Inhaltsübersicht
- Zusammenfassung
- Die allgemeine blank-slate-Hypothese
- Die blank-slate-Hypothese im Kontext der Geschlechterdebatte
- Bedeutung und Verwendung der blank-slate-Hypothese
- Verbreitung der blank-slate-Hypothese
- Die blank-slate-Hypothese als versteckte Null-Hypothese und andere Diskursstrategien
- Literatur
Zusammenfassung
Die allgemeine blank-slate-Hypothese postuliert, daß
Menschen hinsichtlich ihrer sozialen, psychologischen,
sexuellen, intellektuellen usw. Merkmale als
"unbeschriebenes Blatt" geboren werden, also prinzipiell und
"von Natur aus" alle gleich sind, und daß Unterschiede von
sozialen Einflüssen verursacht werden, also in diesem Sinne
"sozial konstruiert" und nicht zwangsläufig vorhanden sind.
Die in diesen Definitionen üblicherweise verwendeten
Begriffe sind ausgesprochen unscharf und dehnbar. Viele
persönliche Merkmale entwickeln sich außerdem erst während
oder nach der Pubertät, sind also Ergebnisse langer
Entwicklungsprozesse. Wenn man die blank-slate-Hypothese
auch bzgl. dieser Merkmale aufrecht erhalten will, muß man
zahlreiche Hilfsannahmen machen, z.B. hinsichtlich der
Wirkung von Hormonen während der Pubertät. Aufgrund dieser
Unschärfen gibt es mehrere Varianten bzw. Konkretisierungen
der blank-slate-Hypothese (mehr dazu weiter unten).
Die blank-slate-Hypothese ist ganz offensichtlich falsch,
wenn man sie auf einzelne Menschen bezieht, denn die sind
offensichtlich von Natur aus sehr verschieden. Die
Behauptung der Gleichheit wird daher i.d.R.
statistisch verstanden und auf mehr oder weniger
willkürlich gewählte Menschengruppen und Gruppenmerkmale
bezogen. Die Menschengruppen werden oft anhand von
Geschlecht, Ethnizität, Religion oder anderen
demographischen Merkmalen gebildet. Beispiele für
Gruppenmerkmale sind Durchschnittseinkommen oder
Geschlechteranteile. Selbst mit diesen willkürlichen und oft
nicht scharf definierten Konkretisierungen ist die
blank-slate-Hypothese nicht direkt beweisbar und wird ggf.
sogar durch empirische Tatsachen widerlegt.
Die blank-slate-Hypothese ist also eine manchmal explizite,
oft nur implizite Tatsachenbehauptung (oder eine Meinung,
eine Ansicht), wenn über die Natur des Menschen oder über
die Entstehung von sozialen Differenzen zwischen Menschen
bzw. Menschengruppen debattiert wird. Beobachtbare
Unterschiede zwischen Personen(gruppen) werden dann
ausschließlich als Effekt von sozialen Einflüssen angesehen.
Die sozialen Einflüsse werden wiederum als willkürlich und
ungerecht bewertet, infolgedessen gelten die schlechter
Abschneidenden automatisch als Opfer von Diskriminierungen
und können Kompensationen verlangen. Die
blank-slate-Hypothese ist also vielfach dadurch motiviert,
bestimmte politische Forderungen, z.B. Frauenquoten,
"sachlich" zu begründen. Bei anderen Gelegenheiten wird sie
hingegen "übersehen". In diesem Sinne ist sie ein
klassisches Beispiel für sozial konstruiertes "Wissen".
Weitere Motive, die blank-slate-Hypothese zu propagieren,
werden unten behandelt.
Speziell auf die Geschlechterunterschiede bezogen, um die
es hier vor allem geht, ist die blank-slate-Hypothese in
vielen einzelnen Punkten wissenschaftlich unhaltbar,
speziell man einzelne Persönlichkeitsmerkmale betrachtet
und die Unterschiede pauschalisierend verallgemeinert.
Die allgemeine blank-slate-Hypothese
Die blank-slate-Hypothese postuliert, daß Menschen
hinsichtlich aller sozialen, psychologischen und sexuellen
Merkmale als "unbeschriebenes Blatt" (blank slate = leere
Schiefertafel) auf die Welt kommen, also ohne Sprache,
Vorwissen und angeborene Moralvorstellungen in relevantem
Ausmaß geboren werden und kulturell beliebig geformt
werden können bzw. müssen. Im Englischen wird dies auch
als tabula rasa-Hypothese bezeichnet.
Die gegenteilige Hypothese - sofern man überhaupt versucht,
sie trotz der Unschärfe der blank-slate-Hypothese zu bilden
- lautet, daß die sozialen, psychologischen, intellektuellen
und sexuellen Merkmale von Menschen, insb. Intelligenz,
sexuelle Attraktion, Temperament, Risikoaversion, teilweise
sogar die politische Grundeinstellung, in nicht
vernachlässigbarem Umfang biologisch bestimmt sind und nicht
beliebig verformt werden können. Man spricht hier auch von
biologischen Dispositionen, um auszudrücken, daß ein
statistisch signifikanter Einfluß vorhanden ist, nicht
hingegen ein Determinismus, der einzelne Details
einzelner Personen unwiderruflich bestimmt. Dies ist analog
zur Vererblichkeit von Intelligenz: intelligente Eltern
haben meist intelligente Kinder, aber nicht zwangsläufig.
Diese beiden gegensätzlichen Hypothesen werden auch als
"Natur- vs. Kultur"-Gegensatz (engl. nature vs. nurture) bezeichnet. Diese Frage ist
eine der grundlegendsten und meistdiskutierten
philosophischen Fragen, die Antwort darauf hat gravierende
Konsequenzen für die Wahrnehmung und Interpretation
sozialer Phänomene, Moralvorstellungen u.a.m.
Ein fulminante inhaltliche Widerlegung der allgemeinen
blank-slate-Hypothese lieferte Pinker
(2002).
Die blank-slate-Hypothese im Kontext der
Geschlechterdebatte
Im Kontext der Geschlechterdebatte wird die
blank-slate-Hypothese im folgenden speziellen Sinn
verstanden: Männer und Frauen (und ggf. weitere
Geschlechter) sind prinzipiell völlig gleich, unterscheiden
sich also in ihren sozialen, psychologischen, sexuellen,
intellektuellen usw. Merkmalen nicht. Anders gesagt können
die empirisch nachweisbaren statistischen
Persönlichkeits- und Verhaltensunterschiede nicht in
relevantem Umfang auf biologische Einflüsse zurückgeführt
werden, sondern sind sozial verursacht.
Um überhaupt Männer und Frauen unterscheiden zu können, muß
man aber die Vorstellung aufgeben, sie seien völlig gleich.
An dieser Stelle wird stillschweigend auf einen biologischen
Geschlechtsbegriff zurückgegriffen (im Gegensatz zur
sonst üblichen Ablehnung von biologischen
Geschlechtsbegriffen). Man unterscheidet Individuen also
anhand ihrer sexualitätsbezogenen biologischen Merkmale,
i.d.R. den genetischen Unterschieden. Biologische
Sonderformen, z.B. chromosomale Sonderformen, die man nicht
ohne weiteres als eine der beiden Hauptkategorien Männer und
Frauen klassifizieren kann, bleiben außer Betracht.
Ausschluß "reproduktionsbezogenen" Verhaltens
Bestimmte Tätigkeiten und Verhaltensweisen sind direkt mit
den unterschiedlichen biologischen Funktionen von Männern
und Frauen bei der Reproduktion verbunden (Schwängern,
Schwangerschaft, Stillen usw.) und daher unübersehbar
biologisch beeinflußt. Um die blank-slate-Hypothese zu
retten, werden Verhaltensweisen, die direkt mit der
Reproduktion zusammenhängen, typischerweise in den
Debatten durch eine Generalklausel ausgeklammert. Sie
werden ohne nähere Begründung als unwesentlich angesehen,
andere Verhaltensweisen also als völlig unabhängig und
unbeeinflußt hiervon.
Was alles unter diese Generalklausel fällt, also welche
Verhaltensweisen noch "reproduktionsbezogen" sind, bleibt
meistens offen. Mit einer Schwangerschaft und einer
Stillzeit sind direkt eine Vielzahl vor- und nachbereitender
oder präventiver Tätigkeiten verbunden, die Möglichkeiten zu
Empfängnisverhütung unterscheiden sich erheblich, die
Sexualorgane haben jeweils eigene Gesundheitsrisiken bzw.
Krankheiten usw. Hinzu kommen viele damit indirekt, aber
kausal verbundene weitere Verhaltensdifferenzen.
Die unterschiedlichen direkt reproduktionsbezogenen
Funktionen verursachen ferner weitreichende Auswirkungen,
die nicht direkt mit der Reproduktion zusammenhängen. Z.B.
sind einzelne Männer für das Überleben einer Population
unwichtig, daher gilt in praktisch allen Kulturen männliches
Leben als weniger wert als weibliches. Erkennbar ist dies
daran, daß nur Männer Kriegsdienst leisten und ggf. ihr
Leben opfern müssen. Die hier vorliegende generelle
Empathielücke durchzieht sehr viele soziale Bereiche. Obwohl
dies offensichtlich direkt aus den biologischen
Verhältnissen folgt, werden diese Auswirkungen meistens
nicht als biologisch verursacht angesehen.
Empirisch nachweisbare Persönlichkeits-
und Verhaltensunterschiede
Wesentliche Unterschiede im Verhalten und der Persönlichkeit
bei Männern und Frauen sind empirisch nachweisbar in
folgenden Bereichen (Quellenangaben siehe unten):
- bei der sexuellen Attraktion,
- bei der sexuellen Identität,
- bei der Libido (sexueller Antrieb),
- bei den Methoden der intrasexuellen Konkurrenz (bzw. allgemeiner bei geschlechtsspezifischen Aggressionsmethoden),
- bei grundlegenden Charaktermerkmalen wie z.B. im Big Five-Modell, das als Hauptmerkmale Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus (Openness, Conscientiousness, Extraversion, Agreeableness, Neuroticism) definiert,
- bei den beruflichen Präferenzen, erkennbar an der beruflichen Segregation von Frauen und Männern.
Begriffliche Unklarheiten in der
geschlechtsbezogenen blank-slate-Hypothese
Die geschlechtsbezogene blank-slate-Hypothese, also Aussagen
wie "Geschlecht bzw. geschlechtsspezifisches Verhalten ist
sozial konstruiert", wird regelmäßig durch eine Nebelwand
von Vagheiten und Begriffsverschiebungen vor einer
kritischen Hinterfragung geschützt:
- Der vorausgesetzte Begriff "Geschlecht" bleibt undefiniert. Je nach der Definition kommt es zu Begriffszyklen und Tautologien.
- Es bleibt zunächst unklar, ob die blank-slate-Hypothese auf Individuen oder Kollektive bezogen wird.
Die personenbezogene vs. statistische blank-slate-Hypothese
Die Aussage, daß Menschen hinsichtlich ihrer sozialen,
psychologischen, sexuellen, intellektuellen usw. Merkmale
prinzipiell gleich sind, also Unterschiede nur auf soziale
Einflüsse zurückgehen, kann man auf einzelne Personen oder
die Kollektive der Männer bzw. Frauen beziehen.
- Nach der personenbezogenen blank-slate-Hypothese sind die bei einer einzelnen Person vorliegenden Merkmale, u.a. die diversen intellektuellen Begabungen, die grundlegenden Persönlichkeitsmerkmale und das biologisch bzw. medizinisch meßbare geschlechtsbezogene Verhalten, sozial konstruiert. Unter anderem sozialen Einfluß hätten sie auch anders sein können. Bei einer extremen Interpretation von "Konstruktion" könnte man diese Merkmale bei Bedarf auch nachträglich ändern, also umkonstruieren. Man könnte z.B. einen Homosexuellen zu einem Heterosexuellen umerziehen. Die personenbezogene blank-slate-Hypothese These widerspricht eklatant dem Stand der Wissenschaft in der Biologie und der Psychologie und ist so absurd, daß sie nur selten vertreten wird. Stattdessen wird regelmäßig auf die statistische blank-slate-Hypothese ausgewichen (s.u.), oder die soziale Konstruktion wird auf einen willkürlichen und nur unscharf abgegrenzten Teil der Persönlichkeitsmerkmale eingeschränkt, wodurch sie weitgehend inhaltsleer wird. Beispielsweise behaupten fast alle Vertreter der blank-slate-Hypothese gleichzeitig, bei Homosexuellen sei deren sexuelle Attraktion biologisch determiniert und nicht "heilbar". Die biologisch determinierte sexuelle Attraktion hat aber einen weitreichenden Einfluß auf das Sozialverhalten, dies widerspricht der strengen blank-slate-Hypothese
- Bei der statistischen blank-slate-Hypothese wird die prinzipielle Gleichheit auf die Kollektive der Männer bzw. Frauen bezogen. Hier wird konzediert, daß im Einzelfall zwar ein biologischer Einfluß vorhanden ist. Es wird aber postuliert, daß bei Männern und Frauen als Kohorte betrachtet eigentlich, also "von Natur aus" und ohne soziale Einflüsse, die Präferenzen, Verhaltensmuster, sozialen Geschlechtskategorien etc. statistisch gleichartig verteilt auftreten. Beispiele für solche Aussagen sind, daß Männer und Frauen "im Durchschnitt" gleich intelligent, sexuell aktiv, erfolgsorientiert, an Physik interessiert usw. sind. Um Durchschnitte bilden zu können, muß man die komplexen Persönlichkeiten von Individuen auf wenige, willkürlich gewählte numerische Kenngrößen reduzieren. Ebenfalls willkürlich ist, daß man nur Durchschnitte betrachtet, aber nicht die Varianz. Die Metastudie Wierenga (2020) weist empirisch nach, daß Männer als Kollektiv u.a. bei den biologischen Gehirnstrukturen, die wiederum mit vielen intellektuellen Leistungen korrelieren, eine höhere Varianz aufweisen als Frauen. Hieraus folgt direkt die bekannte Überrepräsentation von Männern in den Extrembereichen. Im Endeffekt wird die statistische blank-slate-Hypothese in der Praxis durch willkürlich gewählte Kenngrößen konkretisiert, sie ist unbewiesen und aus Aufwandsgründen praktisch nicht beweisbar, und sie ist in ihrer Pauschalität falsch.
Der unklare Geschlechtsbegriff
Die These, daß es keine intellektuellen oder
verhaltensbezogenen Unterschiede zwischen Männern und Frauen
gibt, unterstellt stillschweigend, daß man überhaupt
Männer und Frauen unterscheiden kann, und läßt offen,
auf welchen Geschlechtsbegriff man sich bezieht.
Der implizit vorausgesetzte Begriff "Geschlecht" ist
hochgradig mehrdeutig. Dieser abstrakte Begriff ist nur
Oberbegriff für mehrere biologische, psychologische und
soziale Geschlechtsbegriffe, s. hierzu die separate Seite
Der Begriff "Geschlecht".
In der Regel wählen Vertreter der blank-slate-Hypothese ohne
explizite Begründung oder Benennung den biologischen
Geschlechtsbegriff mit den beiden Klassifizierungen als Mann
oder Frau. Die weiteren Geschlechter, deren Wichtigkeit
sonst unablässig betont wird, bleiben auf einmal unsichtbar
(vermutlich mit Absicht, denn deren Berücksichtigung würde
die Unhaltbarkeit der blank-slate-Hypothese noch deutlicher
machen), noch nicht einmal Intersexuelle werden erwähnt.
Dieser Bezug auf den biologischen Geschlechtsbegriff ist
üblich in der ganzen Debatte.
Dies steht in bemerkenswertem Widerspruch zu gängigen
feministischen Thesen, wonach alle
Geschlechtsbegriffe, auch die biologischen, sozial
konstruiert sind. Soziale Konstruktionen müssen sich aber
immer an sozial beobachtbaren Informationen orientieren, der
Mensch kann mit bloßem Auge keine Chromosomen erkennen und
z.B. chromosomale Geschlechter unterscheiden. Hier läuft man
sehr leicht in eine tautologische Begriffsdefinition, indem
man sekundäre oder tertiäre Geschlechtsmerkmale, in deren
Kontext sich das Verhalten von Männern und Frauen
unterscheidet, benutzt, um die Kollektive der Männer bzw.
Frauen zu bilden, um danach überrascht festzustellen, daß
sich die beiden Kollektive statistisch im Verhalten
unterscheiden.
Widerlegungen der blank-slate-Hypothese
Grundsätzlich müssen eigentlich Vertreter der
blank-slate-Hypothese diese selber bewiesen. Von jemandem,
der die blank-slate-Hypothese anlehnt, zu verlangen, die
Hypothese zu widerlegen und das (unklare) Gegenteil zu
beweisen, ist eine unzulässige Beweislastverschiebung.
Nichtsdestotrotz kann man empirische Beobachtungen benennen,
die unvereinbar mit den wichtigsten Varianten der
blank-slate-Hypothese sind und die es ausgeschlossen
erscheinen lassen, diese Hypothese jemals zu beweisen.
Die personenbezogene blank-slate-Hypothese ist unvereinbar
mit einer Vielzahl von Forschungsergebnissen in der
Verhaltensbiologie (Zwillingsforschung, Vererblichkeiten von
Talenten usw.). Die statistische blank-slate-Hypothese ist
unvereinbar damit, daß Geschlechterdifferenzen bei vielen
Verhaltensformen (z.B. berufliche Segregation) in besonders
egalitären Gesellschaften besonders ausgeprägt sind und daß
zahllose, über Jahrzehnte durchgeführte
Gleichstellungsmaßnahmen erfolglos waren.
Steven Pinker (2002) stellt
den Forschungsstand um die Jahrtausendwende dazu sehr
umfangreich dar.
Eine sehr breite Übersicht über den Forschungsstand mit rund
400 Referenzen liefert Susan
Pinker (2008).
Noch massiver fällt die Kritik mehrerer Biologen an der
blank-slate-Hypothese aus.
Sammlungen von Gegenargumenten finden sich ferner
hier,
hier,
hier,
hier
Bedeutung und Verwendung der
blank-slate-Hypothese
Von weitem betrachtet kann man sich wundern, wieso überhaupt
eine spezielle, nicht beweisbare Hypothese über biologische
bzw. psychologische Merkmale eine solche politische
Bedeutung hat und mit nahezu religiösem Fanatismus als Dogma
durchgedrückt wird, z.B. 2017 in der Google-Damore-Affäre.
Die blank-slate-Hypothese als Widerlegung von
Suprematie-Hypothesen
Historisch motiviert ist die blank-slate-Hypothese als
Widerlegung von Suprematie-Hypothesen, nach denen es z.B.
intelligentere Geschlechter, Völker, Ethnien etc. gibt. Die
Suprematie-Hypothesen sind aus dem gleichen Gründen wie die
blank-slate-Hypothese unscharf, nicht beweisbar und bei den
meisten Präzisierungen falsch. Suprematie-Hypothesen sind
zusammen mit willkürlichen moralischen Bewertungen
historisch immer wieder als Begründung für Völkermord,
Rassenhaß, Sklaverei, Frauenunterdrückung u.ä. benutzt
worden.
Um die Suprematie-Hypothesen widerlegen zu können, wird die
blank-slate-Hypothese vielfach als logisches Gegenteil
der Suprematie-Hypothesen angesehen. Weil beide
Hypothesen sehr unpräzise sind und auf vielen versteckten
Annahmen basieren, ist in Wirklichkeit unklar, ob sie das
logische Gegenteil voneinander sind und ob eine die andere
widerlegt. Die Annahme des logischen Gegenteils ist also
nicht haltbar, sie ist aber trotzdem üblich. Unter dieser
Annahme wird die Ablehnung der blank-slate-Hypothese
äquivalent zur Zustimmung zu den Suprematie-Hypothesen
angesehen. Letzteres ist hochgradig tabuisiert, damit
auch die Ablehnung der blank-slate-Hypothese. Die
blank-slate-Hypothese hat daher vielfach den Status eines
Dogmas, das ähnlich wie religiöse Dogmen nicht hinterfragt
werden darf. Alleine das Verlangen eines Beweises der
blank-slate-Hypothese wird oft scharf geahndet. In Debatten
wird sie oft als versteckte Null-Hypothese vorausgesetzt.
Die blank-slate-Hypothese als Konsequenz
egalitärer Ideologien
Die blank-slate-Hypothese ist auch relativ leicht erklärbar
durch die moralischen Grundwerte egalitärer Ideologien, zu
denen die feministische Ideologie zählt. Dort werden soziale
Ungleichheiten prinzipiell als Unrecht und besonders
unmoralisch verstanden. Erkennbar ist dies an der extremen
Priorität und der Inkaufnahme erheblicher Kollateralschäden,
mit der die Beseitigung von sozialen Ungleichheiten durch
Gleichstellungsmaßnahmen gefordert bzw.
durchgesetzt wird.
An dieser Stelle ist es wichtig, sich klarzumachen, daß die
extrem negative Beurteilung von sozialen Ungleichheiten in
egalitären Ideologien ein völlig willkürliches
moralisches Werturteil ist (Liberale und Konservative
sehen soziale Ungleichheiten in weiten Bereichen als
Ausdruck des freien Willens und als unproblematisch an).
Wenn die blank-slate-Hypothese nicht gilt, wenn also
relevante biologische Unterschiede angenommen werden, dann
treten auch in einer "diskriminierungsfreien" Gesellschaft
wegen der biologischen Differenzen soziale Unterschiede auf.
Da man diese aber prinzipiell nicht akzeptiert, kann man
auch die Annahme relevanter biologischer Unterschiede nicht
akzeptieren und muß die blank-slate-Hypothese vertreten. Die
Vehemenz, mit der die blank-slate-Hypothese vertreten wird
und ihre "Leugner" bekämpft werden, kann man also auf die
moralischen Werte egalitärer Ideologien zurückführen.
Offensichtlich ist es hochgradig wissenschaftsfeindlich, aus
moralischen Standpunkten abzuleiten, welche biologischen bzw.
psychologischen Erkenntnisse zulässig bzw. politisch korrekt
sind.
Politische Bedeutung der blank-slate-Hypothese
Von der blank-slate-Hypothese werden viele massive Eingriffe
in den Rechtsstaat und rechtliche Diskriminierungen von
Männern abgeleitet. Ein Beispiel ist die Schlußfolgerung,
daß Männer und Frauen statistisch gleichstarkes Interesse an
allen Berufen haben und auch gleich gut dazu befähigt sind.
Die in vielen Berufen auftretenden ungleichen
Geschlechterverhältnisse weichen also von der ideologisch
postulierten Gleichverteilung ab. Diese Diskrepanz zwischen
Ideologie und Realität wird als Beweis dafür gewertet, daß
Frauen diskriminiert werden.
Aus den unterstellten Diskriminierungen von Frauen wird in
einem weiteren Schritt abgeleitet, Männer kompensatorisch
durch Frauenquoten rechtliche zu diskriminieren.
Verbreitung der blank-slate-Hypothese
Verbreitung der
blank-slate-Hypothese in den Gender Studies
Die blank-slate-Hypothese ist eine grundlegende Annahme, um nicht
zu sagen ein Dogma, der real existierenden Gender Studies und
weiter Teile der (radikal-) feministischen Ideologie.
Die blank-slate-Hypothese wird dort oft als folgende Hypothese
formuliert: "Geschlecht ist sozial konstruiert" (z.B.
Meissner (2008)). Meissner
stellt ferner fest: Die Annahme, dass Geschlecht eine
soziale Konstruktion ist, kann in weiten Teilen der Frauen-
und Geschlechterforschung als eine Art Minimalkonsens
gelten. ....
Statt von der blank-slate-Hypothese ist in Gender-Studies-Texten
bzw. -Lehrbüchern oft von der sozialen Konstruktion einer
Geschlechterhierarchie die Rede, was auf das gleiche
hinausläuft.
Wenn man die blank-slate-Hypothese unterstellt, steht man
vor dem Problem zu erklären, wieso sich Männer und Frauen
nachhaltig und über Generationen hinweg geschlechtstypisch
verhalten, und zwar gerade in egalitären Gesellschaften,
obwohl diese fast keinen Druck in Richtung
geschlechtstypischem Verhalten ausüben (s. Literatur zu
Geschlechterunterschieden in
feministischen Kulturen). Eine vielzitierte,
zentrale Publikation, in der dieses scheinbare Paradox
erklärt wird, ist "Doing Gender" (West (1987)). Diese Publikation postuliert, daß
Geschlechtsmerkmale alleine durch Kopieren von Verhalten
weitergegeben werden, also durch einen sozialen Prozeß
erzeugt und dann immer wieder reproduziert werden. Diese
These ist empirisch nicht haltbar und in zahllosen
Gegendarstellungen widerlegt worden, eine der bekanntesten
ist Steven Pinker's "The Blank Slate".
"Doing Gender" wird laut Google Scholar in über 15000 Publikationen zitiert, war
und ist also extrem einflußreich.
Stern (2016) analysierte
eine Stichprobe von 20 dieser Publikationen aus dem Zeitraum
2004 - 2014, die von bekannteren Autoren stammen und die
ihrerseits oft zitiert wurden. Von diesen erwähnt nur eine
einzige die vehemente Kritik an der blank-slate-Hypothese,
alle anderen bestätigen die These explizit oder übernehmen
sie kritiklos. Stern kommt zum Fazit:
findings [of my investigation] are consistent with an image of gender sociology as a subfield that has insulated its sacred beliefs from important scientific challenges.Hier wird deutlich: die Gender Studies leben in einer Filterblase, in der man die eigenen Dogmen vor allen dagegensprechenden Erkenntnissen schützt.
Denkschulen, die die
blank-slate-Hypothese ablehnen
Der Differenzfeminismus und weitere Ideologien verneinen die
blank-slate-Hypothese, postulieren also, daß es einen relevanten
biologischen Einfluß geben kann bzw. sehr wahrscheinlich gibt.
Über das Ausmaß dieses Einflusses, den man ohnehin kaum
messen und quantifizieren kann, gegen die Meinungen auseinander.
Die Behauptung des Differenzfeminismus ist deutlich weniger
stark als die im Genderfeminismus übliche
blank-slate-Hypothese, weil das das Ausmaß dieses Einflusses
offen bleibt. Man kann sie daher viel leichter mit Indizien
zu unterstützen und plausibel begründen. Sie unterscheidet
sich auch nur wenig von der heute üblichen Meinung, daß
sowohl biologische wie kulturelle Faktoren eine relevante
Rolle bei der menschlichen Entwicklung spielen.
Die blank-slate-Hypothese als versteckte
Null-Hypothese und andere Diskursstrategien
Eigentlich müßten die Verfechter der blank-slate-Hypothese
diese selber beweisen. Das ist allerdings nicht möglich,
weil sie je nach Präzisierung einfach falsch ist. Deshalb
werden verschiedene Diskursstrategien benutzt, um einen
Beweis der Hypothese zu vermeiden:
- Man verlangt man von Kritikern, das Gegenteil der blank-slate-Hypothese zu beweisen. Man kann das Gegenteil, also einen relevanten Einfluß biologischer Dispositionen, nicht formal beweisen, sondern nur Indizien dafür vorlegen. Daß kein Beweis des Gegenteils möglich ist, wird dann als Beweis der blank-slate-Hypothese gewertet - dies ist indes ein krasser Fehlschluß.
- Man beschimpft Kritiker der blank-slate-Hypothese als Frauenhasser, Nazis, Suprematisten usw., kündigt den Arbeitsplatz (z.B. im Fall Damore) oder vernichtet sie sozial. Extrem linke Kreise arbeiten mit physischer Gewalt, Vortragsstörungen, Sachbeschädigungen und anderen Straftaten.
- Vorausgesetzt wird die statistische blank-slate-Hypothese: "von Natur aus" haben Frauen statistisch die gleichen Interessen, Talente usw. wie Männer.
- Daraus folgt, daß sich überall 50% Geschlechterquoten, gleiche Durchschnittslöhne etc. ergeben, die Geschlechterunterschiede sind also "von Natur aus" statistisch null.
- Soziale Ungleichheiten beweisen daher die Existenz von Diskriminierungen, die nicht "von Natur aus" vorhanden, sondern sozial konstruiert sind.
- Diskriminierungen sind schlecht und verändern eine Gesellschaft zum schlechteren (daher richten sich Interventionen immer gegen solche Diskriminierungen, z.B. schädliche Geschlechter-Stereotype).
Literatur
- Allgemeinverständliche Übersichten
- Bücher
- Geschlechterunterschiede in feministischen Kulturen
- Sonstige Quellen
Allgemeinverständliche Übersichten
- David P Schmitt: How Big are Psychological Sex Differences? Psychology Today, 08.02.2015. https://www.psychologytoday.com/blog/sexual-personaliti ... erences
- Michael Clegg: Sex and the Seductions of Social Explanation. Quillette, 15.10.2017. https://quillette.com/2017/10/15/sex-seductions-social-explanation/
- Zusammenstellung der wichtigsten Belege für die biologische Begründung der Geschlechterunterschiede aus Pinker (2002): http://allesevolution.wordpress.com/2011/06/15/steven-p ... frauen/
- Zusammenstellung von ca. 50 Originalquellen mit biologischen Begründungen zu Geschlechterunterschieden: http://allesevolution.wordpress.com/2013/05/08/ubersich ... hieden/
Bücher
- David C. Geary: Male, Female: The Evolution of Human Sex Differences, Second Edition. APA Books, ISBN 978-1-4338-0682-7, 01.11.2009. https://www.apa.org/pubs/books/4318066
- Steven Pinker: The Blank Slate: The Modern Denial of Human Nature. Penguin Books, 528 S., ISBN 978-0142003343, 2002. https://www.amazon.de/The-Blank-Slate-Modern-Denial/dp/0142003344, s.a. Leseliste: Steven Pinker: "The Blank Slate"
- Susan Pinker: Das Geschlechterparadox. Über begabte Mädchen,
schwierige Jungs und den wahren Unterschied zwischen
Männern und Frauen (Originaltitel: The Sexual Paradox.
Extreme Men, Gifted Women and the Real Gender Gap). DVA, 2008.
Aufbereitung und Verdichtung von rund 400 wissenschaflichen Originalpublikationen mit dem Gesamtresümee, daß Männer und Frauen signifikant verschiedene Talentverteilungen haben und biologische Dispositionen eine wesentliche Ursache des unterschiedlichen Sozialverhaltens sind.
Geschlechterunterschiede in feministischen Kulturen
Die folgenden Quellen zeigen, daß in egalitären,
feministischen Gesellschaften die Geschlechterunterschiede
nicht verschwinden oder kleiner sind, was nach der
blank-slate-Hypothese zu erwarten wäre, sondern größer
werden.
- Erik Bihagen, Tally Katz-Gerro: Culture consumption in Sweden: The stability of gender differences. Poetics, 06.2000. https://www.researchgate.net/publication/223529887_Cult ... erences
- Paul Costa, Antonio Terracciano, Robert R. McCrae: Gender Differences in Personality Traits Across Cultures: Robust and Surprising Findings. Journal of Personality and Social Psychology Vol. 81, p.322-31. 10.1037//0022-3514.81.2.322, 09.2001. https://www.researchgate.net/publication/11825676_Gende ... indings
- David P. Schmitt, Anu Realo, Martin Voracek, Jüri Allik: Why Can't a Man Be More Like a Woman? Sex Differences in Big Five Personality Traits Across 55 Cultures. Journal of Personality and Social Psychology 94:1, p.168-182, 2008. https://www.bradley.edu/dotAsset/165918.pdf
-
David P. Schmitt, Audrey E. Long, Allante
McPhearson, Kirby O'Brien, Brooke Remmert, Seema H.
Shah: Personality and gender differences in global
perspective. International Journal of Psychology 52:S1, Dec. 2017,
p.45-56, DOI 10.1002/ijop.12265, 21.03.2016. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ijop.12265/full
Empirically, evidence suggests gender differences in most aspects of personality-Big Five traits, Dark Triad traits, self-esteem, subjective well-being, depression and values-are conspicuously larger in cultures with more egalitarian gender roles, gender socialization and sociopolitical gender equity. Similar patterns are evident when examining objectively measured attributes such as tested cognitive abilities and physical traits such as height and blood pressure. Social role theory appears inadequate for explaining some of the observed cultural variations in men's and women's personalities.
Sonstige Quellen
- Charlotta Stern: Undoing Insularity: A Small Study of Gender Sociology's Big Problem. Econ Journal Watch 13(3), p.452-466, 09.2016. https://econjwatch.org/file_download/943/SternSept2016.pdf
- Candace West, Don H. Zimmerman: Doing Gender. Gender & Society 1, S.125-151, 06.1987. https://links.jstor.org/sici?sici=0891-2432%28198706%29 ... O%3B2-W
- Lara M. Wierenga, et al.: Greater male than female variability in regional brain structure across the lifespan. Human Brain Mapping, DOI 10.1002/hbm.25204, 12.10.2020. https://onlinelibrary.wiley.com/toc/10970193/0/0