- Libido
- Messung der Libido
- Die Libido-Differenz bzw. -Asymmetrie
- Konsequenzen aus der Libido-Differenz
- Quellen
Libido
Unter sexueller Attraktion versteht man das (biologisch
begründete) Phänomen, von bestimmten Personen - i.d.R. des
anderen Geschlechts - "angezogen" zu werden, sie "schön"
bzw. "sexuell attraktiv" zu finden und durch sie sexuell
erregt zu werden.
Wenn es bei einer rein platonischen Freude an der Schönheit
des anderen Geschlechts bleiben würde, wäre dies aber
evolutionär gesehen fatal, d.h. die Attraktion sollte zu
konkreten Handlungen mit dem Ziel von sexuellem Verkehr (und
damit Reproduktion) führen. Unter Libido
(Synonyme: sexueller Antrieb, Geschlechtstrieb) versteht
man die Intensität von konkreten Handlungen, die auf
sexuellen Verkehr abzielen. Anders formuliert ist die Libido
die "psychische Energie, die mit den Trieben der Sexualität
verknüpft ist". Der englische Ausdruck ist sex drive.
Messung der Libido
Sexuelle Attraktion und Libido treten bei allen sexualdimorphen Lebewesen auf und sind grundsätzlich
biologisch verursacht. Bei Männern ist die
Testosteronkonzentration entscheidend, unterhalb
bestimmter Schwellen ist keine Libido vorhanden, bei
höheren Konzentrationen steigt die Libido. Dies führt zu
der Frage, wie man die Libido (bzw. die Stärke der Libido)
messen kann. Sine
(2013) und Baumeister (2001) listen diverse meßbare
Verhaltensmerkmale auf, die ein Indiz für eine stärkere
Libido sind.
Die sexuelle Attraktion und die Libido entstehen erst im
Rahmen der Pubertät, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die
Heranwachsenden bereits ein Jahrzehnt lang kulturell
geformt wurden und weiterhin vielfältigen sozialen
Einflüssen und Einschränkungen unterliegen. D.h.
der mehr oder weniger starke biologische sexuelle Antrieb
kann sich nur sehr eingeschränkt in Handlungen, die auf
sexuellen Verkehr abzielen, konkretisieren. Anders gesagt
sind die beobachtbaren Handlungen und Verhaltensweisen
ggf. so stark durch den sozialen Rahmen, u.a. ob man in
einer Partnerschaft lebt oder nicht, eingeschränkt oder
verstärkt, daß man nicht mehr zuverlässig auf die
Stärke des "normalen" biologischen Antriebs
zurückschließen kann. Insb. sind Thesen, der
biologische Antrieb sei statistisch vernachlässigbar und
eine ausgeprägte Libido sei sozial konstruiert, nicht
beweisbar und aufgrund vieler Indizien mit hoher
Wahrscheinlichkeit falsch.
Die Libido-Differenz bzw. -Asymmetrie
Kulturübergreifend findet man bei Männern alle
erdenklichen Indizien für ein deutlich häufigeres und
intensiveres Verlangen nach Sex als bei Frauen, s. Baumeister (2001),
Lippa (2007) u.a.
Baumeister zieht das Fazit, daß die Libido bei Männern
deutlich stärker als bei Frauen ist, zumal in keiner Kultur
die umgekehrte Relation gefunden wurde.
Baumeister (2012) stellt dar, daß das
Geschlechterverhältnis sehr erfolgreich analysiert werden
kann, indem man es als einen Markt mit Anbietern und
Nachfragern von bzw. nach Sex versteht. Die
Libido-Differenz führt zu einer extremen Asymmetrie der
Machtpositionen in diesem Markt.
Die Libido-Asymmetrie ist nicht über die Lebensphasen hinweg
konstant. Sie ist in der Pubertät besonders ausgeprägt und
reduziert sich später deutlich.
Konsequenzen aus der Libido-Differenz
Die Libido-Differenz hat fundamentale Auswirkungen auf das
Geschlechterverhältnis: grundsätzlich macht sie vor allem
junge Frauen zum Besitzern einer seltenen, daher wertvollen
Ressource, und Männer zu Nachfragern, die einen "Preis"
dafür bezahlen müssen (vgl. das Sexualmarktmodell).
Attraktivitätsdifferenz
Man kann davon ausgehen, daß, wenn eine Person A eine
andere Person B als "schön" oder "sexuell attraktiv"
einschätzt, dies deutlich mit der Stärke der Libido von
Person A zusammenhängt (natürlich auch von den
Eigenschaften von Person B). Solche Einschätzungen sind
oft nur Rationalisierungen des Wunsches nach sexuellen
Kontakten. Unter dieser Annahme ist die Libido-Differenz
eine wesentliche Ursache für die statistische
Attraktivitätsdifferenz, nämlich daß Männer Frauen
statistisch viel attraktiver finden als umgekehrt Frauen
Männer, s. Kahlke
(2016), NN
(2015), Rudder
(2009).
Wenn man Attraktivität als eine eigene Form von Reichtum
betrachtet und auf Basis von Daten über die wahrgenommene
Attraktivität zwischen Frauen und Männern den Gini-Koeffizienten G berechnet, dann ist dieser
Reichtum in der Gruppe der Männer sehr ungleich verteilt (G
je nach Datenbasis ca. 0.5 - 0.6, s. Tuckfield (2019)),
während er in der Gruppe der Frauen sehr gleichmäßig
verteilt ist (G ca. 0.3).
Hier stellt sich wieder einmal die Frage, ob diese
Verhaltendifferenz kulturell oder biologisch bedingt sind.
Die uns in vieler Hinsicht sehr ähnlichen Menschenaffen
weisen die gleiche Verhaltensdifferenz auf, dies spricht
für einen merklichen biologischen Einfluß. Bei
Menschenaffen ist Polygamie die Regel, bei unseren
steinzeitlichen Vorfahren war dies ebenfalls der Fall, und
z.B. im Islam ist auch heute eine limitierte Form von
Polygamie (max. 4 Frauen) erlaubt. Es gibt also starke
Indizien, daß historisch gesehen Polygamie dominierte und
unsere biologischen Dispositionen daran angepaßt sind.
Psychologische und soziale Konsequenzen
Eine Vielzahl von sozialen bzw. psychologischen Phänomenen
wird offenbar wesentlich von der Libido-Differenz (mit-)
verursacht. Dabei spielen auch andere biologische
Unterschiede eine Rolle, z.B. daß nur Frauen Kinder haben.
Ohne die Libido-Differenz scheinen diese Phänomene aber
kaum denkbar zu sein:
- In sehr vielen Kulturen wird die männliche Sexualität wesentlich stärker als die weibliche dämonisiert, bestraft und durch diverse Maßnahmen eingedämmt (in heterosexuellen Kontexten). Beispielsweise kann ggf. Vergewaltigung oder Exhibitionismus als Straftat definiert sein, die nur Männer begehen können.
- In den meisten Kulturen wird Monogamie vorgeschrieben. Wenn man davon ausgeht, daß in unzivilisierten Gesellschaften Polygamie vorherrschte, dann ist dies eine weitere Form der Einschränkung der Sexualität von Männern, allerdings auch von Frauen, die lieber nur eine von mehreren Frauen eines attraktiven, statushohen Mannes sind als einzige Frau eines unattraktiven Mannes.
- Die vermutlich bekannteste Folge ist Prostitution von Frauen.
- Durch die Libido-Asymmetrie entsteht bei heranwachsenden Mädchen bzw. Frauen der Eindruck, es sei völlig selbstverständlich, alleine aufgrund der Tatsache, eine Frau zu sein, sexuell begehrt zu werden, also von Männern umworben zu werden. Die Beziehungsanbahnung und das dabei unvermeidliche Eingehen von Risiken wird daher üblicherweise einseitig vom Mann erwartet (andernfalls wird er als Schmerzensmann verspottet). Aufgrunddessen können Frauen es sich leisten, bei der Beziehungsanbahnung passiv zu bleiben und Risiken zu vermeiden. Männer haben zu umwerben, Frauen wählen aus. Man kann argumentieren, daß sich diese Passivität und Risikoaversion (im Vergleich zu Männern) auf andere Kontexte überträgt und zu einer statistisch signifikanten, grundlegenden Charaktereigenschaft von Frauen wird.
- Umgekehrt werden Jungen trainiert, Ablehnungen einzustecken, ihre Resilienz wird verstärkt. Viele machen die Erfahrung, daß nur, wer Risiken eingeht, Erfolg hat, und wer es nicht tut, keine Freundin hat. Auch hier kann man davon ausgehen, daß dies zu einer Lebenserfahrung verallgemeinert wird.
- Typischerweise wollen alle Menschen einen Partner finden, den sie mindestens so attraktiv wie sich selber einschätzen (s.a. weibliche Hypergamie). Frauen schätzen nur ca. 20 - 30 % aller Männer als annehmbar attraktiv ein. Tendenziell wird daher in einer Gesellschaft mit erzwungener Monogamie nur ein ähnlich geringer Anteil der Frauen einen nach eigener Einschätzung angemessenen Partner finden. Der Rest muß sich mit einem Mann begnügen, den die Frau grundsätzlich als für sie selber unangemessen empfindet. Das notorische Nörgeln von Frauen an ihrer "besseren Hälfte" ist so gesehen kein Zufall.
Quellen
- Roy F. Baumeister, Kathleen R. Catanese, Kathleen D. Vohs: Is There a Gender Difference in Strength of Sex Drive? Theoretical Views, Conceptual Distinctions, and a Review of Relevant Evidence. Personality and Social Psychology Review 5:3, 01.08.2001. https://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1207/S15327957PSPR0503_5
- Roy F. Baumeister, Kathleen D. Vohs: Sexual Economics, Culture, Men, and Modern Sexual Trends. Society 49:6, Dec. 2012, p.520-524, DOI 10.1007/s12115-012-9596-y, 18.10.2012. https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs12115-012-9596-y
- Arne Kahlke / Jochen Wegner (Interview): "Die Ressource 'gebildeter Mann' wird knapp". ZEIT Online, 28.04.2016. https://www.zeit.de/zeit-magazin/2016-04/partnerboerse- ... ansicht
- Richard A. Lippa: Sex Differences in Sex Drive, Sociosexuality, and Height across 53 Nations: Testing Evolutionary and Social Structural Theories. Archives of Sexual Behavior Vol. 38, Issue 5, p.631-651, First Online: 02.11.2007, 02.11.2007. https://link.springer.com/article/10.1007/s10508-007-9242-8
- NN (worst online dater): Tinder Experiments II: Guys, unless you are really hot you are probably better off not wasting your time on Tinder - a quantitative socio-economic study. https://worst-online-dater.tumblr.com, 25.03.2015. https://worst-online-dater.tumblr.com/post/114619524524 ... you-are
- Christian Rudder: Your Looks and Your Inbox. OkCupid, 17.11.2009. https://blog.okcupid.com/index.php/your-looks-and-online-dating/
- Richard Sine: Sex Drive: How Do Men and Women Compare? WebMD, 22.08.2013. https://www.webmd.com/sex/features/sex-drive-how-do-men-women-compare
- Bradford Tuckfield: Attraction Inequality and the Dating Economy. Quillette, 12.03.2019. https://quillette.com/2019/03/12/attraction-inequality-and-the-dating-economy/