Inhaltsübersicht
Zusammenfassung
Nachtrag 14.03.2017: Heute ist anläßlich des EPDs
2017 erneut die übliche Pressemitteilung des Statistischen
Bundesamts erschienen. Wie erwartet enthält sie praktisch alle
Fake News der 2016er Version.
Mehr dazu hier.
Bekanntlich leben wir in postfaktischen
Zeiten,
Fake News
allenthalben. Ein besonders markantes Beispiel von
Postfaktizität kann man beim
bereinigten Gender Pay Gap
(bGPG) beobachten, das vom Statistischen Bundesamt
berechnet wird. Das Bundesamt drückt in seinen
Publikationen, wenn man diese halbwegs sorgfältig liest,
unzweideutig aus, daß das bGPG
höchstens 7% beträgt, tatsächlich aber
kleiner, also ungleich 7% ist,
wobei offen bleibt, wieviel kleiner. Aus dieser Aussage
wird in der feministischen Propaganda das alternative
Faktum, daß das bGPG
genau 7% beträgt,
also ein wahrhaft erschreckendes Ausmaß hat, und natürlich
gemäß einem
klassischen
Fehlschluß die allgegenwärtige strukturelle
Diskriminierung von Frauen beweist.
Man steht vor der Situation und rätselt, warum manche
Leute nicht einmal einfache deutsche Sätze verstehen
können. Die jahrelang
falsche Berechnung des Datums des
Equal Propaganda Days
(EPD) läßt zwar Zweifel an der mathematischen
Kompetenz feministischer Aktivisten aufkommen, im
vorliegenden Fall sind wirklich keine Kenntnisse in
höherer Mathematik vonnöten.
Zur Ehrenrettung unserer Aktivisten muß man allerdings
erwähnen, daß das Bundesamt seit Jahren in seinen
Pressemitteilungen zum GPG Formulierungen benutzt, die
Fehlinterpretationen regelrecht provozieren.
Dort wird eine Beschreibung des bereinigten GPG gegeben,
die sachlich irreführend bzw. falsch ist, die von den
Publikationen, die das Bundesamt selber als detaillierte
Darstellung zitiert, widerlegt wird und die als
Begleitmusik unbewiesene feministische Propagandaaussagen
enthält.
Das Faktoid "7% bGPG" ist ein Musterbeispiel
dafür, wie man auf subtile, schwer durchschaubare Weise
Fake News produzieren kann.
Fake News Nr. 1: Der vernachlässigbare
Rechenfehler
Der rhetorische Trick, mit dem in den Pressemitteilungen
gearbeitet wird, besteht darin, einerseits pro Forma einen
Fehler im berechneten bGPG zuzugeben, zugleich aber den
Eindruck zu erwecken, dieser Fehler sei geringfügig. Einem
Leser, der die Materie nicht schon vorher kennt, wird
suggeriert, er könne den Fehler vernachlässigen
(detaillierte Textanalyse s.u.).
Explizite Aussagen über die Größe des Rechenfehlers, z.B.
maximal 1% der 7%, werden nicht gemacht und sind praktisch
auch kaum möglich. Der von den Pressemitteilungen
suggerierte Eindruck, der Fehler sei nicht erwähnenswert,
ist inhaltlich jedenfalls unhaltbar.
Das Bundesamt verfügt bei weitem nicht bei allen
lohnrelevanten Einflußfaktoren über entsprechende Daten,
und diese Daten haben in alternativen gGPG-Berechungen
einen hohen Bereinigungseffekt gehabt.
Im Endeffekt berechnet das Bundesamt aufgrund der
fehlenden Daten das bGPG zu hoch, und zwar sehr
wahrscheinlich viel zu hoch. Eine korrekte
Berichterstattung über die GPG-Bereinigung wäre gewesen:
Mit Hilfe der datenmäßig erfaßten
Einflußfaktoren kann das Bundesamt das GPG bis auf einen
Rest von ca. 7% bereinigen. Wenn vollständige Daten zu
allen Einflußfaktoren vorhanden wären, wäre das
bGPG kleiner, eventuell sogar erheblich kleiner und
statistisch nicht mehr signifikant.
Auf den potentiellen Rechenfehler wurde in den
Pressemitteilungen bis 2015
überhaupt nicht
hingewiesen, in der 2016er Pressemitteilung nur in
ungeeigneter Form (s.u.).
Dies ist eine erhebliche
Irreführung der Öffentlichkeit, denn eine korrekte
Berichterstattung wie oben vorgeschlagen reduziert die
politische Einschätzung und ideologische Verwertbarkeit
bzw. Skandalisierbarkeit des gGPG ganz erheblich. Ein
Hinweis auf den potentiell großen Fehler darf daher auch
in einer summarischen Mitteilung an die Öffentlichkeit
nicht unterschlagen werden.
Solange das Bundesamt nicht
explizit eine Obergrenze
für den Rechenfehler angibt und solange
das
tatsächliche bGPG wahrscheinlich nahe beim statistischen
Rauschen (ca. 2%) liegt, sollte das Bundesamt nicht
den Eindruck erwecken, das bGPG würde 7% betragen. Dieses
alternative Faktum dient im heute herrschenden
hegemonialen Feminismus nämlich dazu, nach Gutdünken
grundgesetzwidrige Diskriminierungen von Männern
zu verabschieden.
Fake News Nr. 2: eine zwangsläufig
falsche Interpretation
Extrem irreführend bis falsch sind ferner diverse
Formulierungen in den Pressemitteilungen, das vom
Bundesamt berechnete bereinigte GPG würde
"den Verdienstabstand von Männern und Frauen
mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und
Erwerbsbiografien"
messen. Erstens sind die Daten zu den Qualifikationen und
Tätigkeiten ausgesprochen lückenhaft und ungenau. Ein
Bachelor in Romanistik ist datenmäßig nicht unterscheidbar
von einem Maschinenbauingenieur.
"Vergleichbare"
Datenwerte implizieren also nicht, daß die Personen
vergleichbare Qualifikationen haben.
Gravierender ist aber das Aufhetzungs-Potential dieser
Formulierung. Sie kann von Lesern, die die Rechenverfahren
nicht kennen, nur so interpretiert werden:
wenn man in der untersuchten Stichprobe
Gruppen von Männern und Frauen mit vergleichbaren
Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien
bildet, tritt innerhalb einer solchen Gruppe
typischerweise ein Verdienstabstand von 7% (oder weniger)
auf bzw. wird empirisch beobachtet.
Diese Interpretation ist falsch, die Aussage ist
unrichtig. Beispielsweise beträgt bei Berufsanfängern
sogar das unbereinigte GPG nur 2%. In der Altersklasse
über 55 Jahre beträgt das unbereinigte GPG dagegen fast
30% (s.
Finke (2010), S.
32; bGPGs für diese Gruppen sind nicht angegeben).
Die obige Fehlinterpretation ist aber fast zwingend, sie
tritt sehr häufig in Zitierungen der Publikationen des
Bundesamts auf. Dieses Faktoid führt fast automatisch zu
aufrichtiger Empörung über die scheinbar offensichtliche
Diskriminierung und zur ideologischen Radikalisierung, ist
also eine nahezu perfekte Hetz-Propaganda.
Die Formulierung in den Pressemitteilungen suggeriert
fälschlich, das GPG würde durch Vergleich von
statistischen Zwillingen, also bis auf das Geschlecht
identischen Beschäftigungsverhältnissen, berechnet. Diese
intuitiv naheliegende Methode scheitert u.a. daran, daß
man wegen der beruflichen Segregation für die meisten
Arbeitnehmer keinen statistischen Zwilling findet.
Tatsächlich benutzt wird daher die
Oaxaca-Blinder-Dekomposition, die völlig
anders
arbeitet und die vor allem - und im Gegensatz zur
obenstehenden Fehlinterpretation - die extrem vielen
"nicht vergleichbaren" Beschäftigungsverhältnisse
verwertet und auch vom Ergebnis her wesentlich auf diesen
basiert.
Man kann argumentieren, die Falschaussage sei didaktisch
gerechtfertigt, weil eine korrekte Aussage das breite
Publikum mathematisch überfordern würde und eine "ungefähr
richtige" Aussage zumindest annähernd den Inhalt der
Statistik vermittelt. Dieses Ziel wird aber verfehlt, wenn
das Publikum zu vollkommen falschen Interpretationen und
Schlußfolgerungen verleitet wird.
Die falschen Aussagen in den Pressemitteilungen wurden und
werden, kaum überraschend, von einschlägig interessierten
Kreisen hunderte Male zitiert. Sie spielen inzwischen bei
der Verbreitung von Desinformation über das GPG eine sehr
wichtige Rolle, die eine ausführliche Befassung und
Widerlegung in diesem Blogpost rechtfertigen.
Zum Stand der politischen Debatte um das
GPG
Das Gender Pay Gap (GPG) ist seit vielen Jahren eines der
wichtigsten feministischen Themen, da es ideale
Voraussetzungen für
feministischen Populismus bietet:
- Sehr viele Menschen (nicht nur Frauen) halten
sich für unterbezahlt und nicht genügend wertgeschätzt und
glauben unkritisch jedes Gerücht, das diese Einschätzung
bestätigt. Daher
besteht bei diesem Thema ein hohes Potential, Frauen mit
Falschinformationen, die blind geglaubt werden,
aufzuwiegeln und Neid und Haß auf Männer zu erzeugen.
- Selbst wenn sie es wollten, können die
wenigsten Frauen die Desinformation als solche erkennen.
Die Berechnung eines korrekten und halbwegs
aussagekräftigen GPG ist wirklich schwierig (mehr dazu
z.B.
hier). Man kann es mit einem Zoodirektor
vergleichen, der wissen will, ob die weiblichen Tiere beim
Füttern diskriminiert werden. Daß die männlichen Tiere
etwas mehr Futter als die weiblichen bekommen, ist nicht
ganz falsch, weil sie etwas größer sind. Wie verrechnet
man nun die Unterschiede der Fleischportionen der Löwen
mit den Unterschieden der Heuportionen der Gnus und
Ziegen? Die zur Lösung dieser Aufgabe eingesetzten
mathematischen Verfahren sind so komplex, daß sie auch die
meisten Abiturienten mit einem Leistungskurs Mathematik
überfordern dürften.
Die meisten Frauen bzw. Debattenteilnehmer verstehen also
die Gründe nicht, warum die Berechnung schwierig ist,
kennen die Fehlerquellen bei der Datenerfassung und
Vorverarbeitung nicht und können die Größenordnung des
entstehenden Fehlers nicht einschätzen. Somit können
Informationen zum GPG nicht mehr eigenständig hinterfragt
werden, sondern müssen blind geglaubt werden. Mangels
eigener mathematischer Kompetenz hängt die Bereitschaft,
Aussagen über das GPG als Fakten zu akzeptieren, dann nur
noch von der Übereinstimmung mit den eigenen Vorurteilen
(bzw. von der
Angst vor der kognitiven Dissonanz, den eigenen
Opferstatus infrage gestellt zu sehen) und vom Vertrauen
in die Informationsquelle ab.
Dies sind ideale Voraussetzungen für Fake News. Das Thema
GPG wird seit Jahrzehnten heftig diskutiert, es sind
zahllose Publikationen erschienen, die das GPG quantitativ
und bzgl. seiner Interpretation als Frauendiskriminierung
hinterfragen bzw. die wesentlichen feministischen
Interpretationen eindeutig widerlegen.
Teilweise erzeugte die Kritik sogar Wirkung. Früher wurde
von feministischer Seite mit dem unbereinigten GPG (ca. 21
- 23%) argumentiert. Spätestens seit der Publikation
Finke (2010) hat sich
dies als vollkommen unhaltbar erwiesen. Nichtsdestotrotz
wird auch noch heute von vielfach mit dieser
Unstatistik argumentiert, z.B. bei der Berechnung
des
Datums des Equal Pay
Day. Sachargumente werden bei diesen Beispielen
von feministischen Aktivisten, z.B.
Frauenministerin Schwesig, so nachhaltig ignoriert,
wie man es analog nur noch im Kreationismus vorfindet.
Dieser Politikstil ist nicht nur postfaktisch, sondern
auch postdemokratisch, weil Fakten durch
Betroffenheitsgefühle ersetzt werden, was letztlich einen
Zusammenbruch der politischen Debatte zur Folge hat.
In weiten Teilen der Öffentlichkeit hat sich aber
zumindest die Erkenntnis durchgesetzt, daß das
unbereinigte GPG keine sinnvollen Aussagen über den
Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen und über
eventuelle Benachteiligungen von Frauen erlaubt. Hierdurch
hat sich der Fokus
auf das bereinigte GPG
verschoben, das bei vielen neueren Berechnungen mit 7
- 8 % angegeben wird, insb. bei den Berechnungen des
Statistischen Bundesamts.
Ein tatsächlich bereinigtes GPG ist kleiner als 7
- 8 %. Schon in
Finke
(2010) wird klar ausgedrückt, daß ein Teil des
berechneten bGPG durch fehlende lohnrelevante Daten
verursacht wird, also sozusagen ein Daten- bzw.
Berechnungsfehler ist.
Konkurrierende Analysen mit qualitativ besseren Daten
kommen
auf
wesentlich kleinere Werte von ca. 2 - 3 %. So
kleine Werte sind statistisch nicht mehr signifikant,
gefährden also das feministische Narrativ von der
Diskriminierung von Frauen bei den Löhnen.
Diese klaren Aussagen werden von Kreisen standhaft
ignoriert, die ein vitales Interesse am Opferstatus von
Frauen haben. Über die Gründe für dieses Ignorieren soll
hier nicht spekuliert werden, diskurstechnisch gefährden
diese alternativen Berechnungen jedenfalls den Opferstatus
von Frauen. In dieser Lage muß feministischen Aktivisten
eine Serie von Pressemitteilungen des Statistischen
Bundesamts zum GPG
(
Destatis (2013),
Destatis (2014),
Destatis (2015),
Destatis (2016))
als Geschenk der Götter erschienen sein. Diese
Pressemitteilungen erscheinen seit mehreren Jahren, auf
der Internetseite des Bundesamts sind die letzten 4 Jahre
abrufbar.
Sie werden seit ihrem Erscheinen extensiv als Beleg für
die These, das bGPG würde 7% betragen, zitiert, teilweise
sogar von Personen, bei denen man zunächst keine
feministische Indoktrination vermuten würde.
Wie kann also jemand, der unvoreingenommen ist,
aus den Pressemitteilungen das 7%-Faktoid herauslesen?
Eine Aussage und ihr sofortiger Widerruf
Die Pressemitteilungen enthalten im Haupttext folgende
Passage über das bGPG:
"... Das verbleibende Drittel des
Verdienstunterschieds entspricht dem bereinigten Gender
Pay Gap. Demnach verdienten Arbeitnehmerinnen im
Durchschnitt auch unter der Voraussetzung vergleichbarer
Tätigkeit und äquivalenter Qualifikation im Jahr 2010 pro
Stunde 7 % weniger als Männer."
Die 2016er Pressemitteilung enthält unmittelbar anschließend
einen Absatz mit folgendem Hinweis:
"Hier muss berücksichtigt werden, dass der ermittelte Wert
eine Obergrenze ist. Er wäre geringer ausgefallen, wenn
weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren
für die Analysen zur Verfügung gestanden hätten, wie vor
allem Angaben zu Erwerbsunterbrechungen."
Die älteren Pressemitteilungen enthalten nur den ersten
Absatz, der zweite Absatz mit dem Hinweis auf die
Obergrenze fehlt, man kann diese Informationen nur
umständlich in den zitierten Quellen finden. Wir gehen
i.f. von der 2016er Pressemitteilung aus.
Die beiden Absätze sind Aussagen der Form: 1. "Wir haben
gerechnet und es kam x heraus.", 2. "Unsere
Rechenverfahren sind fehlerhaft, ein korrektes
Rechenverfahren würde weniger als x ergeben."
Nach Lesen der beiden Absätze steht ein Leser vor der
Frage, was ihm die Pressemitteilung denn nun insgesamt
sagen will. Einer ersten, sehr klaren und präzisen Aussage
"bGPG = 7%" steht eine diffuse relativierende Aussage
gegenüber. Es bleibt unklar, wie groß der Fehler ist, also
ob er z.B. 0.1%, 1% oder 7% beträgt, ob das korrekte bGPG
also womöglich 0% ist und ob die präzise erste Aussage
substantiell falsch ist.
Wenn die Gesamtaussage nicht völlig inhaltsleer und
unbrauchbar sein soll ("Das bGPG liegt irgendwo zwischen
-2% und 10%"), kann man als Leser nur schlußfolgern, daß
der Fehler nur pro forma erwähnt wird und relativ gering
ist. Als Konsequenz kann man ihn somit in vereinfachenden
Darstellungen komplett ignorieren. Diese Schlußfolgerung
ist zwar falsch, aber bei den vorhandenen Formulierungen
plausibel und eine naheliegende Erklärung, warum diese
Pressemitteilungen so häufig kontrafaktisch als Beleg für
die These zitiert werden, das bGPG würde 7% betragen.
Die implizite These, der
Berechnungsfehler sei irrelevant, ist unhaltbar
Die implizite These, der Fehler bei der Berechnung des
bGPG könne vernachlässigt werden, ist
auf keinen Fall haltbar.
Alleine schon die von Finke erwähnten frauentypischen
Erwerbsunterbrechungen führen zu einer
deutlichen
Überschätzung der Berufserfahrung bei Frauen und
zu einem erheblichen Fehler bei der Bereinigung des GPG.
Hinzu kommen weitere, teilweise erhebliche
Defizite hinsichtlich
der Erfassung der Leistungsgruppen und der
Ausbildungen, die geeignet sind, den Fehler weiter
zu vergrößern. Es ist kaum vorstellbar, daß man diese
Daten mit vertretbarem Aufwand und ausreichender
Genauigkeit nacherfassen könnte.
Daher erscheinen alternative GPG-Analysen, z.B. die
Hay-Analyse oder
die
Analyse des IW Köln, die auf ein bGPG von rund 2
% kommen, plausibler.
Zu dem Fazit, daß der größte Teil des GPG durch
Einflußfaktoren wie Qualifikation und Arbeitsplatzanforderungen erklärt werden, möglicherweise
sogar das komplette GPG, kommt auch eine sehr umfangreiche
Metastudie des U.S.
Department of Labor. Die USA haben ebenfalls ein
unbereinigtes GPG von ca. 23% und Arbeitsmärkte, die in
etwa mit Deutschland vergleichbar sind.
Die "Methodischen Hinweise"
Am Ende der Pressemitteilungen finden sich unter der
Überschrift "Methodische Hinweise" weitere Erläuterungen
zum GPG, die fragwürdige bis direkt falsche Aussagen
enthalten. Obwohl die "Methodischen Hinweise" jedes Jahr
redaktionell leicht modifiziert wurden, sind die i.f.
zitierten Falschaussagen in den letzten 4 Jahren wörtlich
identisch vorhanden.
Aussagen über das unbereinigte
GPG
Über das unbereinigte GPG erfährt man:
"Mithilfe des unbereinigten Gender Pay Gap
wird auch der Teil des Verdienstunterschieds erfasst, der
durch schlechtere Zugangschancen von Frauen hinsichtlich
bestimmter Berufe oder Karrierestufen verursacht wird, die
möglicherweise ebenfalls das Ergebnis benachteiligender
Strukturen sind."
Dieser Satz ist bei näherem Hinsehen weitgehend sinnfrei
und scheint nur dazu zu dienen, feministische
Kampfbegriffe erwähnen zu können.
"Unterschiedliche Zugangschancen" ist ein
Kampfbegriff, der den etwas aus der Mode gekommenen
Begriff "gläserne Decke" inzwischen oft ersetzt.
Er arbeitet ausgesprochen hinterhältig mit der
Doppeldeutigkeit des Begriffs "(Zugangs-) Chance". Eine
geringe Chance kann sowohl als Wahrscheinlichkeit als auch
als unterstellter diskriminierender sozialer
Wirkmechanismus verstanden werden (
mehr zu dieser
Begriffsverschiebung hier).
Die Zugangschancen zum relativ gut bezahlen Ingenieurberuf
sind vergleichsweise schlecht, wenn man kein Ingenieurfach
studiert hat. Die Anteile des unbereinigten GPG, die man
zumindest statistisch auf mehr Ausbildungsinvestitionen
und andere rationale Gründe zurückführen kann, werden hier
mittels unheilschwangerer Andeutungen zu "schlechteren
Zugangschancen" für Frauen umgedeutet, das ist pure
Proganda.
"Schlechtere Zugangschancen" im Sinne diskriminierender
sozialer Wirkmechanismen führen zu Verdienstunterschieden,
denen keine Ausstattungsunterschiede gegenüber stehen, die
also statistisch "nicht erklärt" werden können. Sie
fallen, sofern existent, daher vor allem in das
bereinigte GPG. Da das unbereinigte GPG alle
bekannten und unbekannten Faktoren erfaßt, werden sie
natürlich auch im unbereinigten GPG erfaßt, das ist
trivial und nicht erwähnenswert. Die oben zitierte Aussage
ist also wörtlich genommen korrekt, und zwar genauso
korrekt und sinnlos wie die analoge Aussage "... wird der
Teil des Verdienstunterschieds erfasst, der durch
Menstruationsbeschwerden, allgemeine Dummheit und
Faulheit, Risikoscheu usw. von Frauen hinsichtlich
bestimmter Berufe oder Karrierestufen verursacht wird."
Die sinnlose Erwähnung von statistisch irrelevanten bzw.
unbewiesenen Ursachen für das GPG benutzt eine klassische
Propagandatechnik: Implizit wird hierdurch die Hypothese
aufgestellt und vom Leser auch so verstanden, es gäbe
relevante diskriminierende Wirkmechanismen und sie hätte
einen Effekt, der über dem statistischen Rauschen und der
Rechenungenauigkeit der Schätzverfahren liegt.
Damit auch der Dümmste merkt, daß er (oder eher sie) den
Denkfehler begehen soll, von einer Statistik auf eine
Diskriminierung zu schlußfolgern, folgt am Ende noch ein
Wink mit dem Zaunpfahl: "... [schlechtere Zugangschancen]
..., die möglicherweise ebenfalls das Ergebnis
benachteiligender Strukturen sind." Es werden also noch
weitere indirekt wirkende "Strukturen" postuliert. Möglich
ist alles mögliche, was genau mit diesen unheilschwangeren
Andeutungen gemeint ist, bleibt offen. Propagandatechnisch
hat man es aber hinbekommen, die implizite, Angst und
Emotionen erzeugende Aussage im Text unterzubringen,
Frauen seien möglicherweise Opfer "benachteiligender
Strukturen", also eine reine Vermutung.
Anzumerken zur Qualität der Argumentation und zum
Eindruck, daß hier Fake News verbreitet werden, sind noch
zwei Punkte:
- Statistiken können die Existenz sozialer
Wirkmechanismen prinzipiell nicht beweisen. Korrelationen
beweisen keine Kausalitäten bzw. Wirkmechanismen, das ist
Erstsemesterlehrstoff in Soziologie.
- Der "Zugang zu Berufen" findet vor allem bei
Stellenbesetzungen statt, der Begriff "schlechtere
Zugangschancen" unterstellt, daß Frauen bei der Besetzung
von Stellen unfair behandelt werden. Chancengerechtigkeit bei Stellenbesetzungen ist
ausschließlich ein Merkmal von Stellenbesetzungsverfahren. Die Verdienststrukturerhebung erfaßt aber nur Daten über existierende
Beschäftigungsverhältnisse, nicht
über Stellenbesetzungsverfahren. Das
Statistische Bundesamt verfügt somit aufgrund der
VSE-Daten und deren Analyse über keinerlei eigene
Erkenntnisse, ob die Verfahren chancengerecht sind.
Die implizite These von den "schlechteren Zugangschancen
von Frauen" und die wilden Spekulationen über
"möglicherweise ... benachteiligende Strukturen" sind also
keine Ergebnisse eigener statistischer Analysen, sondern
nachgebetete, hochumstrittene feministische
Propaganda.
Aussagen über das bereinigte
GPG
Eine nochmalige Steigerung des Fake-Faktors bringt der
nächste Satz über das bereinigte GPG, der nicht unzufällig
sehr oft von feministischen Aktivisten zitiert wird:
"Der bereinigte Gender Pay Gap hingegen
misst den Verdienstabstand von Männern und Frauen mit
vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und
Erwerbsbiografien."
Im Vergleich zur ähnlichen Aussage im Haupttext sind hier
die Erwerbsbiografien dazugekommen. Die Aussage wird also
dahingehend verschärft, daß angeblich im bGPG auch
Unterschiede in den Erwerbsbiografien herausgerechnet
werden. Gerade in diesem Bereich sind aber die Daten am
unvollständigsten. Diese Aussage ist somit hochgradig
irreführend und bei ihrer naheliegenden Interpretation
sachlich falsch. Sie wird durch die direkt anschließend
als Referenz angegebenen Quellen des Bundesamts widerlegt:
STATmagazin-Beitrag "Frauenverdienste - Männerverdienste:
Wie groß ist der Abstand wirklich?" In der Mitte
dieser Webseite, die vermutlich nur ein Bruchteil der
Leser der Pressemitteilung durcharbeitet, lesen wir:
"In diesem Zusammenhang sollte jedoch
berücksichtigt werden, dass der bereinigte Gender Pay Gap
möglicherweise geringer ausfallen würde, wenn
weitere lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analysen
zur Verfügung gestanden hätten, wie zum Beispiel das
individuelle Verhalten in Lohnverhandlungen oder
Erwerbsunterbrechungen. Eine detaillierte Erläuterung
hierzu enthält der Bericht Verdienstunterschiede zwischen Männern und
Frauen."
In dem letzten zitierten Bericht (es handelt sich um
Finke201010) ist von
möglicherweise keine Rede mehr, sondern dort wird
klipp und klar gesagt:
"... Der ermittelte Wert [des GPG] ist
eine Obergrenze. Er wäre geringer ausgefallen, wenn der
Berechnung weitere lohnrelevante Eigenschaften - vor allem
Angaben zu Erwerbsunterbrechungen - zur Verfügung
gestanden hätten."
Daß man mit den VSE-Daten das GPG nicht vollständig
bereinigen kann, wird in der oben zitierten Aussage
unterschlagen. Ein tatsächlich bereinigtes GPG kann mit
den VSE-Daten gar nicht berechnet werden. Ein
mit den
VSE-Daten bereinigtes GPG von ca. 7% ist in
Wirklichkeit großenteils
ein Rechenfehler aufgrund
fehlender Daten.
Fazit
Man kann nur rätseln, was sich das Statistische Bundesamt
bei den Formulierungen in den Pressemitteilungen gedacht
hat und warum es sich zum Komplizen von
Desinformationskampagnen wie dem
EPD macht. Einen
Gefallen hat es sich damit nicht getan, der Vorfall ist
geeignet, die Glaubwürdigkeit des Statistischen Bundesamts
zu beschädigen.
Für eine Institution, deren Anspruch mathematische
Kompetenz und Präzision ist, ist es zudem äußerst
peinlich, einen logischen Widerspruch zwischen einem Text
für die Presse und den zitierten Detailunterlagen zu
produzieren.
Dort, wo das Bundesamt feministische Propaganda nachbetet,
überschreitet es klar seine Kompetenzen.
Man kann allenfalls darüber spekulieren, ob die
Öffentlichkeit bewußt desinformiert werden soll und
wieviel Druck das BMFSFJ und andere feministische
Machtzentren auf das Bundeamt ausgeübt haben, ideologisch
nutzbare Pressemitteilungen zu produzieren.
Ebenso darüber, ob es Zufall ist,
daß die Pressemitteilungen in den letzten Jahren immer
gerade 3 - 4 Tage vor dem EPD erschienen sind,
also zu einem idealen Zeitpunkt, um sie für feministische
Propaganda ausschlachten zu können.
Der nächste EPD findet übrigens am 18.03.2017
statt. Die nächste Pressemitteilung dürfte also ungefähr
am 15.03.2017 erscheinen. Man darf gespannt sein, ob sie
wieder die gleichen falschen bzw. irreführenden Aussagen
enthält.
Nachtrag 14.03.2017
Am 14.03.2017 ist anläßlich des EPDs 2017 erneut die
übliche Pressemitteilung
des Statistischen Bundesamts erschienen. Wie
erwartet enthält sie praktisch alle Fake News und falsch
interpretierbaren Aussageb der 2016er Version. Einige
Beispiele:
- Die Überschrift lautet:
Drei Viertel des Gender Pay Gap lassen sich mit
Strukturunterschieden erklären
Korrekt hätte die Überschrift lauten müssen:
Drei Viertel des Gender Pay Gap lassen sich
mit Strukturunterschieden, soweit sie in den
Destatis-Daten erfaßt sind, erklären. Wenn diese
Daten vollständig wären, könnte man wahrscheinlich auch
den Rest erklären.
- Weiter im Text:
Danach kann das verbleibende Viertel des
Verdienstunterschieds nicht durch die lohnrelevanten
Merkmale erklärt werden.
Richtig muß es heißen:
Danach kann das verbleibende Viertel des
Verdienstunterschieds nicht durch die in den
Destatis-Daten erfaßten lohnrelevanten Merkmale
erklärt werden. Sie können aber vermutlich durch nicht
in den Destatis-Daten erfaßte lohnrelevante Merkmale
erklärt werden.
- Die Aussage "bGPG = 7%" und ihr sofortiger
Widerruf "bGPG ist kleiner als 7%" ist wie im
Vorjahr vorhanden.
- Die methodischen Hinweise sind wörtlich
identisch mit der 2016er Version, insb. die darin
enthaltene feministische Propaganda.
Literatur
Die Pressemitteilungen des Statistischen Bundesamts
-
Verdienstunterschiede von Frauen und Männern
bleiben weiter bestehen. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr.
101, 21.03.2012. https://web.archive.org/web/20160116023456/http://www.d ... 21.html
-
Verdienstunterschiede von Frauen und Männern
bleiben weiter bestehen. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr.
108, 19.03.2013. https://web.archive.org/web/20161115143845/https://www. ... 21.html
-
Gender Pay Gap 2013 bei Vollzeitbeschäftigten
besonders hoch. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr.
104, 18.03.2014. https://web.archive.org/web/20181106193516/https://www. ... 21.html
-
Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern in
Deutschland weiterhin bei 22 %. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr.
099, 16.03.2015. https://web.archive.org/web/20161115122617/https://www. ... 21.html
-
Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern in
Deutschland bei 21%. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr.
097, 16.03.2016. https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressem ... 21.html
-
Drei Viertel des Gender Pay Gap lassen sich mit
Strukturunterschieden erklären. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr.
094, 14.03.2017. https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressem ... 21.html
Sonstige Quellen
-
CONSAD Research Corporation: An Analysis of the Reasons for the Disparity in
Wages Between Men and Women - Final Report. U.S. Department of Labor, 12.01.2009. https://web.archive.org/web/20100331031109/http://www.c ... ort.pdf
"It is not possible to produce a reliable quantitative
estimate of the aggregate portion of the raw gender wage
gap for which the explanatory factors that have been
identified account. Nevertheless, it can confidently be
concluded that, collectively, those factors account for a
major portion and, possibly, almost all of the raw gender
wage gap."
(S. 15, 2.3 Summary)
-
Claudia Finke: Verdienstunterschiede zwischen Männern und
Frauen 2006. Statistisches Bundesamt, Artikelnummer:
5621001-06900-4, 10.2010. https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Ver ... ionFile
-
Michael Hanfeld: Das Jahr der falschen Nachrichten. FAZ, 31.12.2016. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/wo-2016-f ... 20.html
-
Walter Joachimiak: Frauenverdienste - Männerverdienste: Wie groß ist
der Abstand wirklich? Statistisches Bundesamt, 19.03.2013. https://www.destatis.de/DE/Publikationen/STATmagazin/VerdiensteArbeitskosten/2013_03/Verdienste2013_03.html