28 zum Genie erklärt und bleibt das für allezeit". Süddeutsche, 11.06.2017. http://www.sueddeutsche.de/kultur/maennlichkeit-in-der- ... 3520068
  9. Gregor Sander: Männer sind die neuen Frauen. Deutschlandfunk Kultur, 11.06.2017. http://www.deutschlandfunkkultur.de/aus-den-feuilletons ... =388425
  10. Caspar Shaller: Männer? Kann man abschaffen, oder? DIE ZEIT, Nr. 12/2017, 16.03.2017. http://www.zeit.de/2017/12/boys-dont-cry-jack-urwin
  11. Ann-Kristin Tlusty: Kann Spuren von Gift enthalten. DIE ZEIT, 06.03.2017. http://www.zeit.de/kultur/2017-03/boys-dont-cry-maennli ... ansicht