Mittwoch, 19. Dezember 2018

Die Tagesschau im Dienste der Wirtschaftseliten




Daß die Tagesschau regelmäßig feministische Propaganda verbreitet, war schon mehrfach Thema auf diesem Blog. Dies ist auch nicht anders zu erwarten, denn Propaganda funktioniert nur durch Beherrschung der Medien und mantraartige Wiederholung von Halbwahrheiten und verzerrten Darstellungen. Aktuelles Beispiel ist ein Bericht der Tagesschau vom 18.12.2018 über das Weltwirtschaftsforum und dessen Global Gender Gap Report, der natürlich auch das Leiden der Frauen in Deutschland beklagt.

Manufacturing Consent - die Lenkung der öffentlichen Meinung

Es wird mit der Zeit langweilig, immer wieder auf die feministischen Denk- und Argumentationsfehler hinzuweisen (das kommt am Ende dieses Blogposts als Pflichtübung). Der aktuelle Propaganda-Artikel der Tagesschau ist aber eine gute Gelegenheit, auf das 30-jährige Jubiläum des Buchs von Edward S. Herman und Noam Chomsky hinzuweisen: Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media.

Samstag, 6. Oktober 2018

Deutsche Presse verschweigt bisher größten Wissenschaftskandal der Gender Studies




Die (Un-) Wissenschaftlichkeit feministischer Gender Studies

Zu den Dauerbrennern der Geschlechterdebatte gehört die Frage, ob die - feministisch dominierten - Gender Studies eine echte Wissenschaft sind oder nur eine Zweckwissenschaft, die beweisen soll, daß die feministische Ideologie alternativlos ist. Die drei Hauptkritikpunkte an den Gender Studies sind: 1. die personelle, strukturelle und inhaltliche Verzahnung mit der feministischen Ideologie, 2. die fehlende thematische und methodische Eingrenzung als Wissenschaft und 3. Übernahme wissenschaftlich unhaltbarer feministischer Dogmen und Wissenschaftstheorien. Unter dem o.g. Link finden sich umfangreiche Materialien, die diese Kritikpunkte belegen.

Aus dem 1. Hauptkritikpunkt und der hegemonialen Machtposition der feministischen Ideologie in unserer Presse folgt indes automatisch, daß eine substantielle Kritik an den Gender Studies in der Mainstream-Presse kaum denkbar ist. Kritik an den Gender Studies ist immer zugleich Kritik am Feminismus, denn beide basieren auf den gleichen feministischen Dogmen, z.B. dem Patriarchatsdogma. In der Mainstream-Presse sind die Gender Studies daher sakrosankt, ein Journalist, der ernsthafte Kritik formulieren würde, hätte seine Karriere damit wahrscheinlich beendet.

Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, daß einer der größten Wissenschaftsskandale der letzten Jahre in unserer Presse bisher totgeschwiegen wird.

Samstag, 29. September 2018

Das mediale Phänomen Svenja Flaßpöhler (und Warum #MeToo in Deutschland gescheitert ist)

Inhaltsübersicht

Merksätze

  1. Die Geschlechterdebatte wird international seit knapp einem Jahr durch die #MeToo-Kampagne dominiert, Anfang Oktober werden reihenweise euphorische Erfolgsberichte erscheinen. Wie schon zahllose frühere feministische Twitter-Kampagnen handelt es sich hier primär um Propaganda feministischer Medien bzw. Parteien mit dem Ziel, mehr politische Macht zu gewinnen, indem Männer moralisch diskreditiert werden und der immerwährende Opferstatus von Frauen in der öffentlichen Meinung fest verankert wird.
  2. In Deutschland ging der Umfang der Propaganda ca. ab April / Mai 2018 deutlich zurück. Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt wurde die vorher in der Geschlechterdebatte kaum bekannte Svenja Flaßpöhler - zumindest im Bildungsfernsehen und vergleichbaren Plattformen - zur prominentesten Person in der #MeToo-Debatte. Bekannt wurde sie insb. durch ihre Kritik an der MeToo-Kampagne und ihr Buch "Die potente Frau", das ein anderes feministisches Selbstverständnis als heute üblich propagiert.
  3. Flaßpöhlers Thesen sind großenteils altbekannt, ihr sehr dünnes Büchlein kann nicht entfernt alle relevanten Aspekte der Geschlechterdebatte abdecken, und ihre Lösungsvorschläge wirken gut gemeint, aber unrealistisch. Vor diesem Hintergrund ist die enorme mediale Resonanz sehr erstaunlich. Plausible Erklärungen sind:

    1. Flaßpöhler hat extrem gute Beziehungen in den Medienbetrieb. Die große Resonanz auf ihre Thesen ist vermutlich großenteils durch ihre mediale Machtposition zu erklären. Der Fall Flaßpöhler dokumentiert unfreiwillig, welche enorme Meinungsbildungsmacht die öffentlich-rechtlichen Medien und Personen in medialen Machtpositionen haben.
    2. Es gibt nichts besseres, unter den Blinden ist der Einäugige König. Die MeToo-Kampagne hat zumindest in Deutschland keine überzeugenderen Ideen bzw. Protagonistinnen zu bieten (s.a. nächsten Punkt).
  4. Man steht vor dem kuriosen Befund, daß Flaßpöhler als eine der bekanntesten Stimmen der MeToo-Kampagne deren zentrales Ziel, den Opferstatus von Frauen zu stärken und mediale Hetzjagden auf Männer zu ermöglichen, frontal angreift. Durch ihre Vision von einer "potenten Frau" macht sie versehentlich deutlich, daß die MeToo-Kampagne selber keine konstruktiven Visionen zu bieten hat, außer noch mehr Haß auf Männer zu schüren, Frauen weiter zu infantilisieren und mehr Macht für feministische Aktivisten zu fordern. An ihrem offiziellen Anspruch, die Geschlechterdebatte neu aufzurollen und wehrlose Frauen gegen den allgegenwärtigen Sexismus zu schützen, ist die MeToo-Kampagne gescheitert.


Einführung

Soziale Probleme werden bekanntlich sozial konstruiert, und bei der sozialen Konstruktion sozialer Probleme spielen die reichweitenstarken Medien eine zentrale Rolle. Das dort vermittelte Bild hat häufig nichts mit der Realität zu tun, sondern hängt vor allem von den ideologischen Interessen der Journalisten, Herausgeber und indirekten Herrscher über die Medien (u.a. Parteien) ab.

Freitag, 27. Juli 2018

#MeTwo - die Empörungsindustrie schiebt neue Kampagne an


Feministische Hashtag-Kampagnen tun zwar so, als seien sie Graswurzelbewegungen, sie sind in Wirklichkeit aber mediale Kampagnen (bzw. Astroturfing). Die #MeToo-Kampagne, die bisher erfolgreichste Kampagne, ist in den letzten 9 Monaten von den einschlägig interessierten feministischen Medien so ziemlich zu Tode geritten worden und langweilt die meisten Leute nur noch. Außerdem haben mit MeToo die Frauen opferstatustechnisch sozusagen eine Monopolstellung erreicht, was anderen Gruppen, die sich ggf. sogar höher auf der Opferstatushierarchie wähnen, kaum gefallen konnte.

Abhilfe schafft die neuste Kampagne, #MeTwo. Hashtags sind zwar extrem wertvolle politische Handelsmarken, fallen aber nicht unter den gesetzlichen Markenschutz. Deswegen wurde hier #MeToo lizenzgeführenfrei plagiiert, und zwar nicht nur der Name, sondern auch gleich die Werbetexte und Aufschreie:
Tausende Menschen mit Migrationshintergrund berichten auf Twitter unter #MeTwo, wie sie im Alltag diskriminiert werden.

Sonntag, 15. Juli 2018

#WalkAway, Brandon Straka und der russische Geheimdienst





In den USA braut sich gerade eine interessante Geschichte zusammen, die mit einem schwulen Friseur anfängt und inzwischen die internationale Politik erreicht hat. Aktuell in der Hauptrolle: der russische Geheimdienst.

Das Coming-Out von Brandon Straka

Alles fängt an am 26.05.2018. Da postete Brandon Straka, ein schwuler Friseur und angehender Schauspieler in New York, der auf Facebook und Youtube unter dem Benutzernamen "The Unsilent Minority" unterwegs ist, das Video #WalkAway Campaign - WHY I LEFT LIBERALISM & THE DEMOCRATIC PARTY. Das Video ist eine flammende Anklage gegen die Demokraten und eine Begründung, warum er aus der Partei austritt und von ihr weggeht. Einige Textauszüge:
The Democratic Party has adopted a deleterious belief system, happily and without skepticism, separating people into groups based of off identity and organizing them into camps of victims and oppressors
(Die Demokratische Partei hat ein schädliches Glaubenssystem angenommen, vergnügt und ohne jede Skepsis, in dem sie Menschen auf der Grundlage ihrer Identität in Gruppen trennt und sie in Lager von Opfern und Unterdrückern organisiert hat)
...
... social justice warriors who intentionally misrepresent and misconstrue facts, evidence, and events to confirm their own biases that everybody who does not comply with their prejudicial conclusions and follow their orders is a racist, a bigot, a nazi, a white supremacist, homophobic, islamophobic, xenophobic, misogynistic - an "alt-right extremist".

(... Soziale-Gerechtigkeits-Krieger, die Fakten, Beweise und Ereignisse absichtlich falsch darstellen und missverstehen, um ihre eigenen Vorurteile zu bestätigen, damit jeder, der sich nicht an ihre voreingenommenen Erkenntnisse hält und ihren Befehlen folgt, ein Rassist, ein Fanatiker, ein Nazi, ein weißer Rassist, homophob, islamophob, fremdenfeindlich, frauenfeindlich - ein "alt-right-Extremist" ist.)
...
The left has decided that the solution to problems with race relations in America... is MORE racism.

(Die Linke hat entschieden, dass die Lösung für Probleme in den Rassenbeziehungen in Amerika.... MEHR Rassismus ist.)
Straka veröffentlichte später am 17.06.2018 ein vollständiges Transkript des Videos.

Mittwoch, 27. Juni 2018

Juliane Leopold und die feministische Übernahme der öffentlichen Medien




Die Tagesschau-Meldung

Im Rahmen der aktuellen Fußball-Euphorie (oder -Depression) droht eine Meldung übersehen zu werden, deren längerfristige Bedeutung für die Feminismus-Debatte vermutlich kaum unterschätzt werden kann. Am 26.06.2018 schreibt die Tagesschau "In eigener Sache":
Juliane Leopold wird tagesschau.de-Leiterin
Weiter erfährt man zu dieser Personalie, daß Leopold (natürlich) beste Voraussetzungen mitbringt, äußerst erfolgreich ist (sic!), das Profil von tagesschau.de weiter schärfen wird und bereits "seit 2016 das Team von tagesschau.de in Fragen von strategischer Entwicklung der Website" berät.

2014 war sie Gründungs-Chefredakteurin von Buzzfeed Deutschland, das eher ganz unten auf der journalistischen Qualitätsskala steht und dessen Hauptkompetenz clickbaiting ist. Zum Ende hin erfahren wir noch:
Leopold ist Mitgründerin des Blogs kleinerdrei.org, der für den Grimme Online Award 2014 nominiert wurde [aber offenbar keinen Preis gewann].

Was die Tagesschau nicht schreibt

Die Aussage, Leopold sei Mitgründerin des Blogs kleinerdrei.org ist korrekt, läßt aber alles, was für einen uninformierten Leser tatsächlich interessant ist, vorsichtshalber aus, und vermittelt nicht entfernt ein angemessenes Bild von der Person, mit der er es hier zu tun hat.

Dienstag, 10. April 2018

Pseudo-Debatten in der Wagenburg (von Jens Jessen, Bernd Ulrich et al.)

Inhaltsübersicht

Thesen

Am 04.04.2018 erschien in der ZEIT ein als Hauptbeitrag prominent plazierter Essay von Jens Jessen "Der bedrohte Mann". Die Bedrohung liegt laut Jessen darin, daß Männer systematisch von der Geschlechterdebatte ausgeschlossen würden und stattdessen ein radikalisierter Feminismus totalitäre Strukturen realisiert habe, die jede substantielle Kritik unterdrücke. Der Leitartikel erzeugte ein erhebliches Blätterrauschen in den Feuilletons und den zu erwartenden aggressiven Shitstorm von Feministen gegen Jessen in den "sozialen" Netzen (der unfreiwillig Jessens Thesen bestätigt). Thesen zum Artikel:
  1. Der Artikel ist sehr gut geschrieben. Seine Thesen als solche sind prinzipiell richtig, aber für jemanden, der außerhalb der feministischen Filterblase lebt, nichts neues, sondern eher Standardwissen.
  2. Die Thesen von Jessen sind aufgrund des Feuilleton-Formats nicht explizit und präzise formuliert, insbesondere soweit es sich eigentlich um empirische Aussagen über "die Feministinnen", "die Männer" o.ä. handelt. Qualitativ belegt er die Existenz der postulierten Phänomene mit vielen guten Beispielen, dies sagt aber nichts über die quantitative Relevanz der Phänomene aus. Kurz gesagt behandelt er ein soziologisches Problem mit dem Handwerkzeug eines Literaturwissenschaftlers, das funktioniert nicht.
  3. Aufgrund der in b. genannten Defizite bietet der Essay zahllose Angriffspunkte für Falschinterpretationen und Unterstellungen, die auch prompt en masse bei den feministischen Kommentatoren zu beobachten waren (sofern sie den Essay überhaupt gelesen haben) und die dort das etablierte Wagenburg-Denken nur verstärkt haben.
  4. In Rahmen der Publikationsstrategie der ZEIT bzw. von ZEIT Online betrachtet ist der Jessen-Essay der durchschaubare Versuch, so etwas wie eine offene Debatte über den Feminismus vorzutäuschen. Unter hunderten Artikeln, die jährlich feministische Propaganda verbreiten, befinden sich pro forma immer 2 - 5% feminismuskritische, dies ist einer davon. In 4 Wochen wird er vergessen sein.
  5. Das eigentlich Interessante an diesem Fall ist das geschickte Empörungsmanagement der ZEIT und die scheinbare Unmöglichkeit, auch 5 Jahre nach der Aufschrei-Kampagne männliche, feminismuskritische Standpunkte in der Öffentlichkeit zu vertreten. Der Essay ist ein Aufreger mit einigen für Feministinnen ziemlich provokanten Wahrheiten. Auf Kosten von 2 oder 3 vor Wut gekündigten Abonnements feuert er den feministischen Aktivismus an und gibt der ZEIT in der Replik, die sie mit dem Artikel zusammen angekündigt hat, die Chance, sich als Hüter der feministischen Ideologie zu präsentieren und die Wagenburg wieder nach außen abzudichten.

Sonntag, 18. März 2018

Faust in der Tasche - die Wirkungen der MeToo-Kampagne

Inhaltsübersicht

Merksätze

  1. Die MeToo-Kampagne ist unter den ca. 60 feministischen Twitter-Kampagnen der letzten 5 Jahre mit Abstand die umfangreichste und mit bisher 5 Todesopfern die folgenreichste.
  2. Die feministischen Kampagnen sind vor allem deshalb so erfolgreich, weil sie durch die großen Medien massiv unterstützt und sozusagen industriell produziert werden. Wir zeigen dies hier am Beispiel der MeToo-Kampagne, die von ZEIT Online mit knapp 200 Artikeln von ca. 120 Autoren massiv gesponsort wurde.
  3. Die Artikel der ZEIT-Online-Kampagne vertreten zu ca. 90% feministische Standpunkte bzw. Propaganda, kritische Artikel sind die Ausnahme. Die medienpsychologische Gesamtwirkung der Kampagne ist eine pauschale Hetze gegen "die Männer".
  4. Daß die Kampagne i.w. feministische Propaganda und Desinformation betreibt, wird von einem sehr großen Teil der Leser durchschaut, wie man an den weit überwiegend negativen Kommentaren erkennt. Die Kampagne unterminiert daher (ggf. ungewollt) das ohnehin schwindende Vertrauen in die Presse.
  5. Die Protagonisten schreiben ihrer Kampagne zu, eine gesellschaftliche Debatte über eventuelle Probleme im Geschlechterverhältnis anzuschieben. Tatsächlich scheint es umgekehrt zu sein: die Fronten werden vielfach verhärtet, eine rationale Diskussion wird unwahrscheinlich, und - wie eine Protagonistin wohl zu recht vermutet - ein Großteil der Männer verabschiedet sich aus der Diskussion, mit der Faust in der Tasche.

Sonntag, 28. Januar 2018

Cat Man, Aziz Ansari und die Strafbarkeit von schlechtem Sex




Eine typische Eigenschaft von feministischen Twitter-Kampagnen besteht darin, einen beliebigen Anlaß zu haben, der nach einer bald folgenden thematischen Verallgemeinerung der Kampagne i.d.R. darauf hinausläuft, den immerwährenden Alltagssexismus, unter dem Frauen leiden, und deren Opferstatus zu beschwören.

So auch bei der MeToo-Kampagne: Nur eine winzige Minderheit von Frauen kommt in Kontakt mit einem kriminell agierenden Filmmogul. Alltäglicher sind hingegen Kontakte, bei denen Männer aufdringlich sind und/oder die nach einem brauchbaren Anfang im weiteren Verlauf unangenehm werden, oder kurz gesagt wo der Sex schlecht ist.

Dieses Problem war der Thema des kürzlich in die Schlagzeilen hochgeschwappten Skandals um Aziz Ansari. Diese Affäre hatte wiederum einen Vorläufer im Dezember 2017 in Form einer intensiven Debatte um die Kurzgeschichte "Cat Man", die hier kaum wahrgenommen wurde. Den enormen Presserummel um die Aziz-Ansari-Affäre versteht man wohl nur richtig vor dem Hintergrund der "Cat Man"-Debatte. Beide Debatten weisen viele Gemeinsamkeiten auf und behandeln unter der Oberfläche Themen, die seit 10 oder mehr Jahren im Rahmen der Title-IX-Gesetzgebung hitzig, um nicht zu sagen unversöhnlich debattiert werden.

Donnerstag, 11. Januar 2018

Was Catherine Deneuve wirklich sagte

Inhaltsübersicht

Eine Überraschung aus Frankreich

Vorgestern geschah etwas Unerwartetes. Die MeToo-Kampagne läuft seit gut 10 Wochen nahezu ungestört auf vollen Touren, sie hat bereits 3 Selbstmorde verursacht, und sie metastasiert gerade erfolgreich in Form von Satelliten- und Folge-Kampagnen - z.B. TimesUp.

Kritik an der unübersehbaren moralischen Panik, Aufgabe rechtsstaatlicher Minimalstandards und Lynchjustiz kam bisher nur von notorischen Lästermäulern wie Brendan O'Neill oder Thomas Fischer. Deren mediale Reichweite ist indes vernachlässigbar im Vergleich zu den feministischen Medien, die wie üblich auch diese feministische Twitter-Kampagne nach Kräften unterstützt haben.

Am 09.01.2018 erschien nun ein offener Brief in Le Monde, unterzeichnet von 100 französischen Frauen, darunter sehr prominente wie Catherine Deneuve.

Inhaltlich findet man, wenn man sich schon mit den Wirkungen der vielen feministischen Kampagnen befaßt hat, fast nur altbekannte Argumente. Anders gesagt kann ich als aufgeklärter Masku praktisch jedem Satz zustimmen, einige sogar dick unterstreichen.

Während der Brief inhaltlich nichts Neues bringt, ist er hinsichtlich seiner Medienwirksamkeit sozusagen ein Kanonenschlag. Der mediale Widerhall war beträchtlich - Catherine Deneuve ist so etwas wie eine Nationalheilige -, fast alle großen Zeitungen berichteten darüber. Die mediale Reichweite dieses Offenen Briefs dürfte größer sein als die alle bisherigen Kritiken an der MeToo-Kampagne zusammen.

Dies machte natürlich eine umgehende Antwort erforderlich. Als eine der ersten und noch am gleichen Tag ging Barbara Kostolnik vom hochfeministischen WDR zum Gegenangriff über und titelt, damit auch gleich klar ist, wer hier recht hat, auf tagesschau.de: Der Irrtum der Madame Deneuve, und weiter:

Eine "Freiheit zu belästigen" fordern die französische Schauspielerin Cathérine Deneuve und 99 weitere Frauen in der Zeitung "Le Monde".
Kostolnik benutzt den Begriff "belästigen" mehrfach. Im Original heißt es:
nous défendons une liberté d'importuner, indispensable à la liberté sexuelle.
Dass Verb importuner bedeutet lästig sein, lästig fallen, jemandem auf die Nerven gehen, in Kontext dieses Briefs kann man es auch mit "aufdringlich sein" übersetzen. Das deutsche (sexuell) "belästigen" ist nach Dutzenden Aufschrei- und Sexismus-Kampagnen eng mit dem Begriff Sexuelle Belästigung verbunden, dieser wiederum deckt ein Spektrum von Verhaltensformen ab, die zum Teil Straftatbestand sind.

"importuner" hier mit "belästigen" zu übersetzen ist eindeutig falsch, es denunziert die Autorinnen des Offenen Briefs, Straftaten zu verharmlosen, obwohl sie in ihrem Brief genau dies explizit ablehnen. Außerdem wird die Textstelle "liberté d'importuner" sinnentstellend aus ihrem Zusammenhang gerissen (mehr dazu hier). Bei jemandem, der aus dem ARD-Hörfunkstudio Paris berichtet, sollte man genügend Französischkenntnisse vermuten, um diesen Fehler zu vermeiden - sofern hier nicht Absicht vorlag, denn die Falschübersetzung setzt die metoo-Kritikerinnen in ein schlechtes Licht, und man vermeidet eine inhaltliche Auseinandersetzung mit deren Thesen. Die findet im übrigen bei Kostolnik nicht statt, sie scheint den eigentlichen Inhalt des Offenen Briefs (der die Kollateralschäden der MeToo-Hexenjagd und die Selbständigkeit von Frauen thematisiert) gar nicht verstanden zu haben.

Die falsche Übersetzung "Freiheit zu belästigen" kam bzw. kommt auch bei anderen "Qualitätsmedien" vor, u.a. im Bayerischen Rundfunk, im Focus, im Standard, im Stern im Tagesspiegel, in der Welt und in der ZEIT. Die Welt und die ZEIT haben indes nach ca. einem Tag den Titel geändert, die Welt übersetzt "liberté d'importuner" jetzt mit "Freiheit, aufdringlich werden zu dürfen", die ZEIT mit "Freiheit, lästig zu sein", beides akzeptable Übersetzungen.

Versuch einer brauchbaren Übersetzung

Der nächste Abschnitt enthält eine Übersetzung des kompletten offenen Briefs, die auf dem Text beruht, der hier publiziert wurde. Das immer etwas gestelzt wirkende Französisch ist nicht ganz einfach in flüssiges Deutsch zu übersetzen, Fehler sind meine. Hinweise auf Übersetzungsfehler und Verbesserungsvorschläge bitte hier.

Kontext der "liberté d'importuner"

Die Textstelle "liberté d'importuner" steht meiner Meinung nach in einem bestimmten textlichen Kontext, der wesentlich für ihre Interpretation und die Botschaft der Verfasserinnen ist. (Wer den Brief noch nicht kennt, sollte ihn ggf. zunächst lesen, um sich eine eigene Meinung zu bilden.)

"liberté d'importuner" erscheint - neben einem Zwischentitel, der vermutlich von der Redaktion eingefügt wurde - nur an zwei Textstellen. Bei der ersten Textstelle wird sie als Analogie zur Freiheit eines Künstlers, mit seinen Werken und deren Aussage der Öffentlichkeit lästig zu fallen, definiert. Diese künstlerische Freiheit ist wesentlich für künstlerische Kreativität, und eine sexuelle Begegnung zweier Personen wird hier als etwas Kreatives und Experimentelles verstanden, und nur unter dieser Grundannahme wird an dieser Stelle die "liberté d'importuner" gefordert.

Bei der zweiten Textstelle wird die "liberté d'importuner" als Gegenpol der Freiheit, Nein zu sexuellen Angeboten zu sagen, dargestellt. Implizit wird hier ein Aushandlungsprozeß unter zwei gleichberechtigten Personen unterstellt.

Implizit werden Frauen hier und an anderen Stellen als starke, selbstverantwortliche Persönlichkeiten verstanden. An keiner der beiden Textstellen wird Freiheit so verstanden, daß eine der beteiligten Personen willkürlich oder gewalttätig die andere, wehrlose Person belästigen kann. Die Übersetzung "Freiheit zu belästigen" suggeriert fälschlich das Gegenteil, nämlich ein Recht auf Willkür und Belästigung auf der einen Seite und ein Verbot auf der anderen Seite, sich dagegen zu wehren.

Die Freiheit der Frauen, lästig zu sein

Eine besondere Kuriosität der Debatte besteht darin, die geschlechtsneutrale Formulierung der Freiheits-Forderung zu übersehen. Die "liberté d'importuner" muß selbstverständlich auch für Frauen gelten, und man kann durchaus davon ausgehen, daß Deneuve et al. diese Freiheit auch für Frauen fordern.

Dies ist eine zwangsläufige Konsequenz daraus, daß Deneuve et al. Frauen als starke Persönlichkeiten verstehen, die nicht immer nur passive Opfer in sozialen Interaktionen sind, sondern selber auch einmal offensiv sind und Risiken eingehen und dabei Fehler machen. Diese Gleichrangigkeit von Männern und Frauen war ein Ideal früherer feministischer Wellen, ist aber bei dem heute dominierenden Denken in Identitätspolitiken und Opferstatus-Hierarchien kaum noch vorstellbar.



Deutsche Übersetzung des Offenen Briefs von Catherine Deneuve und 99 anderen Frauen

Vergewaltigung ist ein Verbrechen. Aber hartnäckiges oder ungeschicktes Flirten ist kein Verbrechen, und Galanterie ist keine Machismo-Aggression.

Die Weinstein-Affäre hat zu einer legitimen Bewußtmachung sexueller Gewalt gegen Frauen geführt, besonders am Arbeitsplatz, wo einige Männer ihre Macht mißbrauchen. Dies war notwendig. Aber diese offene Ansprache der Probleme verwandelt sich heute in ihr Gegenteil: Man macht uns Vorschriften, was wir sagen dürfen, wir sollen schweigen über das, was uns wütend macht, und diejenigen, die sich weigern, solchen Verfügungen zu gehorchen, werden als Verräter, als Komplizen angesehen!

Nun ist es typisch für den Puritanismus, im Namen eines vermeintlichen Allgemeinwohls Argumente für den Schutz der Frauen und ihrer Emanzipation zu übernehmen, um sie besser an den Status des ewigen Opfers zu fesseln, bzw. von armen kleinen Dingern, die unter dem Einfluß dämonischer Phallokraten stehen, wie in den guten alten Zeiten der Hexerei.

Denunziationen und Anklagen

Tatsächlich hat #metoo in der Presse und in den sozialen Netzwerken zu einer Kampagne öffentlicher Denunziationen und Anklagen von Einzelpersonen geführt, die, ohne die Möglichkeit zu haben, zu reagieren oder sich zu verteidigen, genau auf die gleiche Stufe gestellt wurden wie Sexualstraftäter. Diese Schnellgerichtsbarkeit hat bereits ihre Opfer, Männer, die in Ausübung ihres Berufes bestraft wurden, zum Rücktritt gezwungen wurden usw., deren ganzes Unrecht darin bestand, ein Knie berührt zu haben, versucht zu haben, einen Kuß zu erhaschen, bei einem professionellen Abendessen über "intime" Dinge gesprochen zu haben oder sexuelle Botschaften an eine Frau geschickt zu haben, die sich umgekehrt nicht von dem Mann angezogen fühlte.

Dieses Fieber, die "Schweine" in den Schlachthof zu schicken, ist weit davon entfernt, Frauen dabei zu helfen, sich zu ermächtigen und selbst zu stärken. Es dient in Wirklichkeit den Interessen der Feinde sexueller Freiheit, den religiösen Extremisten, den schlimmsten Reaktionären und denjenigen, die meinen, im Namen einer im Kern viktorianischen Vorstellung vom Guten und von Moral, daß Frauen "besondere" Wesen sind, Kinder mit Gesichtern von Erwachsenen, die verlangen, beschützt zu werden.

Umgekehrt wird den Männern befohlen, sich an die Brust zu schlagen und in den Tiefen ihres retrospektiven Bewußtseins ein "Fehlverhalten" zu finden, das sie vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren gehabt haben könnten und das sie nun bereuen sollten. Die öffentliche Beichte, das Eindringen selbsternannter Staatsanwälte in die Privatsphäre, ist die Art und Weise, wie man ein Klima totalitärer Gesellschaften erzeugt.

Die Säuberungswelle scheint keine Grenzen zu kennen. Mal wird ein Akt von Egon Schiele auf einem Plakat zensiert; ein ander Mal fordert man die Entfernung eines Balthus-Gemäldes aus einem Museum mit der Begründung, es sei eine Rechtfertigung für Pädophilie. Indem man Mensch und Werk verwechselt, fordert man ein Verbot der Roman Polanski-Retrospektive in der Cinémathèque und eine Verschiebung derjenigen, die Jean-Claude Brisseau gewidmet ist. Ein Akademiker beurteilt Michelangelo Antonionis Film Blow-Up als "frauenfeindlich" und "inakzeptabel". Angesichts dieses Revisionismus bekommen es John Ford (La Prisonnière du désert) und sogar Nicolas Poussin (The Sabine Kidnapping) mit der Angst zu tun.

Schon jetzt fordern einige Verlage einige von uns auf, unsere männlichen Charaktere weniger "sexistisch" zu machen, mit weniger Exzessen über Sexualität und Liebe zu sprechen oder die "Traumata weiblicher Charaktere" offensichtlicher zu machen! Hart am Rande der Lächerlichkeit will ein Gesetzentwurf in Schweden jeden, der einen Geschlechtsverkehr beabsichtigt, zur Einholung einer ausdrücklichen Zustimmung zwingen! Noch so ein Geniestreich, und zwei Erwachsene, die miteinander Sex haben wollen, müssen vorher mit einer "App" auf ihrem Telefon ein Dokument abhaken, in dem sie die Praktiken, die sie akzeptieren und bzw. ablehnen, genau auflisten.

Die unverzichtbare Freiheit, lästig zu sein

Der Philosoph Ruwen Ogien verteidigte die Freiheit, lästig zu sein, als unverzichtbar für die künstlerische Kreativität. Ebenso verteidigen wir eine Freiheit, lästig zu sein, als unverzichtbar für die sexuelle Freiheit. Wir sind heute ausreichend informiert, um zu wissen, daß der Sexualtrieb von Natur aus offensiv und ungesittet ist. Wir sind aber auch scharfsichtig genug, um ungeschicktes Flirten nicht mit sexueller Aggression zu verwechseln.

Uns ist vor allem bewußt, daß die menschliche Person nicht monolithisch ist: eine Frau kann am selben Tag ein professionelles Team führen und es genießen, sexuelles Objekt eines Mannes zu sein, ohne eine "Schlampe" oder ein abscheulicher Komplize des Patriarchats zu sein. Sie kann sicherstellen, daß ihr Lohn dem von Männern entspricht, sie wird sich aber nicht für immer traumatisiert fühlen, weil sie in der U-Bahn betatscht wurde, selbst wenn dies als ein Vergehen betrachtet wird. Sie kann einen solchen Vorfall sogar als Ausdruck extremen sexuellen Elends oder gar als Nicht-Ereignis betrachten.

Als Frauen erkennen wir uns selbst nicht in diesem Feminismus wieder, der über die Verurteilung von Machtmißbrauch den Eindruck erweckt, generell Männer und Sexualität zu hassen. Wir sind der Meinung, daß die Freiheit, Nein zu einem sexuellen Angebot zu sagen, nicht ohne die Freiheit möglich ist, jemandem lästig zu sein. Und wir sind der Meinung, daß wir imstande sein müssen, auf diese Freiheit, lästig zu sein, anders zu reagieren, als uns in der Rolle des Opfers zu verkriechen.

Für diejenigen von uns, die sich entschieden haben, Kinder zu bekommen, halten wir es für sinnvoller, unsere Töchter so zu erziehen, daß sie informiert und bewußt genug sind, um das Leben in vollen Zügen zu leben, ohne eingeschüchtert zu werden oder sich schuldig zu fühlen.

Zwischenfälle, die sich auf den Körper einer Frau auswirken können, beeinträchtigen nicht unbedingt ihre Würde und sollten sie nicht, so hart sie manchmal sein mögen, zwangsläufig zu einem ewigen Opfer machen. Weil wir nicht auf unseren Körper reduzierbar sind. Unsere innere Freiheit ist unantastbar. Und diese Freiheit, die wir schätzen, ist nicht ohne Risiken und Verantwortlichkeiten.



Nachträge

  1. Ein sehr lesenswertes Interview von Catherine Millet, eine der Autorinnen des offenen Briefs, ist in der FAZ vom 14.01.2018 erschienen.
  2. Catherine Deneuve weist in einer Stellungnahme am 14.01.2018 in der Zeitschrift Liberation die Kritik zurück, der offene Brief bzw. sie persönlich würde sexuelle Gewalt verharmlosen. Übersetzung s.u.
  3. Die am meisten kontroverse Forderung des offenen Briefs ist die nach der "liberté d'importuner". Wenn man die Mißverständnisse durch die falschen Übersetzungen, die nicht überall auftraten oder teilweise vorgeschoben waren, einmal beiseite läßt, hat diese Forderung immer noch erstaunlich viel Protest erzeugt. Erstaunlich deswegen, weil diese Forderung eigentlich zwingend ist, wenn man Frauen grundsätzlich als starke, selbstverantwortliche Persönlichkeiten versteht (s.o.), ein zentraler Standpunkt der Autorinnen.

    Genau diesem Verständnis widersprechen relevante feministische Strömungen vehement. Diese Strömungen verstehen Frauen als eher asexuelle, antriebslose Wesen, die ihre Ablehnung von sexuellen Kontakten nicht klar verbalisieren können und dies auch nicht müssen, stattdessen verpflichtet bereits eine "nicht enthusiastische" Zustimmung einer Frau den Mann in der aktiven Rolle, seine Bemühungen zur Anbahnung sexueller Kontakte sofort abzubrechen, eine Fortsetzung wird genauso wie eine Vergewaltigung verurteilt. Dieses Verständnis war Grundlage der sozialen Hinrichtung von Aziz Ansari, die wenige Tage nach dem offenen Brief stattfand, Details s. Die Aziz-Ansari-Affäre.



Übersetzung der Stellungnahme von Catherine Deneuve zur Kritik am Offenen Brief

Anmerkungen: einige Stellen der Stellungnahme von Deneuve am 14.01.2018 sind mehr oder weniger unverständlich. Diese Stellungnahme ist weniger sauber fomuliert als der offene Brief, der von mehreren Autorinnen gemeinsam redigiert worden war. Mit [*] markierte Stellen sind mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht richtig übersetzt.

Ja, ich liebe die Freiheit. Ich liebe nicht die Eigenschaft unserer Zeit, daß jeder das Recht zu haben glaubt, zu urteilen, zu schlichten, zu verurteilen. Eine Zeit, in der einfache Denunziationen in sozialen Netzwerken zu Bestrafung, Entlassung und manchmal und oft zu medialer Hinrichtung führen. Ein Schauspieler kann digital aus einem Film gelöscht werden, der Regisseur einer großen New Yorker Institution kann gezwungen werden zurückzutreten, weil er vor dreißig Jahren mit seinen Händen jemanden an den Hintern gefaßt hat, das alles ohne irgendeine andere Form von Anklage und Prozeß. Ich entschuldige nichts. Ich urteile nicht über die Schuld dieser Männer, weil ich dafür nicht qualifiziert bin. Und nur wenige sind dies.

Nein, ich mag diese Treibjagden [*] nicht, die heute allzu häufig vorkommen. Daher meine Vorbehalte, schon ab Oktober zu diesem Hashtag "Balance ton porc".

Es gibt, ich bin nicht naiv, viel mehr Männer, die diesen Verhaltensweisen ausgesetzt sind als Frauen. Aber warum ist dieser Hashtag keine Einladung zur Denunziation? [*] Wer kann mir versichern, daß es keine Manipulationen oder Schläge unter die Gürtellinie geben wird? Daß es keine Selbstmorde von Unschuldigen geben wird? Wir müssen zusammenleben, ohne "Schweine" oder "Hündinnen", und ich gestehe, daß ich diesen Text "Wir verteidigen die Freiheit ..." energisch, wenn nicht sogar vollkommen richtig gefunden habe.

Ja, ich habe diese Petition unterzeichnet, und ich halte es heute für absolut notwendig, darauf hinzuweisen, daß ich nicht einverstanden bin mit der Art und Weise, in der sich einige Unterzeichner individuell das Recht nehmen, sich in den Medien zu verbreiten, in einer Weise, die den Geist dieses Textes verfälscht. Im Fernsehen zu sagen, daß man eine Vergewaltigung genießen kann, ist schlimmer, als all jenen ins Gesicht zu spucken, die dieses Verbrechen erlitten haben. Diese Worte suggerieren denjenigen, die daran gewöhnt sind, Gewalt anzuwenden oder Menschen mit Hilfe der Sexualität zu zerstören, daß das alles nicht so schlimm ist, denn es kommt ja vor, daß das Opfer das genießt. Aber wenn man ein Manifest unterschreibt, das andere Menschen anspricht, hält man sich zurück und vermeidet es, sie mit der eigenen verbalen Inkontinenz zu behelligen. [*] Es ist unwürdig. Und offensichtlich behauptet nichts in diesem Text, daß Belästigung gut ist, sonst hätte ich ihn nicht unterschrieben.

Ich bin Schauspielerin, seit ich 17 bin. Ich könnte natürlich sagen, daß ich Situationen erlebt habe, die mehr als unfein sind, oder daß ich von anderen Schauspielerinnen weiß, daß Filmemacher ihre Macht niederträchtig mißbraucht haben. Es ist aber ganz einfach nicht meine Aufgabe, an der Stelle meiner Kolleginnen zu reden. Was traumatisierende und unhaltbare Situationen schafft, ist immer Macht, eine hierarchische Position oder eine Form von Einfluß. Die Falle schließt sich, wenn es unmöglich wird, Nein zu sagen, ohne seinen Job zu riskieren, oder Demütigungen und erniedrigenden Sarkasmus zu erleiden. Deshalb glaube ich, daß die Lösung darin besteht, unsere Jungen und Mädchen gleichermaßen zu erziehen. Aber auch evtl. Vorschriften in Unternehmen, die bewirken, daß bei Belästigung sofort eine Strafverfolgung eingeleitet wird. Ich glaube an die Gerechtigkeit.

Ich habe diesen Text letztlich aus einem Grund unterschrieben, der meiner Meinung nach essentiell ist: die Gefahr der Säuberung [Zensur] in den Künsten. Sollen wir Sade in Plejade verbrennen? Leonardo da Vinci als pädophilen Künstler bezeichnen und seine Gemälde vernichten? Die Gauguins aus den Museen abholen? Egon Schieles Zeichnungen zerstören? Die Platten von Phil Spectors verbieten? Dieses Klima der Zensur macht mich sprachlos und besorgt über die Zukunft unserer Gesellschaften.

Ich wurde manchmal beschuldigt, nicht feministisch zu sein. Muß ich daran erinnern, daß ich einer der 343 Schlampen war, neben Marguerite Duras und Françoise Sagan, die das Manifest "Ich habe abgetrieben" unterschrieben haben, das Simone de Beauvoir geschrieben hat? Abtreibung wurde damals strafrechtlich verfolgt und mit Gefängnis bestraft. Deshalb möchte ich den Ewiggestrigen, den Rassisten und den Traditionalisten aller Art, die es strategisch geschickt finden, mir ihre Unterstützung anzudienen, sagen, daß sie mich nicht täuschen können. Sie werden weder meine Dankbarkeit noch meine Freundschaft gewinnen, ganz im Gegenteil. Ich bin eine freie Frau und werde es auch bleiben. Ich grüße brüderlich alle Opfer von abscheulichen Taten, die sich eventuell von dem offenen Brief, der in der Monde erschienen ist, angegriffen fühlen. Bei ihnen, und nur bei ihnen, entschuldige ich mich.

Mit freundlichen Grüßen.

Catherine Deneuve



Quellen