Die FDP und die Linke haben Liste von fast 500 bzw. fast 300 Antworten auf die unterschiedlichsten Anfragen publiziert. Dies waren die größten auffindbaren Sammlungen; andere Parteien haben kleinere Sammlungen, in denen weitere Anfrager auftauchen, oder sicherheitshalber gar keine frei zugängliche. Es gibt insgesamt deutlich über 500 Bundestagswahlprüfsteinproduzenten (darunter einige sehr kuriose).
In das Themengebiet Männer, Frauen, Familie usw. fallen rund 20
Anfragen. In den einzelnen Anfragen treten einige besonders
populäre Themen, z.B. Kindergeld, Betreuungsgeld, häusliche /
sexuelle Gewalt usw., wiederholt auf (was den Einsatz von
Textbausteinen in den Antworten der gleichen Partei erleichtert).
Die Fragen sind natürlich i.d.R. keine Wissensfragen,
sondern politische Forderungen ("Was gedenken Sie zu tun, um
das gender pay gap von 22% zu beseitigen?"
[1]).
Zu den Antworten: Die Antworten sind typischerweise 3 - 8 Seiten lang (alleine die Produktion der Antworten ist ein kleines Beschäftigungsprogramm). Man fragt sich, wer das alles liest und ob irgendwer Konsequenzen daraus zieht. Bei einer stichprobenartigen Kontrolle schienen die meisten Antworten Nacherzählungen aus den Parteiprogrammen zu sein. Ab und zu wird ausführlicher auf Details eingegangen, allerdings ändert sich der Gesamteindruck, den man schon vorher von den Parteien hatte, nicht wesentlich.
Mit anderen Worten: Die meisten Antworten sind höflich und langweilig und bestätigen nur die bekannten antimaskulistischen Standpunkte der meisten Parteien. Mit einer Ausnahme, und die ist ein echter Knaller, hier eine Kostprobe:
Frage 3 (der Gender Mainstreaming Experts International): Wie werden Sie die international anerkannten Strategien des Gender Mainstreaming (durchgängige Gleichstellungsorientierung) und des Gender Budgeting (gleichstellungs- und wirkungsorientierte Haushaltsführung) in Ihrer Regierungs- und parlamentarischen Arbeit nutzen?Man reibt sich die Augen. Daß man sowas noch erleben durfte. Diese und weitere Antworten der AfD (die sich ansonsten sehr bedeckt hält) findet man indessen leider nur als Text, der in blauer Schrift in dem Brief eingefügt wurde, den die GMEI an die AfD geschickt hatte - Link auf das Dokument siehe Übersichtstabelle aller Antworten auf die Wahlprüfsteine -, also nicht auf einem Schreiben mit Briefkopf der AfD. Andererseits hat sich die NRW-Abteilung der AfD in der Sache identisch geäußert, so daß der Inhalt glaubwürdig erscheint.Antwort (von Dr. Frauke Petry, Bundesgeschäftsstelle der AfD): Gender Mainstreaming ist KEINE Wissenschaft, daher gehören die angeblich anerkannten Strategien auf einen tatsächlich wissenschaftlichen Prüfstand.
Daß eine Partei, die es eventuell in den Bundestag schafft, den Staatsfeminismus und Gender Mainstreaming offiziell und ohne wenn und aber ablehnt, hat das Potential, einen politischen Dammbruch zu bewirken - man darf gespannt sein.
Ein trostloses Bild ergibt sich, wenn man die
Bundestagswahlprüfsteinlawine einmal von der Seite der Empfänger
betrachtet und spekulativ unterstellt, daß die Parteien die
Forderungen in den Wahlprüfsteinen als repräsentativ für die
Stimmung im Volke interpretieren, zumal unter den Absendern einige
größere Verbände sind. Rund die Hälfte der Absender vertreten mehr
oder weniger heftig feministische Forderungen und selektive
Wahrnehmungen. Die Interessen von Jungen und Männern werden
explizit praktisch nur in den Fragen von Agens thematisiert.
Die unterschwellige Botschaft der
Steinlawine ist klar: Jungen und Männer haben keine
Probleme und sind politisch irrelevant. Wenn man
den Männern wie geplant mit Quoten usw. das Fell
über die Ohren zieht, ist nicht mit ernsthaften
Protesten zu rechnen, denn offenbar gibt es keine
Infrastruktur, die solche Proteste
organisieren könnte.
Zu den Antworten auf die Wahlprüfsteine.
[1] Der Glaube an das Gender Pay Gap ist, obwohl seit Jahren immer wieder widerlegt, nach wie vor erschreckend weit verbreitet. Beispielsweise findet sich in den Wahlprüfsteinen des AWO Bundesverbandes in Kap. 13. Gleichstellung der Text "... Beim Thema Gleichstellung muss vor allem etwas gegen den noch immer erheblichen Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern unternommen werden. Noch immer erhalten Frauen für dieselbe Arbeit 22 Prozent weniger Lohn als Männer." gefolgt von der Frage, wie diese Lohnunterschiede abgebaut werden.