Dienstag, 17. März 2020

Volksverdummung in der Tagesschau II


Wir haben unruhige Zeiten, der Corona-Virus geht um, die Börsen crashen, und der Klimawandel bedroht uns alle. Da ist man froh über jede Konstante im Leben, die Halt gibt und auf die man sich verlassen kann. Eine solche Konstante sind die Fake News, mit denen uns die Tagesschau jährlich zum feministischen Equal Propaganda Day (EPD) beglückt.


"Qualitätsjournalismus" und logische Konsistenz
Fälschen durch Weglassen
Das eigentliche Opfer: die Demokratie
Nachtrag: Noch ein Propaganda-Artikel der Tagesschau
Nachtrag 2: Die Tagesschau ist nicht allein - Fake News auch vom Handelsblatt
Quellen

"Qualitätsjournalismus" und logische Konsistenz
Darüber habe ich schon in der Vergangenheit berichtet, insofern ist der Sachverhalt als solcher eigentlich langweilig. Dieses Jahr übertrifft sich die Tagesschau allerdings selber. Der Tagesschau-Text vom 16.03.2020 enthält zunächst die übliche (aber falsche, mehr dazu unten) Erklärung des bereinigten Gender Pay Gaps:
... Das letzte Viertel des Gehaltsunterschieds wird als bereinigte Gender Pay Gap bezeichnet. Sie beziffert, was Frauen bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit weniger verdienen als Männer, und lag den Berechnungen zufolge zuletzt bei 6 Prozent.
Das unbereinigte GPG - von Fachleuten auch als Unstatistik bezeichnet und Basis des EPD - beträgt für 2019 nach der Pressemitteilung Nr. 097 des Statistischen Bundesamts 21% Dies entspricht 77 von 366 Tagen, man kommt so auf den 17. März. Nun erfahren wir in der Tagesschau weiter:
Der Termin [der 17. März] gibt symbolisch an, bis zu welchem Tag im Jahr Frauen praktisch unbezahlt gearbeitet haben, obwohl sie die gleiche Arbeit wie Männer leisten, Unterschiede nach Qualifikation, Branchen oder Teilzeitquote werden hier nicht gemacht.
Moment mal - für die Tagesschau ist es die gleiche Arbeit, auch wenn Unterschiede nach Qualifikation, Branchen oder Teilzeitquote vorliegen?

Wenige Zeilen davor war der Lohnunterschied bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit noch 6 Prozent, nicht 21.

Für wie dumm hält die Tagesschau eigentlich die Nachrichtenkonsumenten? Innerhalb von nur 10 Zeilen einen derart eklatanten inneren Widerspruch zu erzeugen, ist schon eine ausgereifte haltungsjournalistische Leistung. Nicht zu reden von der populistischen Desinformation, wonach Frauen "unbezahlt gearbeitet" hätten. Sie wurden durchaus bezahlt, nur eben statistisch nach anderen Tarifen als Männer.

Eine Erklärung für diese intellektuelle Zumutung könnte darin liegen, daß seit einiger Zeit Juliane Leopold Redaktionsleiterin von tagesschau.de ist. Leopold war Mitgründer und Leiter eines der wichtigsten deutschen feministischen Blogs, kleinerdrei.org, und hat dort als ausgewiesene Feministin viele Jahre lang alternative feministische Fakten produziert.

Wenn man übrigens einen Hang zum investigativen Journalismus hat, findet man mit ca. 2 Mausklicks eine Definition des Gender Pay Gaps beim Statistischen Bundesamt und dort unter "Hinweise zur Interpretation" folgende eindringliche Warnung:

Aussagen zum Unterschied in den Verdiensten von weiblichen und männlichen Beschäftigten mit gleichem Beruf, vergleichbarer Tätigkeit und äquivalentem Bildungsabschluss sind [mit dem unbereinigten Gender Pay Gap] nicht möglich.
Genau das, was das Destatis explizit als nicht möglich hervorhebt, verkauft die Tagesschau als (feministische) Wahrheit.
Fälschen durch Weglassen
Nur der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, daß die Behauptung, das bereinigte GPG läge bei 6 Prozent, eine unvollständige und in der Sache falsche Zitierung der Destatis-Angaben ist. Weggelassen wird eine entscheidende Ergänzung, die sich seit Jahren in Dutzenden Papieren und Pressemeldungen des Destatis findet, und zwar folgende Aussage
[Das bereinigte GPG] wäre geringer ausgefallen, wenn weitere Informationen über lohnrelevante Einflussfaktoren für die Analysen zur Verfügung gestanden hätten, wie vor allem Angaben zu Erwerbsunterbrechungen.
Dabei ist dies noch eine Untertreibung. Es fehlen nicht nur Angaben zu Erwerbsunterbrechungen (die zu einer systematischen Überschätzung der Berufserfahrung bei Frauen führen), sondern auch (a) Angaben zu den qualitativen Qualifikations- und quantitativen Leistungsanforderungen des Arbeitsplatzes und (b) Angaben zu der tatsächlichen Leistung der Stelleninhaber, die z.B. in einem Arbeitszeugnis dokumentiert sein könnten. Mehr dazu hier.

Das bereinigte GPG liegt also irgendwo unterhalb von 6 %, irgendwo zwischen 0 und 6 % (theoretisch kann es sogar negativ sein). Wo es wirklich liegt, weiß niemand, weil man sehr viele sehr wichtige Daten nicht hat und auch nie bekommen wird.

Das eigentliche Opfer: die Demokratie
In seinen sehenswerten Vorträgen weist der Psychologieprofessor Rainer Mausfeld immer wieder darauf hin, daß das Herzstück einer Demokratie ein intakter Debattenraum ist, in dem sich die öffentliche Meinung entwickelt. Intakt insofern, daß alle relevanten Informationen unverfälscht zugänglich sind. Wenn ein Medium mit einer derart großen Reichweite wie die Tagesschau systematisch desinformiert, kann es keine qualifizierte öffentliche Meinung geben.

Die systematische feministische Desinformation, die die Tagesschau seit Jahren betreibt, ist ein direkter Angriff auf unsere Demokratie.


Nachtrag: Noch ein Propaganda-Artikel der Tagesschau
Nur ein einziger Artikel zur Unterstützung eines der wichtigsten feministischen Feiertage ist natürlich zu wenig für die pflichtbewußte Tagesschau. Daher gibt es heute noch einen weiteren Text "Frauen verdienen im Leben halb so viel".

Mathematisch betrachtet überrascht das nicht, weil sich hier 3 Effekte multiplizieren. (a) Frauen arbeiten statistisch weniger Stunden pro Woche, u.a. damit die Work-life-Balance ausgeglichen ist. (b) Sie absolvieren weniger Arbeitsjahre, weil sie früher in Rente gehen bzw. zwischendurch wegen Kindererziehung aussetzen. (c) Sie wählen Berufe, die eher kein hohes Verletzungs- bzw. Todesfallrisiko haben, sondern stattdessen nichtfinanzielle Vergütungen (Spaß, Sinnstiftung, Lob, mit (schönen) Menschen zusammen sein etc.). Diese Berufe sind weniger gut bezahlt als andere Berufe, die risikobehafteter und weniger amüsant sind.

Genaugenommen können sie sich das meistens leisten, weil sie dank weiblicher Hypergamie mit einem Mann verpartnert sind, der dieses Verhalten finanzieren kann. Im Endeffekt findet ein gewaltiger Transfer von Einkommen, das von Männern erarbeitet wird, hin zu Frauen bzw. Familienmitgliedern statt. Es ist unseriös, das Lebenseinkommen von Männern und Frauen zu vergleichen und diesen Einkommenstransfer dabei zu unterschlagen. In einer typischen Ehe / Partnerschaft mit einem Mann als Hauptverdiener und der Frau als Zuverdiener haben aufgrund dieses Einkommenstransfers beide den gleichen Lebensstandard. Sie bewohnen die gleiche Wohnung, fahren das gleiche Auto und essen das gleiche Essen. In den gar nicht mehr so seltenen Fällen, wo die Frau Hauptverdiener ist, ist das genauso der Fall, verursacht aber seltsamerweise keine Aufschreie.

Der Artikel arbeitet mit der klassischen Propaganda-Methode, von einem Thema nur die Hälfte zu erwähnen und die unpassende andere Hälfte wegzulassen. Die halbe Wahrheit ist aber leider eine ganze Falschheit.

Dazu passend arbeitet der Artikel wie üblich mit Methoden, die offenbar direkt aus dem legendären "Framing-Manual" für Gemeinwohl-Medien stammen. Beispiele:

  • "Die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen ..."

    Benutzt den negativ framenden Kampfbegriff "Lohnlücke"

  • .. in Bezug auf Chance und Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt das Nachsehen, ...

    Benutzt (implizit) die Kampfbegriffe "Chancengleichheit" und Teilhabe.

  • ... weil sie Familie und Beruf unter einen Hut bringen müssten,

    Wiederholt zum 1000. Mal die Falschaussage, daß Frauen viel mehr unbezahlte Arbeit im Haushalt als Männer leisten.

Ansonsten kommen noch einige der Halbwahrheiten bzw. Falschaussagen zum GPG wie im Artikel vom 16.03. vor.
Nachtrag 2: Die Tagesschau ist nicht allein - Fake News auch vom Handelsblatt
Damit jetzt hier nicht der Eindruck entsteht, die Tagesschau sei die einzige Quelle von Desinformation und Propaganda, sei beispielhaft ein Artikel vom 17.03.2020 im (ehemals) altehrwürdigen Handelsblatt erwähnt. In diesem Artikel kommen unbehelligt von jeder kritischen Nachfrage Henrike von Platen, die seit Urzeiten als feministische Aktivistin unterwegs ist, und Malte Lübker vom WSI der Hans-Böckler-Stiftung (die GPGs auf Basis des hanebüchenen WSI-Datenbestands berechnet) zu Wort. Der Kampfbegriff "Lohnlücke" fehlt natürlich nicht, der Artikel ist voll von wahrheitswidriger Propaganda. Zu den besonders dreisten Lügen zählen:
Und so kommt es, dass der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen, der sogenannte Gender Pay Gap, noch immer mindestens 21 Prozent beträgt. ...
Hier wird suggeriert, die das unbereinigte GPG sei tatsächlich noch höher als vom Statistischen Bundesamt angegeben. Das ist völliger Unfug, es wird nicht mindestens, sondern genau bestimmt. Der berechnete Wert weist natürlich trotz der enorm großen Stichprobe einen Unsicherheitsbereich auf, wenn man ihn auf die Gesamtbevölkerung verallgemeinert. Dieser Unsicherheitsbereich liegt aber über und unter dem berechneten Wert.
wenn [man] ... nur die Bruttolöhne mit der gleichen Berufserfahrung und mit der gleichen Leitungsfunktion miteinander vergleicht - ja, dann bleibt noch immer eine Lohnlücke von aktuell mindestens sechs Prozent.
Hier geht die Phantasie völlig mit der Autorin durch. Wie schon oben erwähnt, trifft genau das Gegenteil zu: das tatsächliche bereinigte GPG ist kleiner als der publizierte Wert, weil Daten fehlen.
[Die] Lohnlücke ist nur mit Diskriminierung zu erklären
Glaube versetzt Berge. Diese Behauptung ist für das bereinigte und erst recht für das unbereinigte GPG völlig absurd. Die wichtigste Erklärung ist das Fehlen wesentlicher lohnrelevanter Daten.

Man fragt sich hier verzweifelt, wie extrem der Wille feministischer Aktivisten ist, auch nach einem Jahrzehnt Debatte zu diesem Thema selbst elementare Fakten nicht zur Kenntnis zu nehmen. Die Motivation ist offensichtlich - Machtgewinn und Profite für die eigene Klientel stehen auf dem Spiel. Es läuft auf die bittere Erkenntnis hinaus, daß diese Akteuren mediale Machtpositionen erobert haben und sie schamlos für ihre Propaganda ausnutzen.

Demokratische Debatten mit solchen Akteuren sind vor diesem Hintergrund völlig sinnlos. Schlimmer noch ist, daß hier eine grundlegende Annahme demokratischer Debatten, daß sich die Teilnehmer an Fakten orientieren und sich nicht vorsätzlich dumm stellen, zur Disposition gestellt wird.

Quellen